Kultur / Rezensionen

05.09.2018

Literatur vor brisantem realen Hintergrund


Oliver Bottini - Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens.

Preisträger des Deutschen Krimipreises 2018, Oliver Bottini, liest bei Mordsharz

von Christian Dolle

Ein Mann ist mit seiner Familie in seinem Auto auf einer Autobahn in Mecklenburg-Vorpommern unterwegs. Plötzlich geraten sie in einen Sturm, der Sand von den umliegenden Feldern auf die Fahrbahn wirbelt und die Sicht komplett vernebelt. Es kommt zu einer Massenkarambolage, die die Frau und die beiden Kinder des Mannes nicht überleben.

Mit dieser geradezu surrealen Szene beginnt Oliver Bottinis Kriminalroman „Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens“. Bottini gehört seit vielen Jahren zu den renommiertesten deutschsprachigen Krimiautoren. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, für diesen neuesten Roman erhielt er den Deutschen Krimipreis 2018. Das Buch wurde für seinen kritischen Blick auf Globalisierung und Landraub gelobt, der den Hintergrund der Geschichte bildet, aber nie die eigentliche Krimihandlung überschattet.

Die entwickelt sich, nachdem in einem Dorf in Rumänien die Leiche einer jungen Frau gefunden wird. Der kurz vor der Pensionierung stehende Kommissar Ioan Cozma wird mit dem Fall betraut und ist froh als zunächst alles auf einen verschwundenen Feldarbeiter als Täter hinweist. Dann jedoch muss er erkennen, dass alles deutlich vielschichtiger ist und eine Spur sogar bis nach Norddeutschland führt, wo Landwirte im ehemaligen Osten kaum weniger Schwierigkeiten haben als jene in Rumänien.

In Bezug auf die Anfangsszene heißt es später im Buch: „Dreißig, vierzig arrondierte Hektar, der ganze Kunstdünger, Monokulturen, die erodierten Böden, dann die Trockenheit in den Wochen davor […] Also trägt der Wind die oberste Krume mit neunzig Stundenkilometern ab, und so wird eben ein Sandsturm daraus. Kein Baum, keine Hecke zwischen den Parzellen, weil es ja keine Parzellen mehr gibt, kein Feldgehölz, nichts, was ihn abgebremst hätte.“ Es geht hier also um ein großes ökologisches Problem, aber vielmehr noch um ein politisches, das alles bedingt.

All das spielt in Bottinis Geschichte hinein und zeigt gerade mit der Blickrichtung Rumänien einen Hintergrund auf, der in der deutschen Öffentlichkeit kaum thematisiert wird. Hinzu kommt die manchmal geradezu erdrückende Melancholie der Figuren und die elegante Sprache des Autors, die den Roman zu einem sicher nicht ganz einfachen, aber ungemein interessanten Werk machen.

Am Ende ist es eines dieser Bücher, über die man eigentlich mehr erfahren möchte als der reine Text hergibt. Daher könnte Oliver Bottinis Lesung bei Mordsharz besonders interessant werden, je nachdem, wie weit der Autor Einblick in seine Recherchen und seine ganz persönlichen Ansichten zu diesem Thema gewährt. Am 12. September um 18.30 Uhr eröffnet er das diesjährige Festival im Schloss Wernigerode und wird anschließend auch noch den Krimipreis „Harzer Hammer“ überreichen.

Auch darüber hinaus hat das Mordsharz-Festival 2018 einiges zu bieten. Im Anschluss an die Übergabe des Krimipreises liest die irische Autorin Olivia Kiernan aus „Zu nah“ und wird dabei von Schauspielerin Anneke Kim Sarnau übersetzt. Am 13. September in Herzberg steht beispielsweise Melanie Raabe aus dem Programm, die aus „Der Schatten“ liest. In Nordhausen ist unter anderem die Britin Fiona Cummins mit dabei, ihr Thriller „Der Knochensammler“ wird von Synchronsprecher Dietmar Wunder gelesen. Und am 15. September im Weltkulturerbe Rammelsberg in Goslar ist unter anderem Klaus-Peter Wolf zu Gast.

Alles weitere zum Krimifestival, zum „Harzer Hammer“, zu den weiteren Autoren und den Veranstaltungsorten gibt es unter www.mordsharz-festival.de.

 

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