Kultur

16.09.2022

Vom Brocken nach Russland, Kanada und Fehmarn


Bei der Laudatio hatten Johann und Palinkas und Andreas Grube viel Spaß

Harzer Hammer, Frauke Buchholz, Mario Schulze und Eric Berg bei Mordsharz in Wernigerode

von Christian Dolle

Der Krimipreis Harzer Hammer 2022 geht an Johann Palinkas für seinen Politthriller „Coup“. Zum Auftakt des Mordsharz-Festivals in Wernigerode wurde der gewichtige Preis an den Nachwuchsautor von der Vorjahressiegerin Frauke Buchholz überreicht. Die Laudatio hielt niemand Geringerer als der Bestsellerautor und Mitbegründer des Preises Andreas Gruber.

Er lobte unter anderem die prophetischen Fähigkeiten von Johann Palinkas, denn der im September letzten Jahres erschienene Roman schildert einen Konflikt der Europäischen Union mit Russland und im Fahrwasser politischer Intrigen einen bewaffneten Putschversuch der Bundeswehr. Die Jury wie auch Andreas Gruber überzeugte neben dem äußerst brisanten Thema auch der rasante Schreibstil, bei dem trotz des Tempos sämtliche Figuren plastisch ausgearbeitet sind, so dass die Geschichte nur schwer loslässt. 

„Ich habe das Buch nicht gelesen, sondern beim Walken das Hörbuch gehört“, erzählte Andreas Gruber begeistert, „noch nie bin ich so viel am Stück gewandert.“ Eine kleine Kostprobe las der frischgebackene Preisträger natürlich auch und überzeugte damit viele Zuhörer, die im Anschluss umgehend ein Buch kauften. 

Frauke Buchholz, die im vergangenen Jahr für „Frostmond“ ausgezeichnet worden war, hat inzwischen ganz frisch ihren zweiten Krimi veröffentlicht, aus dem sie anschließend las. Wie schon der Vorgänger spielt auch „Blutrodeo“ in Kanada und befasst sich mit Problemen der indigenen Bevölkerung. Ihr Ermittler Ted Garner wird zum größten Rodeo der Welt beordert, wo es zu mysteriösen Morden an älteren Männern kam. 

„Im Buch gibt es viele Rückblenden“, erläuterte die Autorin und las eine davon, die in einem einem Weisenhaus spielt und von einem Mädchen erzählt, das ihr erstes Mal erlebt, gänzlich unromantisch und ziemlich ernüchternd geschildert. Weiterhin spiele der „industrielle Genozid“ eine große Rolle, also die Zerstörung indigenen Lebensraumes durch Abbau von Bodenschätzen und daraus resultierende Schadstoffbelastung. Frauke Buchholz sieht sich auch in gewisser Weise als Sprachrohr für die First Nations und insbesondere die Cree, deren Probleme hierzulande kaum bekannt sind.

Zuvor las Mario Schulze aus seinem Harzkrimi „Wagen 8“, der die Entführung eines Zuges der Harzer Schmalspurbahn erzählt. In einer Szene, die er seinen Zuhörern vorstellte, wurde deutlich, dass die Täter nicht aus eigenem Antrieb handeln, sondern offenbar selbst gezwungen werden. „Die Fahrt zum Brocken dauert 40 Minuten, diese Lesung 45“, verkündete er, „aber sie erfahren das Ende trotzdem nicht.“

Was sein Publikum aber noch erfuhr, war die Perspektive des Fahrdienstleiters, der feststellen muss, dass der entführte Zug und ein Gegenzug nach dem Stand der Dinge auf der eingleisigen Strecke aufeinandertreffen werden. Ob er die Katastrophe noch verhindern kann, verriet er natürlich nicht.

Für den krönenden Abschluss dieses äußerst gelungenen ersten Festivaltages sorgte Eric Berg mit seinem Krimi „Die Toten von Fehmarn“, in dem er seine Protagonistin Doro nach einem Todesfall auf der Insel zu ihrer Mutter schickt. Für Doro ist es auch eine Reise in die eigenen Vergangenheit, denn der Ermordete war ein Jugendfreund von ihr. 

Doch die oft zwischen den Zeilen und mit bissigen Sticheleien ausgetragenen Konflikte zwischen Mutter und Tochter sorgten dafür, dass diese Lesung nicht zu düster wurde. Den im Buch mitschwingenden Humor transportierte der Autor insbesondere durch die Mitbewohnerin der Mutter, eine Rolle, die er sich für Lesungen geradezu auf den Leib geschrieben zu haben scheint. In jedem Fall überzeugte er durch eine oft pointierte, aber nie alberne Darstellung und machte definitiv Lust auf mehr. 


Preisverleihung des Harzer Hammers

Mario Schulze

Frauke Buchholz

Eric Berg

Johann Palinkas

 

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