27.04.2024
Leitkultur?
Interkulturelles Bürgertheater holte den Wolfgangsee nach Moringen
von Christian Dolle
Bei „Himmelblau“ denken einige Jüngere vielleicht an Jay von PietSmiet und ein gewisses virales Video, nur wenige der Älteren kommen wahrscheinlich sofort auf „Die ganze Welt ist himmelblau“ aus dem Singspiel „Im weißen Rössl“ von 1930 oder die Verfilmung mit Peter Alexander aus 1960. Doch genau dieses Stück haben sich die stillen Hunde, Christoph Huber und Stefan Dehler, mit dem interkulturellen Bürgertheater aus Moringen vorgenommen.
Allzu ernst sollten die Zuschauer*innen all das bei der Premiere in der KGS Moringen am vergangenen Freitag aber besser nicht nehmen. Zwar ging es unverkennbar um die berühmte Herberge im Österreichischen Salzkammergut und auch die Lieder stammten aus dem Lustspiel, doch einige Modernisierungen und manches Augenzwinkern gab es freilich.
Aus einem Integrationsprojekt heraus entstanden
Allem voran ist das natürlich die Besetzung selbst. Die nämlich ist beim Bürgertheater mitnichten typisch österreichisch oder auch typisch deutsch, sondern international und bunt - also im besten progressiven Sinne dann doch wieder typisch deutsch. Das Bürgertheater ist im Zuge der großen „Flüchtlingswellen“ als Integrationsprojekt entstanden, wurde von Ehrenamtlichen angestoßen, damit diejenigen, die zu uns kamen und kaum Kontakte hatten, und diejenigen, die hier möglicherweise sogar Sorge vor allzu großen Veränderungen hatten oder eben Willkommenskultur aktiv leben wollten, einander kennenlernen konnten.
Mit dem ersten Bürgertheaterprojekt wurde im Herbst 2016 begonnen, im Frühjahr 2017 hatte dann „Ein Sommernachtstraum“ – sehr frei nach Shakespeare und den noch recht überschaubaren Deutschkenntnissen einiger Darsteller angepasst – seine Premiere. Es folgten „Faust“, „Romeo und Julia“, „Der Diener zweier Herren“, „Der schönste Tag“ (als Freiluftaufführung im Moringer Stadtpark 2021 und 2022) sowie „Der Sturm“. Gefördert wird „Himmelblau“ jetzt vom Bundesprogramm „Demokratie Leben!“, von der Kultur- und Denkmalstiftung Landkreis Northeim, der AKB Stiftung, der Lotto-Sport-Stiftung sowie dem Landschaftsverband Südniedersachsen.
Einige aus dem Ensemble sind von Beginn an dabei, andere kamen hinzu, auf jeden Fall kommt „Himmelblau“ durchaus textlastig und mit einem Fokus auf Wortwitze daher. „Ein Drittel der Mitwirkenden waren immer Jugendliche, knapp die Hälte der gesamten Gruppe Menschen mit einer aktuellen Migrationsgeschichte“, sagt Stefan Dehler. Das wirklich extrem gemischte Team hat sich also eingespielt, ist zusammengewachsen, und nicht nur das, das Bürgertheater ist auch zu einer Institution in Moringen geworden, wie das große Publikum und insgesamt vier Aufführungen beweisen.
Weitere Aufführungen am 3. und 4. Mai
Absolut zu Recht. Schauspielerisch wie musikalisch muss sich die Aufführung absolut nicht verstecken, die internationale Besetzung hat dazu ihren eigenen Reiz und zieht ja auch ebenso multikulturelles Publikum in dieses Stück, das vermutlich den wenigsten noch bekannt ist. Es ist somit ein deutliches Zeichen, wie Integration gelingt, nämlich nur durch persönlichen Kontakt, durch Austausch, durch gemeinsame Projekte und eben am Ende auch durch gemeinsamen Spaß an etwas.
Nach „Im Salzkammergut, da kann man gut lustig sein“, „Was kann der Sigismund dafür, daß er so schön ist?“ und etlichen amourösen Irrungen und Wirrungen fiel an diesem Premierenabend der letzte Vorhang. Der Applaus hielt noch lange an und die Schauspieler*innen mischten sich glücklich unter ihr Publikum. Weitere Aufführungen gab es am Samstag sowie dann noch einmal am Freitag, 3. Mai, und Samstag, 4. Mai, jeweils um 19.30 Uhr in der KGS Moringen. Es bleibt also nur noch zu hoffen, dass auch diese Idee des Miteinanders viral geht.