Regionales / Harz

27.07.2017

Unter die Haut


Zweite Harzer Tattoo-Convention in der Mensa der TU Clausthal

von Christian Dolle

Tätowierungen sind offenbar so alt wie die Menschheit. Für viele indigene Völker hatten sie rituelle Bedeutung, den Yakuza in Japan dienen sie als Erkennungszeichen, in Mitteleuropa sind sie vor allem Körperschmuck und Ausdruck von Individualität. Besonders individuelle Tattoos gab es am Wochenende auf der Harzer Tattoo-Convention in Clausthal-Zellerfeld zu sehen. Hier trafen sich Tattoo-Künstler aus dem gesamten norddeutschen Raum und kümmerten die, die sozusagen an der Nadel hingen.

Die Besucherzahlen erreichten schon bald den vierstelligen Bereich, nicht wenige von ihnen wollten sich ein erstes oder ein weiteres Motiv in die Haut stechen lassen. „Wir kennen unsere Kunden meist ganz gut“, erläuterte eine Tätowiererin aus Berlin, „und für diejenigen, die nicht aus unserer Nähe kommen, vereinbaren wir dann eben Termine hier bei der Convention.“

Noch dazu sei es eben immer wieder schön, Berufskollegen zu treffen und sich auszutauschen, denn viele in der Szene kennen sich. „Bei dem da drüben am Stand aus Hamburg“, sie deutet auf einen jungen Mann mit viel Farbe und etlichen Piercings im Gesicht, der lächelnd rüberwinkt, „habe ich mein Handwerk übrigens gelernt. Also ist es manchmal auch wie ein großes Familientreffen.“

Brust oder Keule

Es ist erst das zweite Mal, dass die Harzer Tattoo-Convention in der Unimensa stattfindet und doch wirkt alles sehr eingespielt, gut organisiert und für eine Veranstaltung dieser Größe ausgesprochen familiär. Es gibt Musik, es wird sogar moderiert und selbst für diejenigen, die sich kein Tattoo stechen lassen wollen, gibt es viel zu entdecken. Keinen der Tätowierer macht es nervös, wenn ihm viele Leute bei der Arbeit zusehen, ihre Kunden ebenso wenig. „Hey, ich lasse mir gleich ein Tattoo auf den Hintern stechen, wär' das nicht ein Foto wert?“, ruft jemand.

Ist es definitiv, wenn auch eher wegen des Motivs als wegen des Hinterns. Denn auch wenn die Kunst an sich so alt sein mag wie die Menschheit, sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt und es gibt überall Einzigartiges zu sehen. Hier eine Spinne auf dem Augenlid, dort eine Krankenschwester mit pulsierendem Herzen auf dem Oberarm und noch ein paar Stände weiter einen Zombie, der aus einer breiten Brust zu kriechen scheint.

Beim ersten Mal tut's noch weh

Für die meisten, die sich ein Tattoo stechen lassen, ist das durchaus eine große Sache. Immerhin bleibt es ein Leben lang. Daher wurden die meisten Termine auch lange vor der Convention gemacht, Arbeiten wurden im den sozialen Medien begutachtet,es gab Gespräche zwischen Tätowierern und Kunden und es wurde letztlich das Vertrauen aufgebaut, das für eine solche Körpermodifikation notwendig ist. Dennoch gibt es einige, die sich hier ganz spontan entscheiden, sich unter die Nadel zu legen.

„Er war mir sympathisch und darum habe ich gefragt, ob er noch einen Termin frei hat“, erklärt ein junger Mann mit ohnehin schon ziemlich buntem Arm, bei dem einer der Künstler gerade nach einer noch freien Stelle sucht. „Das erste Tattoo überlegst du dir meist sehr gründlich“, erläutert dieser, „danach haben die einzelnen Motive dann immer weniger Bedeutung. Es wird also irgendwie auch zur Sucht.“ Die beiden sehen sich an, müssen lachen, dann fügt der Kunde noch hinzu: „Allerdings eine Sucht ohne gesundheitliche Nebenwirkungen. Außer dass du halt hinterher schöner bist als vorher.“

Das ist zwar nach wie vor Geschmackssache, doch den klischeehaften Anker oder das fürchterliche Arschgeweih ist hier nicht zu finden. Die Motive sind auf jeden Fall Kunst und so gibt es am Ende des Tages aus gutem Grund auch eine Jury, die die besten Arbeiten prämiert.


Wer will bestreiten, dass es sich um Kunst handelt?

Die Körperkunst kann auch zu einer Art Sucht werden, sagen einige

Mancher entschied sich ganz spontan für ein Tattoo










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