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27.06.2019

Von der Friedenseiche bis zum Schandpfahl


Eine Station des Pilgerweges war unter der Sommerlinde vor der St. Johanneskirche

Die Kirchengemeinde Gittelde hatte zu einem besonderen Pilgerweg eingeladen

...von Herma Niemann

Pilgern zu historischen Plätzen und Bäumen im Flecken Gittelde. Unter diesem Titel hat die evangelische Kirchengemeinde am Sonntag eingeladen. Bei idealem Wetter traf sich eine stattliche Pilgergruppe von rund 70 Personen am Gittelder Sportplatz, um unter Führung von Pfarrerin Melanie Mittelstädt und dem Heimatchronisten Bodo Biegling einen kurzweiligen Pilgerweg vom Gittelder Sportplatz bis zur St. Mauritiuskirche im Oberdorf zu bewältigen.

An sechs verschiedenen Stationen erfuhren die Teilnehmer Historisches über die Gittelder Versammlungsplätze beziehungsweise über die Mahn- und Erinnerungsbäume im Ort. Pfarrerin Mittelstädt ergänzte diese Rückblicke durch theologische Anmerkungen und kurzweilige Gedichte.

Der Pilgerweg begann am Gittelder Anger, dem heutigen Sportplatz, auf dem vor rund 150 Jahren, anlässlich des Endes des Deutsch-Französischen Krieges, die legendäre Gittelder Friedenseiche gepflanzt wurde. Dies geschah in der Hoffnung auf ewigen Frieden und Einigkeit. Fast auf den Tag genau vor 70 Jahren, nämlich am 10. Juni 1949, wurde diese Friedenseiche von fünf fußballbegeisterten Gitteldern angesägt, und musste anschließend gefällt werden. Dieses historische Ereignis, dass inzwischen in die Gittelder Geschichtsschreibung eingegangen ist, wurde von der Pfarrerin mit einem launischen Gedicht kommentiert, das mit den mahnenden Sätzen endet: „Ein Baum kann für den Frieden stehen, doch Frieden muss durch uns geschehen“.

Erinnert wurde auch an die dunkelste Zeit der deutschen Geschichte, als der landesweite Personenkult um Adolf Hitler dazu führte, dass am 1. Mai 1933 an der Thüringer Straße ein Adolf-Hitler-Platz mit einer Hitler-Eiche gewidmet wurde. Dieser wurde aber bereits nach zwölf Jahren, die mit viel Not und Elend verbunden waren, im Rahmen der Entnazifizierung wieder entwidmet. Nachdem auf diesem Platz 1951 eine groß geplante Strumpffabrik spektakulär Pleite ging und dieser Pleitebau später von der FUBA übernommen wurde, gab es auf diesem Platz doch noch eine segensreiche Fortsetzung. Von 1959 bis 2009 fanden viele Menschen aus der Region hier einen guten Arbeitsplatz.

Eine weitere Station war die Sommerlinde vor der St. Johanniskirche mit Blick auf das Kriegerdenkmal. Hier stellte Bodo Biegling die These auf, dass diese 450 Jahre alte Linde einst anlässlich der Einführung der Reformation im Herzogtum Braunschweig, und somit auch in Gittelde, gepflanzt wurde. Zu dem Martin Luther zugeschriebenen Spruch “Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“, sprach die Pfarrerin über die schrecklichen Leiden vieler Menschen in der Welt durch Krieg, Hunger und andere Katastrophen, über die steigenden Umweltschäden sowie über den bedrohlichen Klimawandel.

Die nächste Station war der Strullberg, wo der Heimatchronist über den einst hier gestandenen Schandpfahl und von dem am östlichen Dorfrand gelegenen Galgenplatz berichtete. Wenn dies aus heutiger Sicht auch keine typischen Versammlungsplätze sind, hatten sie in alten Zeiten doch einen sehr hohen Stellenwert. Die damalige Rechtsprechung war grausam und entwürdigend. Der Vollzug der verhängten Strafen am Galgen oder am Schandpfahl fand als öffentliche Veranstaltung statt. Es war eine begehrte Volksbelustigung für die örtliche Bevölkerung aber gleichzeitig auch eine mahnende Abschreckung.

Nach einem weiteren Stopp vor der St. Mauritiuskirche fand dieser etwas andere Pilgerweg mit einer Andacht in der Kirche seinen Abschluss Der Kirchenvorstand lud danach alle Teilnehmer zu einer gemeinsamen Kaffeetafel im Pfarrhaus ein. Als Überraschung erhielten alle Teilnehmer einen kleinen Begleittext zu diesem Pilgerweg. Auf 27 Seiten werden darin die historischen Plätze und Bäume in der Gemeinde Gittelde noch einmal in vielen Einzelheiten beschrieben. In begrenzter Zahl kann dieser Text auch noch von geschichtsinteressierten Personen im Pfarrhaus oder beim Heimatchronisten Bodo Biegling erworben werden.


Vor der St. Mauritiuskirche. Hier war das Ziel des Pilgerweges

Die folgenden Bilder können Sie vergrößern, wenn Sie ein Eseltreiber-Abo haben:



Am Strullberg. Dort war früher der Gittelder Schandpfahl, wo grausam Recht gesprochen wurde

 

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