Kultur

16.01.2019

Ein ansteckendes Jauchzen und Frohlocken


Singalong mit Bachs Weihnachtsoratorium im PS-Speicher in Einbeck

von Christian Dolle

Ob Johann Sebastian Bach sich dass je hätte träumen lassen? Dass fast 300 Jahre nach der Entstehung fast 400 Sängerinnen und Sänger aus purer Freude sein Weihnachtsoratorium in einem ehemaligen Kornspeicher singen. Gut, vor allem hätte man dem Komponisten vor allem erst einmal erklären müssen, was ein Automobil ist, daher ist die Frage müßig. Dennoch wäre er vom Singalong in Einbeck vermutlich begeistert gewesen, denn es wurde wie erwartet zum unvergleichlichen Event.

Doch noch einmal von Anfang an. Der Kirchenkreis Leine-Solling hatte gemeinsam mit den Kreiskirchenkantoren Benjamin Dippel (Northeim), Ulrike Hastedt (Einbeck) und Ole Hesprich (Uslar) dazu eingeladen, Bachs Weihnachtsoratorium gemeinsam einzuüben. Die Vorkenntnisse der Sängerinnen und Sänger sollten dabei weniger eine Rolle spielen als die Freude, beim Projekt mitmachen zu dürfen.

Immer mehr Menschen meldeten sich an, manche davon mit Chorerfahrung, andere ohne, manche aus dem Kirchenkreis, einige aber auch aus mehreren hundert Kilometern Entfernung. Am vergangenen Samstag fanden sich alle im PS-Speicher in Einbeck ein, gemeinsam mit dem Orchester „la festa musicale“ aus Hannover und den Solisten Magdalena Harer (Sopran), Christine Wehler (Alt), Henning Vater (Tenor) und Daniel Dropulja (Bass).

Als Schirmherr war der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Thomas Oppermann, mit dabei, der zuvor verriet: „Musikalisch bin ich ein unbeschriebenes Blatt.“ Dennoch wollte er sich an dieses große Werk der christlichen Musikgeschichte heranwagen, denn genau das war ja das Konzept des Singalongs. Bevor dann das „Jauchzet, frohlocket“ erklang, begrüßte Superintendentin Stephanie von Lingen die Teilnehmer wie auch die Zuhörer und drückte noch einmal ihre Begeisterung über den Zuspruch für dieses erste Singalong in der Region aus. Oppermann stellte fest, dass wir in einer Zeit leben, in der die alte Weltordnung zerbrochen ist und wir noch nicht wissen, wie die neue aussieht. „Eine Spaltung der Gesellschaft findet statt, ebenso eine Verrohung. Doch Musik verbindet, dafür gibt es viele Beispiele und dieses Singalong ist eines davon.“

Eben diese Verbundenheit ließ sich schließlich deutlich feststellen, denn aus den vielen unterschiedlichen Menschen, die Lust aufs Singen hatten, war ein Chor geworden, der im Zusammenspiel mit den Profimusikern begeisterte und voller Kraft vom Wunder der Weihnachtsgeschichte sang. Noch in der Generalprobe hatten die drei Kreiskantoren akribisch eingeübt, auf manchen letzten Ton präzise zu stoppen, ohne nachzuhängen, von „Hirten“ und nicht typisch südniedersächsisch von „Hörten“ zu singen und das Jubilieren der Engelschöre erlebbar zu machen. All das setzten die Teilnehmer an diesem Abend um und zumindest für Laien war die anfänglichen Heterogenität dieses Chores nicht mehr zu hören.

Vor allem aber war es neben der auch nach fast 300 Jahren beeindruckenden Musik ein Abend voller ansteckender Begeisterung und Freude. Hier war gemeinsam etwas geschaffen worden, Menschen sind zusammengekommen und vielleicht war es ja genau das, was Johann Sebastian Bach sich seinerzeit eben doch erhofft hatte.


Stephanie von Lingen, Ulrike Hastedt, Benjamin Dippel, Ole Hesprich

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Thomas Oppermann, Stephanie von Lingen

 

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