14.09.2019
Von der Nachkriegszeit bis in die nahe Zukunft
Mordsharz in Goslar mit Su Turhan, Susanne Mischke und Frank Goldammer
...von Christian Dolle
„Einer nach dem anderen kommt ums Leben und keiner redet darüber – so gefällt mir das am besten“, sagte Frank Goldammer bei seiner Lesung im Rahmen des Mordsharz-Festivals im Rammelsberg in Goslar. Dabei bezieht er sich natürlich auf seine Bücher, insbesondere auf seinen neuesten Krimi „Roter Rabe“, denn beim vorherigen Band um Kommissar Max Heller habe es eines Lesers zufolge zu wenige Tote gegeben.
Dabei sind die Kriminalfälle, mit denen Max Heller es zu tun bekommt, nur der halbe Reiz der Romane, denn Frank Goldammer hat die Serie im Dresden der Nachkriegszeit angesiedelt und vermittelt zwischen den Morden, über die niemand redet, auch sehr viel Zeitgeschichte. So erlebte sein Ermittler die Bombardierung der Stadt mit, wurde mit seiner Frau und den Kindern obdachlos und lebt nun im Haus einer mittlerweile älteren Dame.
In diesem Fall bekommt er es mit zwei Männern zu tun, die sich angeblich umgebracht haben, da beide jedoch Zeugen Jehovas waren, glaubt Heller nicht an den Selbstmord. Die Zeugen Jehovas hatten zu jener Zeit in der DDR einen schweren Stand, erläuterte Frank Goldammer, es gab unter anderem Schauprozesse gegen sie. Mit genau dieser Mischung aus Krimi und Zeitgeschichte ließ er den zweiten Mordsharz-Tag schon einmal äußerst spannend beginnen.
Auf diesem Niveau machte Susanne Mischke dann auch gleich weiter, immerhin mit der Weltpremiere ihres neuen Thrillers „Blank Space“. Dessen Protagonistin Carolin erwacht in einer Psychiatrie, ohne sich zu erinnern, was zuvor passiert ist oder wie sie dorthin gelangt ist. Nach und nach, auch im Gespräch mit dem undurchsichtigen Leiter der Einrichtung rekonstruiert die Studentin die Ereignisse der vergangenen Tage.
Ebenso erfährt auch der Leser nur Stück für Stück, dass Carolin in einer WG auf einem Hausboot in Amsterdam lebt und ihre Mitbewohnerin Odile einen ausgeprägten Hang zu durchfeierten Nächten und exklusiven Partys hat. Doch was ist genau passiert? Gibt es eine Parallelwelt, in die Odile abgerutscht ist? Und hat Carolin vielleicht sogar etwas mit ihrem Verschwinden zu tun?
Im Interview verriet Susanne Mischke, dass sie sich mit diesem Buch in ziemliches Neuland wagte, nämlich einen Thriller für eigentlich junges Publikum zu schreiben, dass sie aber genau das immer mal wieder braucht und gerne mal Neues ausprobiert – exzessive Partynächte meinte sie damit aber nicht, wie sie betonte.
Fast schon zur Partynacht wurde das Krimifestival dann bei Su Turhan. Eigentlich hat er ja mit „Die Siedlung“ einen ernsten und durchaus düsteren Wissenschaftsthriller um neue Technologien geschrieben. Daraus las er selbstverständlich auch vor. Dennoch schaffte er es immer wieder, seinen eigenen Text so ironisch augenzwinkernd zu kommentieren, dass es wirkte als erlebe man hier live den Off-Kommentar des Regisseurs, so wie es das manchmal auf DVDs oder Blu-Rays gibt.
Angesichts der späten Stunde dieser dritten Lesung war die lockere Präsentation auf jeden Fall wohltuend, vor allem, weil Su Turhan es natürlich trotzdem ausgezeichnet verstand, genau die Dinge anzusprechen, die seinen Roman so spannend machen und ihn zum Ausgangspunkt für Diskussionen über moderne Technologien und deren Beherrschbarkeit zu machen.
Insgesamt also war auch dieser Tag wieder ein Streifzug durch die Bandbreite des Genres Krimi, zeigte auf, wie unterschiedlich Lesungen doch sein können und brachte drei großartige Vertreter ihrer Zunft in den Harz. So darf es gerne weitergehen.