Kultur / Federkiel / Das Sanatorium

07.01.2017

Das Sanatorium - Kapitel 1


Fortsetzungs-Short Story von Christian Dolle

Immer Samstags können Sie ab heute das mystriöse Geschehen in einer verlassenen Nervenheilanstalt im Harz verfolgen.

Los geht es mit dem ersten Kapitel der short Story aus Christian Dolles Feder – Durch den Wald

Wir wünschen viel Spaß und ein hoffentlich spannendes Lesevergnügen.

 

Kapitel 1 - Durch den Wald

Die Straße schien sich endlos durch die immer gleich aussehenden Nadelwälder zu ziehen. Dabei warfen die Bäume immer längere Schatten auf den Asphalt, denn die Sonne bereitete sich längst auf ihr Untergehen vor. Acy trat das Gaspedal weiter durch, denn langsam wurde sie unruhig und überlegte, ob es nicht doch besser gewesen wäre, gleich nach Hause zu fahren.

„Hey, guck mal, da ist ein Campingplatz ausgeschildert“, rief Sarah plötzlich und deutete auf ein verwittertes Schild am Straßenrand. Acy warf ihr einen skeptischen Blick zu, doch ihre Freundin schien ihre Entscheidung bereits getroffen zu haben. „Komm schon, wir haben gesagt, wir fahren nach dem Festival nicht gleich heim, sondern hängen einen ruhigen Abend im Harz dran. Der Campingplatz soll direkt an einer Talsperre liegen und ist damit doch genau das, was wir wollten, oder nicht?“

Im Grunde hatte sie Recht, dachte Acy und so eine Talsperre an einem lauen Sommerabend im Mondschein hörte sich in der Tat verlockend an. Sie folgte den Wegweisern, dann bremste sie jedoch plötzlich ab. Eine Absperrung versperrte ihnen den Weg. Der Damm sei wegen Sanierungsarbeiten gesperrt, verkündete ein Schild, um zum Campingplatz zu gelangen, musste der komplette Stausee umfahren werden.

Acy und Sarah blickten einander an, dann nickten sie sich zu und folgten der weitaus schmaleren Straße, die um den See herum führte. Die Bäume schienen ihnen immer näher zu kommen und nach einigen hundert Metern war es kaum mehr als ein asphaltierter Feldweg, noch dazu von unzähligen Schlaglöchern übersät. Sie schaltete die Scheinwerfer an, denn obwohl es noch später Nachmittag war, hatte die Sonne sich hinter einen Bergrücken verzogen und die Schatten wurden immer dunkler.

„Sie mal“, rief Sarah plötzlich aus, „da steht was von einem Haus Helene, ein ehemaliges Sanatorium oder so.“ Acy hatte das verwitterte und beinahe gänzlich überwucherte Holzschild ebenfalls gesehen und schätzte, dass es hier schon seit lange vor der Grenzöffnung im Wald stand und vergessen worden war. „Das hier war bestimmt mal die Zufahrt dorthin, die jetzt nur wieder mal benutzt wird, weil die eigentliche Straße zum Campingplatz gesperrt ist.“

„Ein bisschen gruselig ist das schon, findest du nicht?“, meinte Sarah jetzt, „Vielleicht sollten wir doch besser umkehren und uns irgendwo ein Hotel suchen.“ Acy musste lachen. „Du meintest doch, das hier wäre genau das Richtige für uns. Und ehrlich gesagt finde ich es inzwischen sogar verlockend, so abgeschieden zu sein, nachher vielleicht ein Lagerfeuer zu machen und einfach mal alle Sorgen zu vergessen.“

Wenig später kamen sie am Campingplatz an, dessen Anmeldung zum Glück besetzt war. Eine rundliche ältere Frau händigte ihnen den Schlüssel zu einer Holzhütte aus, nachdem die beiden jungen Frauen sich entschuldigt hatten, kein Zelt dabei zu haben. „Ach, das macht gar nichts“, sagte die Alte, „außerdem sind noch ein paar junge Leute da, die in der Hütte neben ihnen wohnen und ein junges Pärchen im Zelt dort nebenan auf der Wiese. Da wird Ihnen bestimmt nicht langweilig, denn ich muss mich jetzt gleich verabschieden und werde erst morgen früh wieder hier sein. Dann allerdings bekommen Sie vorne an der Rezeption frischen Kaffee und sogar Brötchen.“

Von der Beklemmung, die die enge Zufahrtsstraße ausgestrahlt hatte, war längst nichts mehr zu spüren, sogar die Sonne spiegelte sich noch auf der weiten Wasserfläche und tauchte den Stausee und die dahinterliegenden Hänge in ein warmes Licht. Es war wirklich genau das, was sie brauchte, stimmte Acy ihrer Freundin im Stillen zu und war froh, dass sie hergekommen waren.

 

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