Kultur / Rezensionen

30.07.2019

Wohlstand für alle?


Marc Elsberg präsentiert bei Mordsharz seinen Thriller „Gier“

von Christian Dolle

Ein Nobelpreisträger hat angeblich eine Formel gefunden, mit der sich die Armut auf der Welt bekämpfen lässt. Während die Massen gegen soziale Ungleichheit demonstrieren, will er sie auf einer Konferenz in Berlin der Öffentlichkeit vorstellen. Leider kommt er dort nie an, sondern stirbt auf der Hinfahrt bei einem Autounfall. Doch es gibt einen Zeugen, der weiß, dass es Mord war. Und er weiß, dass irgendwo das Manuskript seiner Rede existiert.

Gerade die Anfangssequenz in Marc Elsbergs neuem Thriller „Gier“ wirkt beängstigend, beklemmend realistisch, wie eine Apokalypse, die uns jeden Tag bevorstehen kann. Sein Szenario ist nicht weniger als der Zusammenbruch des Kapitalismus, wenn sich die Menschen gegen die Ausbeutung einiger weniger Reicher auflehnen und die Lüge vom stetigen unbegrenzten Wachstum nicht mehr glauben mögen.

Dieser gar nicht so fern scheinenden Zukunftsvision stellt Elsberg eine Fabel von vier Bauern gegenüber, die ihre Felder bewirtschaften und ihren Ertrag zu vermehren versuchen. Trotz gleicher Bedingungen gelingt dies einigen besser als anderen. Doch warum?

Im Grunde ist dies die Ausgangsfrage für das Buch, im Grunde ist es eine Geschichte, die um diese Bauernfabel und die damit erklärbaren Wirtschaftstheorien herum geschrieben ist. Schon in „Blackout“, „Zero“ und „Helix“ machte der österreichische Bestsellerautor deutlich, dass es ihm um tatsächliche Bedrohungen unserer Gesellschaft geht. Seine Bücher befassen sich sehr intensiv mit den wissenschaftlichen Fakten, es hat beinahe den Anschein, er schreibt seine Thriller vor allem deshalb, um auf diese Gefahren aufmerksam zu machen und eine Diskussion anzuregen.

Mit „Zero“ war Marc Elsberg schon einmal bei Mordsharz zu Gast, damals im Weltkulturerbe Rammelsberg in Goslar. Allerdings hat er gar nicht so viel gelesen, sondern vielmehr einen spannenden Vortrag zur Digitalisierung und Datensicherheit gehalten. Viele Gäste stellten hinterher fest, dass die Fakten eigentlich spannender und erschreckender sind als die Fiktion.

Im neuen Roman „Gier“ ist es ähnlich. Auch hier verknüpft Elsberg viel Theorie und darunter sogar knallharte Mathematik mit einer rasanten Verfolgungsgeschichte, die er in gewisser Weise nur braucht, um seine eigentlichen Inhalte einer breiten Leserschaft ansprechend zu präsentieren. Im Grunde macht er es hier sogar noch konsequenter als in den Vorgängern, indem er die Fakten eben als tatsächliches Redemanuskript des ermordeten Nobelpreisträgers auftauchen lässt.

Dennoch verkommt der Thriller damit keinesfalls zum Sachbuch. Mag der kriminalistische Aspekt auch in den Hintergrund treten, so schafft der Autor es durch das Tempo der Verfolgungsjagd durchs aufgewühlte Berlin die Spannung hoch zu halten. Dank der weiteren Erzählebene der vier Bauern wirkt alles zudem auch noch literarisch ansprechend aufbereitet und funktioniert ohne weiteres sowohl als Thriller wie auch als Diskurs zum Thema Wachstum für alle, Umverteilung und soziale Gerechtigkeit.

Der Schlüssel zum Erfolg – Achtung Spoiler – liegt letztlich übrigens in der globalen Kooperation, die somit auch der einzige Weg scheint, den Zusammenbruch des Kapitalismus zu verhindern. Im Grunde ist das nicht neu, doch leider für viele sehr einflussreiche Menschen eine so unbequeme Wahrheit, dass sie alles dafür tun, um die Verbreitung dieser Theorien und vor allem ihre praktische Umsetzung aufzuhalten. Also im Buch natürlich.

Am Freitag, 13. September, ab 21 Uhr wird Marc Elsberg bei Mordsharz im Welfenschloss Herzberg zu Gast sein. Zuvor liest um 18 Uhr Gunnar Kunz aus „Schwarze Reichswehr“ und um 19.30 Christine Brand aus „Blind“. Ob Marc Elsberg überwiegend lesen oder über die Hintergründe von „Gier“ informieren wird, entscheidet der Autor natürlich selbst, auf jeden Fall aber dürfte es ein äußerst spannender und vermutlich auch durchaus beklemmender Abend werden.

Wer keine Lust zum Lesen hat kann sich die Rezi hier auch vorlesen lassen:

 

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