Kultur

18.10.2018

Zeitgeschichte wurde greifbar


Carmen Korn las im Rahmen des Göttinger Literaturherbst in Bad Lauterberg

von Christian Dolle

Carmen Korn schreibt seit vielen Jahren. Einen Erfolg wie mit ihrer „Jahrhundert-Trilogie“ hatte sie allerdings noch nicht und hat auch nie damit gerechnet. Doch ihre Lesung in Bad Lauterberg am vergangenen Sonntag zeigte, wie sehr ihre Leser mit den Figuren, insbesondere den vier starken Frauenfiguren, ihrer Romane mitleben und auch mit ihnen durch die Zeit vom Beginn bis zum Ende des vergangenen Jahrhunderts gehen.

Die Lesung in der Buchhandlung Moller fand m Rahmen des Göttinger Literaturherbstes statt, dessen Veranstaltungen ja inzwischen nicht nur in Göttingen, sondern in der gesamten Region angesiedelt sind. Die richtige Entscheidung, wie sich schon vor Beginn an der langen Schlange vor der Tür der Buchhandlung zeigt. Aber auch mit Carmen Korn bewies Susanne Kinne ein glückliches Händchen, denn zum einen sind viele hier, die sonst nicht zum Stammpublikum der Lesungen gehören, zum anderen erweist sich die Autorin selbst als einerseits erfreulich unkompliziert, andererseits als absoluter Profi.

Letzter Band der Trilogie

Letzteres mag daran liegen, dass Carmen Korn lange Zeit als Journalistin für verschiedene große Magazine wie den Stern arbeitete und auch bereits seit etlichen Jahren Romane veröffentlicht. Ein fundierter Blick auf die Welt ist ihr also nicht abzusprechen. Der schlägt sich auch in ihrem aktuellen Roman „Zeitenwende“, dem letzten Band der Trilogie nieder.

Die Geschichte beginnt im Herbst 1970 und erzählt viel aus dem Alltagsleben der Hauptfiguren. Insbesondere die Frauen werden dabei zu einem Bild der damaligen Gesellschaft, was durch immer wieder gekonnt eingewobene zeitgeschichtliche Ereignisse zu einer Art Bestandsaufnahme wird. Feminismus spielt ebenso eine Rolle wie die RAF, Homosexualität, der Vietnamkrieg, Che Guevara und einiges mehr, was in den 1970ern vermutlich in vielen realen Familien so oder ähnlich diskutiert wurde.

Figuren sind ihr ans Herz gewachsen

Die angenehme Lesestimme der Autorin trug dazu bei, dass einerseits die Figuren lebendig und plastisch, andererseits die Zeit greifbar und nachvollziehbar wurde. Und genau diese Mischung kommt bei den Zuhörern deutlich an.

Die letzte Szene, die Carmen Korn las, spielte dann im geteilten Berlin des Jahres 1975, wo sich zu jener Zeit noch niemand vorstellen konnte, dass Deutschland fünfzehn Jahre später wieder vereint sein sollte. Ebenso wenig, wie die Autorin sich vielleicht vorstellen konnte, dass es ausgerechnet dieser Roman ist, der ihren Lesern und dessen Figuren ihr so sehr ans Herz wachsen würden. Noch kann sie sich auf neue literarische Projekte kaum konzentrieren, gestand sie, da sie nun einmal ein Stück weit Teil jener Familien geworden sei, mit denen sie in den letzten Jahren ein ganzes Jahrhundert erlebte.




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