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14.09.2019

Das süße Multitalent: die Rübe


Zum Vergleich: auf einem unbehandelten Acker werden die Rüben nicht so groß wie auf einem mit Pflanzenschutzmittel behandeltem.

Landwirt Wilhelm Haase und der Geschäftsführer des Zuckerrübenanbauerverbandes Dirk Wollenweber über die positiven Eigenschaften der Rübe und über die unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EU.

von Herma Niemann

Im Altkreis Osterode gibt es 30 Landwirte, die auf rund 500 Hektar Zuckerrüben anbauen. Weltweit wurden laut der Welternährungsorganisation Food and Agriculture im Jahr 2017 insgesamt etwa 301 Millionen Tonnen Zuckerrüben geerntet.

Die zehn größten Produzenten erzeugten zusammen 78,7 Prozent der Welternte. Deutschland liegt dabei auf Platz drei, mit rund 34 Millionen Tonnen. Der Zucker ist bei den Deutschen ein gern gesehenes Lebensmittel, ob in Form von Süßigkeiten, Getränken oder Gebäck. Aber, die Rübe kann noch mehr, wie der Geschäftsführer

des Zuckerrübenanbauerverbandes Südniedersachsen, Dirk Wollenweber, in einem Gespräch mit unserer Zeitung erklärt. Die Rübe leiste nämlich auch einen positiven Beitrag zum Klimaschutz. „Sie bindet Kohlendioxid und ist ein hocheffizienter Sauerstoffspender“. Jetzt, Anfang September, während der höchsten Wachstumsphase, liefert jeder Hektar bis zu 150.000 Liter Sauerstoff.

Bei dem Ortstermin auf dem Acker des Rübenanbauers Wilhelm Haase in Dorste betonte Wollenweber die wichtige Bedeutung der Zuckerrübe: „Wir müssen der Bevölkerung bewusst machen, dass die Zuckerrübe im Jahr mehr als dreimal so viel Sauerstoff produziert wie die gleiche Fläche Wald“. Auf jedem Acker würden tausende kleine Sonnenkraftwerke arbeiten, wie Wollenweber ergänzt. Die Zuckerrübe wandelt CO2 mit Hilfe der Sonnenenergie in Zucker um und produziere dabei auf einer Fläche von einem Hektar so viel Sauerstoff, dass 100 Menschen ein Jahr davon atmen können. Die Zuckerrübe kann man also quasi als ein kleines Multitalent bezeichnen. Zudem zeichne sie aus, dass sie im Vergleich mit anderen Kulturpflanzen den niedrigsten Wasserverbrauch aufweise. „Auch diese Effizienz bei der Wasserausnutzung verdeutlicht den besonderen Stellenwert“. Die Dürre im vergangenen Jahr und auch die Trockenheit

in diesem Jahr habe die Landwirte arg gebeutelt und beschäftigt. Die Rübe komme allerdings noch am besten mit dem momentanen trockenen Klima zurecht. Die Pflanze wurzelt bis zu zwei Meter tief und gelangt so über lange Zeit an Wasser. Bereits seit Jahren verzeichne man stabile Erträge. „Die Zuckerrübe fühlt sich wohl in Niedersachsen“. Damit die Rüben jedoch gedeihen können, müssen auf den Feldern Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen. Rüben, die ohne Pflanzenschutz gezogen werden, werden nicht so groß wie die behandelten, betont Haase. Das Beikraut wachse dann meterhoch und mache der Rübe sozusagen Konkurrenz, so Wollenweber.

Bei diesem Thema kommt der Rübenanbauer auf die EU zu sprechen. Innerhalb der Europäischen Union würden enorme Wettbewerbsverzerrungen vorhanden sein. Denn was die Pflanzenschutzzulassungen anginge, gebe es unterschiedliche Verlängerungen in der EU. So dürfen zum Beispiel die von der EU verbotenen Neonicotinoide in 13 EU-Mitgliedsstaaten aufgrund von Notfallzulassungen weiterverwendet werden. In Polen und in Österreich etwa dürften Restbestände des Saatguts mit aufgesetzter Neonikotinoid-Beize noch aufgebraucht werden. Hier ginge nationales Recht vor, und Deutschland habe schärfere Gesetzte als andere. Dabei sei dieses Mittel nur bei Blühsaaten sehr bedenklich, da es gefährlich für Bienen sei. „Die Rübe blüht aber nicht“, betont Wollenweber.

Die Höchstleitungen der süßen Rübe kämen natürlich nicht von ungefähr. Wie bei allen Lebewesen sichere die Gesundheit der Pflanzen das Wachstum und die Leistungsfähigkeit. In den vergangenen Wochen seien die Rübenblätter von Blattkrankheiten befallen gewesen. In diesem Jahr seien die Äcker von Wilhelm Haase und seinem Kompagnon Henning Jäger davon weitgehend verschont geblieben. Sonst hätte man zwischendurch öfter mal spritzen müssen, was wiederum in der Bevölkerung wahrscheinlich für Unverständnis gesorgt hätte.

Bei einem Befall sind die kranken Blätter geschwächt, binden weniger CO2 binden und produzieren demzufolge auch weniger Sauerstoff und weniger Zucker. Daher müsse man die Pflanzen vor dem Krankheitsbefall schützen, und das ginge effektiv nur mit chemischen Pflanzenschutzmitteln.

Aufgrund der beiden trockenen Sommer müsse man die Erträge in diesem Jahr realistisch einschätzen, der Schnitt der vergangenen Jahre werde wohl nicht erreicht. Haase gehört zu den Landwirten, der neben den an Gewässern geforderten Grün-und Blühstreifen auch extra am Rande seiner Äcker solche Streifen stehen lässt. „Das ist zum einen gut für Insekten, aber auch für andere Kleintiere, die sonst kaum noch Rückzugsmöglichkeiten in der Landwirtschaft finden“, betont Haase.


andwirt Wilhelm Haase und der Geschäftsführer des Zuckerrübenanbauerverbandes Südniedersachsen Dirk Wollenweber auf dem Rübenacker (von links)

Ein kurze, aber prägnante Info zur Zuckerrübe hat Wilhelm Haase an einem seiner Äcker angebracht.

 

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