Kultur

15.02.2019

„Reisen ist alles, nur kein Urlaub“


Vorpremiere des Films „REISS AUS“ im Kino Herzberg

von Christian Dolle

„Es geht nicht darum, die Welt zu retten, sondern sie mit dem, was ich kann, ein bisschen besser zu machen.“ Diese Satz sagt die in Osterode aufgewachsene Journalistin und Fotografin Lena Wendt in ihrem Film „REISS AUS“, der am Mittwoch im Herzberger Kino in einer besonderen Premiere gezeigt wurde. Sie und ihr Partner Ulli, mit dem sie gemeinsam zwei Jahre lang durch Westafrika reiste, stellten den Film zum vielleicht größten Abenteuer ihres Lebens vor, beantworteten viele Fragen und schafften es, das Afrikabild der Kinobesucher deutlich zu erweitern.

Ein halbes Jahr Auszeit sollte es werden. Lena und Ulli wollten mit einem Land Rover nach Südafrika reisen, sich vom durchgetakteten deutschen Alltag erholen und neue Erfahrungen sammeln. Dass sie ihr eigentliches Ziel nie erreichten, am Ende aber sich selbst fanden, das war nie geplant. Auch einen Film über die Reise wollten sie anfangs gar nicht machen. Stattdessen wollte Lena unbedingt den afrikanischen Kontinent durchqueren und Land und Leute kennenlernen, weil ihr das Reisen existenziell wichtig ist, Ulli wollte sich vor allem von einem Burnout erholen.

Die Geschichte zweier Menschen und Geschichten aus Afrika

Beides klappte nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatten, erzählt der Film, den sie jetzt aus eigenen Mitteln und sozusagen als nächstes Abenteuer fertigstellten. Besonders bemerkenswert ist, dass es sich hier keinesfalls nur um ein Video-Reisetagebuch handelt. Dieser Film erzählt eine Geschichte. Die Geschichte zweier Menschen auf der Suche nach sich selbst und viele Geschichten aus Afrika, die sonst vielleicht nie bis nach Europa getragen worden wären.

„Reisen ist alles, nur kein Urlaub“, sagt Ulli einmal im Film. Er ist derjenige, der sich von Schlaglöchern, gebrochenen Stoßdämpfern, vom Steckenbleiben im Wüstensand sehr oft aus dem Tritt bringen lässt und sich immer mal wieder hinterfragt, warum er sich diesen Trip antut. Lena hingegen saugt alle neuen Eindrücke begeistert in sich auf, will unbedingt alles über die Länder und vor allem die Menschen, die dort leben, erfahren.

Genau aus diesem Spannungsfeld heraus schöpft der Film seine Kraft und schafft spielend den Spagat zwischen dem Abenteuer zweier Menschen und einem hervorragend authentischen und unverstellten Blick auf diesen Kontinent, der uns immer noch so fremd ist. Den Menschen, die etwas über ihre Heimat erzählen, wird viel Raum gelassen, zudem wird vieles ehrlich und unvoreingenommen kommentiert, so dass die Zuschauer sich nie belehrt fühlen, sondern vielmehr auf Fährten geschubst werden, denen sie folgen können.

Den Menschen auf Augenhöhe begegnen

Nach dem Abspann gab es langen Applaus und anschließend viele Fragen an die beiden. „Als wir losgefahren sind, konnten wir beide keinen Reifen wechseln“, gaben sie offen zu, gefilmt hat Lena eigentlich nur, um Familie und Freunden ab und zu etwas zeigen zu können, wo sie gerade ist. Von früheren Freunden waren an diesem Abend natürlich auch viele da, so dass es auch in dieser Hinsicht ein besonderer Abend wurde.

Die Hilfe, die Europa Afrika gewährt, so eine Erkenntnis der beiden, ist oft nur ein Tropfen auf den heißen Stein oder verschlimmert Dinge sogar noch, da zum einen viel Unwissenheit im Spiel ist, zum anderen oft finanzielle Interessen die Entscheidungen beeinflussen. Den bettelnden Kindern, denen sie überall auf ihrer Reise begegneten, seien sie so begegnet, dass sie nie etwas schenkten, sondern immer nur tauschten. „Dadurch waren wir auf Augenhöhe“, erläuterte Lena, „und durch das, was wir bekommen haben, lernten wir vieles kennen, von dem wir sonst nie erfahren hätten.“

Offiziell startet „REISS AUS“ am 14. März in den Kinos – natürlich auch in Herzberg – bis dahin sind Lena und Ulli noch auf Tour durch Deutschland, um den Film vorzustellen. Doch auch danach wird es für sie weitergehen, „denn wir haben Südafrika ja noch nicht erreicht“, stellte Ulli ganz trocken fest.




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