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13.01.2018

Osterodes inoffizielle Übersetzungszentrale


Familie Kaya wurde für viele Flüchtlinge zur wichtigen Anlaufadresse

von Christian Dolle

Der Saray-Market in der Rinne-Passage ist in Osterode für viele die erste Adresse für frisches Obst und Gemüse. Familie Kaya betreibt das Geschäft seit vielen Jahren und gehört zum Stadtbild einfach dazu. In den zurückliegenden zwei bis drei Jahren ging es für sie aber häufig nicht nur um Lebensmittel, sondern oft auch um ganze Lebensschicksale.

Gerade weil sie in der Stadt so bekannt sind, wurde der Saray-Market nämlich auch für viele Flüchtlinge, die sich hier neu zu orientieren versuchten, zum Treffpunkt und zur ersten Anlaufadresse, wenn sie aufgrund von Sprachbarrieren Hilfe brauchten. Zeitweilig wurde das Geschäft zur inoffiziellen Übersetzungszentrale der Stadt und die Kayas legten eine Engelsgeduld an den Tag, wenn verzweifelte Menschen vor ihnen standen, die mit einem Schreiben vom Amt nichts anzustellen wussten.

Hilfe im Sprach- und Behördendschungel

„Entschuldigung, ich bin gleich für Sie da, aber das hier ist gerade wichtig“, war von Ayse Kaya nicht selten zu hören, wenn sie Kunden vertröstete, während sie Menschen, die sich im deutschen Sprach- und Behördendschungel zurechtzufinden versuchten, mal so eben zwischendurch wertvolle Tipps gab. Natürlich wurde unter jenen, die neu nach Osterode kamen, auch immer schnell darauf hingewiesen, dass es hier einen Obst- und Gemüsehändler gab, der sehr hilfsbereit war und zudem noch ihre Muttersprache sprach.

Selbst viele ehrenamtlichen Paten, die ja ebenfalls engagiert halfen und eigentlich ein gutes Netzwerk aufgebaut haben, nutzten manchmal, wenn es dringend war, diese unbürokratische Übersetzungshilfe. Überhaupt zeigte sich in jenen Monaten, die hier als „Flüchtlingskrise“ beschrieben wurden, dass die sogenannte Nachbarschaftshilfe oft viel besser funktionierte als alles, was in den Behörden und offiziellen Stellen mühsam erst aufgebaut werden musste. Jedenfalls waren es Menschen wie Familie Kaya, die so manches auffingen, was von staatlicher Seite von vornherein gar nicht zu schaffen war.

Weniger Flüchtlinge kommen nach Deutschland

Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, ist im vergangenen Jahr massiv gesunken. Kein Vergleich mehr mit dem, was auf dem Höhepunkt der „Flüchtlingswelle“ hier los war. Laut Bundeszentrale für politische Bildung wurden von Januar bis November 172.737 Asylsuchende registriert. Und was ist mit denjenigen, die vor einem oder zwei Jahren nach Deutschland und auch in den Südharz kamen?

Viele von ihnen genießen subsidiären Schutz, sind also sozusagen asylberechtigt auf Zeit. Sie bauen sich meist gerade eine neue Existenz auf und hoffen darauf, dass sie auch dauerhaft bleiben dürfen. Inzwischen hat ein Großteil von ihnen die erforderlichen Sprachkurse absolviert und sucht nach Jobs, um sich den Lebensunterhalt selbst zu verdienen.

Es ist also mehr oder weniger Ruhe eingekehrt. Auch im Saray-Market, wo es inzwischen wieder um Äpfel, Ananas und Weintrauben geht, statt um das unverständliche Schreiben vom BAMF oder irgendwelche Anträge. Das zumindest ist die Situation hier. Weltweit hingegen ist die Zahl der Flüchtlinge nicht signifikant gesunken. Und diejenigen, die bereits hier sind, hoffen darauf, dass ihnen der Familiennachzug gewährt wird. Bis dahin allerdings, sind sie zum Glück selbst in der Lage, bei Sprach- und Orientierungsproblemen zu helfen.


 

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