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09.11.2017

Naturschutzgebiet Hainholz existiert ein halbes Jahrhundert


Uwe Schridde, erste Vorsitzender des Fördervereins Deutsches Gipsmuseum und Karstwanderweg e.V. (li.), sein Stellvertreter und Organisator der Feier, Firouz Vladi (2. v. re.) und Daniel Wehmeyer (4. v. li.) zusammen mit den Gastredner

...von Petra Bordfeld

Im zwischen Düna und Hörden gelegenen Rotviehstall des Bio-Hofes von Daniel Wehmeyer hielt sich für gut zwei Stunden neben stattlichen Bullen auch eine große Zahl von Menschen auf. Doch ihr Interesse galt nicht unbedingt den paarhufigen Tieren. Sie alle waren gekommen, um zu feiern, dass vor 50 Jahren aus einer Fläche, wo einst Mammuts und Nashörner lebten, und in jüngster Vergangenheit Gips abgebaut werden sollte, ein Naturschutzgebiet geworden ist. Es geht um die mittlerweile von 100 auf 640 Hektar angewachsene Gipskarstlandschaft Hainholz-Beierstein.

Dazu eingeladen hatte der Förderverein Deutsches Gipsmuseum und Karstwanderweg e.V. Und der erste Vorsitzende, Uwe Schridde brachte seine Freude darüber zum Ausdruck, so viele Gäste begrüßen zu können. Er dankte auch der Familie Wehmeyer dafür, dass sie allen Unterschlupf in der großen Stallung gewährt hatte, sowie seinem Stellvertreter, Firouz Vladi dafür, dass er die Idee gehabt und diese mit dieser Feierlichkeit realisiert hatte.

Es war auch Vladi, der als Hamburger Student bereits 1969 auf dieses Gebiet aufmerksam wurde, und jetzt auf die Entstehungsgeschichte dieses Naturschutzgebietes einging: Die Bemühungen ums Hainholz und weitere Anstrengungen um diese Gipskarstlandschaft am Südharz hätten in den letzten Jahrzehnten eine Fülle an Forschung in allen Disziplinen ausgelöst. Genau das habe diesen Raum reich an Wissen und Wertschätzung gemacht. Vieles habe sogar seinen Niederschlag in der Literatur erfahren.

1999 verdeutlichten die drei Umweltminister von Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen die Wichtigkeit der Gipslandschaft in dieser Region. „Sie ist von einzigartigem Naturwert, von großer landschaftlicher Schönheit und bietet Lebensraum für eine vielfältige Flora und Fauna“. Und die drei Bundesländer haben mittlerweile wertvolle Teile von der Gipskartlandschaft geschützt. Aber auch Bürger, Gemeinden und Verbände tragen dieses Projekt mit, wozu das zwischen Schwiegershausen, Hörden und Düna gelegene Hainholz zählt.

Die damalige Bezirksregierung in Hildesheim sorgte mit ihrem Beschluss am 5. Oktober 1967 für die „Geburt“ des Hainholzes samt Beierstein als Naturschutzgebiet. Dies sei seinerzeit allerdings kein leichtes Unterfangen gewesen, standen doch erhebliche Nutzungswidersprüche im Raum.

Viele Personen und Institutionen hatten daran sowie an den nachfolgenden gerichtlichen und außergerichtlichen Verhandlungen mitgewirkt. Gleiches galt für die naturwissenschaftlichen und historischen Forschungen, die die Grundlagen für die Entscheidungen bildeten sowie für spätere Maßnahmen zur Pflege, Unterhaltung und Finanzierung.

Wie wertvoll der Hainholz ist, war der Wissenschaft schon früh bekannt. Bereit 1939 berichtete der damals führende mitteldeutsche Botaniker, Prof. Hermann Meusel, über die Kostbarkeiten der Vegetation. So erließ am 27. November 1962 der damaligen Regierungspräsident in Hildesheim seine erste Anordnung zum Schutz vom Hainholz und Beierstein. Damit sollte eine weitflächige Rohstoffausbeutung in diesem Gebiet abgewendet werden. „Die Entscheidung war von Weitsicht und Sachkenntnis über die besonderen Werte dieser Naturlandschaft getragen“.
Spätestens jetzt begannen gerichtliche Auseinandersetzungen seitens der möglicherweise geschädigten Firma – Sitz in Bodenwerder – und der Grundstückeigentümer. Diese vertrat ihr Vorsitzende Wilhelm Wode, dem eine wirklich schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe zufiel, die er allerdings gut meisterte.

Auf dem internationalen Höhlen-Forschungskongress in Stuttgart 1969 wurde von Stephan Kempe und Friedrich Reinboth nochmals ein Schutzantrag gestellt und vom Kongress beschlossen.

Diesem Entscheid sollte sich ein fast 20 Jahre währender Streit um Naturschutz, Steinbruchplanung und Entschädigung vor mehreren Gerichten und Instanzen anschließen, der Scharen von Beamten, Managern und Naturschützern beschäftigte. Niedersachsen handelte einen Vergleich aus, der die Ziele zur Erhaltung dieser Naturlandschaft enthielt, der Wirtschaft weiterhin die Gipsgewinnung an anderen Orten ermöglichte und die Betroffenen in Schwiegershausen entschädigte.
Dadurch kam 1982 eine für den Naturschutz letztendlich positive Wende zustande. In Folge des Streits wurde das Hainholz-Beierstein-Gebiet mit allen Konsequenzen für den Naturschutz bundesweit bekannt. 1991 wurden weitere Flächen in die Erhaltungsziele der neu gefassten Schutzverordnung eingegliedert.

Im selben Jahr wurde das Gebiet auf Anregung von Georg von der Osten, Dezernent bei der Bezirksregierung Hildesheim, und auf Initiative des Umweltamtes beim Landkreis Osterode in das Förderprogramm des Bundes zur Errichtung und Sanierung schutzwürdiger Teile von Natur und Landschaft mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung aufgenommen, so Vladi.

Anschließend lud er noch zu einer Zeitreise ein, die im Jahr 1596 begann, als das Hainholz erstmalig erwähnt wurde, und über den ökologischer Segen im Juni 1997 bis in die heutige Zeit reichte.

Aber auch eine große Zahl von Gästen meldete sich zu Wort. Den Reigen eröffnete Christel Wemheuer, die im Namen von Landrat Bernhard Reuter das Grußwort überbrachte. Sie betonte, dass auch dem Landkreis Göttingen bewusst sei, dass es etwas ganz Besonderes gewesen war, vor 50 jahren diese Landfläche zum Naturschutzgebiet auszuweisen. Er werde sich auch weiterhin den anstehenden Aufgaben stellen und weitere Aktivitäten nachhaltig unterstützen. Immerhin werde diese Woche ein Vertrag mit dem Förderverein Deutsches Gipsmuseum und Karstwanderweg e.V. geschlossen, in dem die Unterhaltung von 150 km Karstwanderweg auf niedersächsischer Seite für die nächsten fünf Jahre mit 10 000 € gesichert werden soll.

Mittlerweile wären ja schon 10 Mill. € in das Schutzgebiet geflossen, um Landschafts- und Naturschutz so durchzuführen, dass sie erhalten bleibt. Sie dankte abschließend all denen, die sich für dieses „Geburtstagskind“ stark gemacht haben und es weiterhin tun werden.

Jens Palandt, der seit kurzem unter anderem stellvertretender Leiter der Abteilung Wasser und Naturschutz im Niedersächsischen Umweltministerium ist, versicherte, dass er schon als Kind im die spannende Gipskartlandschaft erkundet habe, die mit ihrer reichhaltigen Vielfalt sehr wertvoll ist und zu den 30 bundesweiten Hot Spots gehört. Er zöge in jedem Falle den mit Respekt gefüllten Hut vor dem Ehrenamt und der Verwaltung für deren Leistung. „Trotz großer Widerstände haben sie zusammen mit Bevölkerung etwas auf die Beine gestellt, worauf weiterhin gut aufgebaut werden kann“.

Geologie-Prof. Stephan Kempe versicherte, dass eine 1963 in der Hansestadt Hamburg gestartete Klassenfahrt so spannend gewesen wäre, dass ihn dieses Gebiet, insbesondere die Jettenhöhle, nicht mehr losgelassen hätte. 1967 begannen er und seine Freunde, im Rahmen von „Jugend forscht“ eben diese Jettenhöhle zu vermessen und zu erforschen, was ihnen eine Prämierung einbrachte. Als er 1969 das Geologie-Studium in Hamburg begann, gewann er als Gefährten für dann schon mehr wissenschaftliche Fahrten in den Südharzer Gipskarst Firouz Vladi und zwei weitere Kommilitonen. Schnell erfasste sie alle die Begeisterung für diese Landschaft und sie „fraßen“ sich in den nächsten Jahren, bis zum Abschluss des Studiums, durch vielfältige Fragen der Karstforschung. Die Ergebnisse wurden in Fachzeitschriften publiziert.

Anna Margarete Runge, die sich in den 35 Jahren ihrer Tätigkeit in der Naturschutzverwaltung Niedersachsen allein 20 Jahre mit Gipskarst und dem Hainholz beschäftigte, erinnerte sich daran, dass sie 1980 durch Firouz Vladi in eine völlig neue Welt eingeführt worden sei. „Es hat mir viel Freude gemacht, mit den Menschen zusammen zu arbeiten“.

Thomas Bernd, Landkreis Göttingen, verwies darauf, dass es gesamtstaatlich von großer Bedeutung sei, in guter Zusammenarbeit zwischen Land, Forst, Verwaltung und dem Amt für Agrarstruktur Landwirtschaft ein intaktes Gebiet zu schaffen, bei dem es jetzt gelte, sich darum zu kümmern. „Es war ein gegenseitiges Entgegenkommen“.

Dr. Friedhart Knolle, damals Partner der ehemaliger Hamburger Studenten, und heute im Vorstand des BUND, mahnte an, dass man schon damals händeringend Verbände gesucht hätte. „Wir Studenten waren Ersatzverbände, die sich der Gipsabbaufirma und deren nicht gerade legalen Methoden entgegenstellten“. Der studierte Rohstoffgeologe erinnerte daran, dass die Firma, welche jetzt auch den Lichtstein abbaut, 1962 mit einer einstweiligen Sicherstellung daran gehindert wurde, die bereits einsatzbereiten Bagger zum Buddeln durchzustarten. Es sei nur schade, dass damals für den Erhalt dieses Naturdenkmals, andere geopfert wurden. „Heute würde man vielleicht nicht mehr so handeln und beispielsweise den Lichtenstein abgeben. Denn es tut weh, zu sehen, was da geschieht“. Man dürfe allerdings das Interesse der Gipsindustrie nicht unterschätzen, man müsse im Interesse des Naturschutzes weiter aktiv bleiben.
Abschließend stellte Daniel Wehmeyer sich und seinen Weg in die Landwirtschaft vor.

Chronologisch vom Anbeginn der Schöpfung bis heute:
Johannes Thal „Vater der Floristik“, erwähnte 1588 in seiner „Sylva Hercynia“ den Südharz als eine Region von großer Artenvielfalt.
1596 wird das Hainholz erstmalig im „Erlass zur Standortkartierung des Genossenschaftsforstes Schwiegershausen“ erwähnt
1751 berichtet Samuel Christian Hollmann über bei Herzberg im Mergel gefundene Knochen ungewöhnlicher Größe, die er als Nashorn bestimmte.
1813: Johann Friedrich Blumenbach schrieb über die fossilen Gebeine von Elephanten und Mammutsthieren sowie über andere präadamitische Thier- und Pflanzen-Reste. Er sammelte auch Knochen und Zähne.
1924 publizierte Friedrich Stollberg „Die Südharzer Zechsteinhöhlen“
Seit den 20er Jahren taucht das Hainholz als Exkursionsziel und bestes mitteldeutsches Karstbeispiel in geologischen und geographischen Lehrbüchern auf.
Hermann Meusel promovierte 1939 über „Die Vegetationsverhältnisse der Gipsberge im Kyffhäuser und im südlichen Harzvorlang sind ein Betrag zur Steppenheidefrage“
1953 promovierte Axel Hermann über „Der Zechstein am Südwest Rand des Harzes/Seine Stratigraphie, Fazies“
1954 schrieb Walter-Gerd Bauer in dem Schwiegershäuser Heimatbuch nieder, dass das Hainholz schon 1930 Naturschutzgebiet geworden ist
1961 plädierte der Lagerstättengeologe Prof. Axel Herrmann für den Schutz des Hainholzes in Abwägung zu anderen Gipsvorkommen
1963 hatte Friedrich Reinboth, Walkenried, beim Verband der Deutschen Höhlen- und Karstforscher - beantragt, eine Resolution für die Sicherung des damals akut gefährdeten nur „einstweilig sichergestellten“ Hainholzes zu beschließen
1965 erschien verwies das geobotanische Gutachten von Prof. Reinhard Tüxen, Arbeitsstelle für theoretische und angewandte Pflanzensoziologie, auf floristische Einzigartigkeiten
1966 empfahl Prof. Richter-Bernburg im Gutachten des Niedersächsischen Landesamtes für Bodenforschung die Erhaltung, auch unter Ablehnung von Kompromissen über Abbau auf Teilflächen.
5. Oktober 19 67: es erfolgte die ordentliche Unterschutzstellung als Naturschutzgebiet
1972 erschien das erste Hainholz- und Jettenhöhlen-Buch der ArGe für Niedersächsische Höhlen, das ein unerwarteter Bestseller wurde und schnell vergriffen war. In dem Jahr und auch 1973 sorgte Georg Matzander, Kreisverwaltung Osterode, zu Himmelfahrt in Zusammenarbeit mit der Feuerwehr und dem THW für die Beleuchtung der Jettenhöhle
1990 begann im Hainholz die Ära des Rundwanderwegs, der als Naturlehrpfad mit zehn Stationen durch den Landkreis Osterode errichtet wurde.
1995 wurde dieser Rundweg in den überregionalen von Bad Grund über Osterode und Nordhausen bis hinter Sangerhausen sich erstreckenden Karstwanderweg eingebunden.
29. Juni 1997: In den Abendstunden führte eine Gewitterfront in den Wäldern des hiesigen Krückers und angrenzenden Hainholzes zu einem großflächigen Windwurf. Innerhalb von Minuten war fast die Hälfte des Waldes zerstört. Überwiegend 60 bis 100jährige Buchen wurden entwurzelt oder brachten unter dem Sturm ab. Was anfangs erschreckte, sollte sich als ökologischer Segen entpuppen.
2000 baute der Landkreis noch andere Rundwege im erweiterten Gebiet der Gipskarstlandschaft Hainholz aus.



Verschneiter Blick auf die Jettenhöhle

Hainbuchen im Hainholz

Der Tannenkopf auf dem Schlottenberg

Ein traumhafter Blick übers Hainholz

Jettenhöhle im Herbst:

 

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