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01.03.2022

Wartbergschule und ihr Tiergehege


Schaf und Esel freuen sich schon auf das Futter, welche Anne Marie für sie aus dem Wagen holt

von Petra Bordfeld

Begonnen hat alles mit – Hansi und Klaus – ihres Zeichens Kaninchen der Rasse „Deutsche Riesen“ und den beiden Enten namens Thelma und Louise - später kam die Labradorhündin „Rosa“ hinzu. Heute, nach rund 20 Jahren, ist daraus ein 400 Quadratmeter großes Tiergehege entstanden, welches zur Wartbergschule Osterode gehört.

„Direktorin“ des Projektes ist von Anbeginn an Förderschullehrerin Christina Rath, die zusammen mit Kolleg/innen und den Schülerinnen und Schülern die gesamte Einrichtung betreut. Einige der jungen Menschen haben sich übrigens zu Tiergehegehelfern*innen ausbilden lassen. 

Christina Rath hat schon beim Studium aufs Förderschullehramt einen persönlichen Schwerpunkt gesetzt und den Ansatz der tiergestützten Pädagogik einfließen lassen. Letztendlich entwickelte sie ein Konzept für den Einsatz von Tieren im schulischen Kontext. Und genau das war der Grund, warum sie 2001 ihre Arbeit an der Wartbergschule aufnahm. Denn sie wurde zum Aufbauen der tiergestützten Arbeit eingestellt. 

Da es zu der Zeit schon einen Schuldhund, Wellensittiche und Goldfische in der Schule gab, wollte sie mit ihrem Vorhaben, eine Tiervielfalt in einem entsprechenden Gehege zu integrieren, nicht gleich ins Haus fallen. So funktionierte sie ihr Auto zu einem Tiertaxi um, in dem „Thelma“ und „Louise“, zwei Barbarie-Enten, die sie schon aus Kükenzeiten hatte, die ersten Fahrgäste waren. Und die beiden durften dann auf dem Gelände der Wartbergschule und auch in den Klassenräumen rumsausen, wobei sie ganz schnell  die Herzen aller erobert hatten. 

Bereits nach einem Jahr stand für die Wartbergschule fest, dass ein Tiergehege auf die Beine gestellt werden müsste. Dies wurde und wird vom gesamten Kollegium, einschließlich der Hausmeister und Sekretärin, mit außergewöhnlichem Engagement unterstützt. Anfangs sollten neben den Kaninchen und Enten auch Meerschweinchen ein neues Zuhause finden. Doch die Fachfrau wollte es nicht dabei belassen und lud „Rosa“ und die beiden Lämmer „Rita“ und „Eddi“ von ihrem Resthof auf ihr Fahrzeug. Denen gaben dann die Schüler/innen voller Freude die Flasche, bis die beiden „Pulloverschweine“ groß waren.

Mittlerweile mähen im Tiergehege fünf Schafe das Gras und buhlen um Streicheleinheiten. „Hermann“ ist mit seinen 14 Jahren das älteste und kam auch als Flaschenlamm nach Osterode. Gleiches gilt übrigens für „Saphira“ und „Kalli“, welche eine Schafzüchterfamilie der Schule schenkte, denn sie sollten nicht geschlachtet werden. 

Doch nicht „nur“ die Schafe  werden beschmust, gefüttert und gepflegt. Das gilt auch für die zwei Esel und die beiden Pferde. Während Christina Rath in den Ferien die Grautiere und Schafe zu sich nach Hause holt, werden die Pferde von der zuständigen Kollegin Susanne Jordan in Schwiegershausen versorgt. Die anderen Tiere dürfen auf dem Gelände des Geheges bleiben. 

Nicht minder viel Zuneigung erfahren übrigens eine Schneeganz und ein Ganter, zwei Enten, zwei Beos, 17 Wellen- und Nymphensittiche, vier Meerschweinen, die Kaninchen und natürlich die sieben Schulhunde die unterschiedlich oft eingesetzt werden. Auch die drei rot- und gelbwangigen Schildkröten, die in der Schule leben und es sehr gut verstehen, mit den Menschen zu flirten, kommen nicht zu kurz. Immer wieder ist festzustellen, dass die Tiere, gleich welcher Rasse sie angehören, Dolmetscher für die Kinder sind. „Es dauert nicht lange, und es wächst das Vertrauen zwischen Mensch und Tier“, so Christina Rath. 

Um das auszubauen und zu gewährleisten, dass die Kinder und Jugendlichen grundlegende Regeln im Umgang mit den Tieren beherrschen, müssen alle tierinteressierten Kinder einen Tierpass machen. Interessenmangel habe es noch nie gegeben, so die Förderschullehrerin Die Anwärter*innen kommen vor der kurzen „Prüfung“ in kleinen Gruppen immer wieder im Tiergehege zusammen. Dort überlegen sie gemeinsam, welche Regeln im Umgang mit den Tieren beachtet werden müssen. Sie tauschen sich über Fütterung, Versorgung und Haltung aus. Wenn sie am Ende die Abschlussfragen richtig beantwortet haben, erhalten sie den Tierpass. „Dieses System, welches zu Beginn des Schuljahres mit allen neuen Schülern, die möchten, durchgeführt wird, hat sich als sehr sinnvoll erwiesen“. Die neuen Schüler und Schülerinnen innen finden über die Tiere häufig schnell einen Ort in der Schule, wo sie gern ihre Pausen verbringen.

Die jungen Experten, die sich verpflichten, innerhalb eines halben Schuljahres, in mindestens einer großen Pause pro Woche im Interesse der Tiere aktiv zu sein, führen aber auch kleine Reparaturarbeiten durch, halten die Stallungen sauber, leiten andere Schüler an und kümmern sich um Futternachschub. Dabei werden sie von den aufsichtshabenden Lehrkräften unterstützt. So sind in den Pausen stets zehn bis 15 Kinder im Tiergehege anzutreffen. „Es ist beeindruckend, wie kooperativ sich die Mädchen und Jungen im Umgang mit den Tieren zeigen und wie rücksichtsvoll sie miteinander umgehen“.

Viele Helfer*innen sind auch nicht nur ein halbes Jahr aktiv. Nicht wenige bleiben die gesamte Schulzeit dabei, gehören schon fast zum Inventar und können durchaus auch Lehrkräften, die nicht so oft mit Tieren zu tun haben, Wissenswertes erklären. Bemerkenswert ist auch, dass alle Tiere großes Vertrauen zu den jungen Betreuern*innen aufbauen. Im Prinzip hat jedes Tier seinen eigenen Fan-.Club.

Die Tiere werden aber auch von unterschiedlichen Klassen und Arbeitsgemeinschaften morgens versorgt und rausgelassen und nachmittags, zum Ende des Schultages, wieder in die sicheren Gehege für die Nacht gebracht. In der ersten und zweiten großen Pause haben außerdem  alle Schüler*innen die Möglichkeit, die Tiere zu besuchen.

Jetzt haben Mittelstufenschüler und -schülerinnen übrigens Infotafeln gefertigt, auf denen Wissenswertes über die Tiere zu lesen ist. Sie dienen als Wegweiser für diejenigen, die sich noch nicht so viel mit den vierbeinigen und gefiederten Wesen befasst haben. Darauf brauchen der Tierarzt und der Schmied nicht schauen, denn  beide kommen regelmäßig, um die Gesundheit der Tiere zu kontrollieren.

Dieses Gehege ist allerdings nicht aus Gründen der Freizeitbeschäftigung angelegt worden, sondern für die tiergeschützte Pädagogik,  die als Beziehungsanbahnung zwischen Mensch und Tier zu sehen ist. Christina Rath betont, dass die Tiere für die Kinder und Jugendlichen authentische Partner darstellen, die viele Bedürfnisse befriedigen, wie etwa den Wunsch nach Nähe und Akzeptanz. „Insbesondere für Schüler*innen im Förderschulbereich ist das eine wertvolle Erfahrung, da sie häufig aufgrund von gesellschaftlich definierten „Mängeln“ Ablehnung erfahren“. Individuelle Fördermaßnahmen lassen sich im Rahmen der tiergestützten Pädagogik motivierend planen. Denn durch sinnvolle und notwendige Arbeitsabläufe lassen sich Förderziele wie etwa Kooperation, Handlungsplanung und Selbstständigkeit gut verfolgen. So motiviert beispielsweise ein rechnender Hund ungemein gleiches zu tun.  

Pferde werden auch nicht nur umsorgt. Sie werden im Rahmen des Faches „Sport“ als besondere Fördermaßnahme für alle Klassen des gesamten Unterstufenbereiches sowie den Schülern mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung in Arbeitsgemeinschaften eingesetzt.
Da sich die Finanzierung eines Projektes in diesem Umfang  nicht ausschließlich über den Schuletat ermöglichen lässt, steht der Fördervereins der Schule immer zur Seite. Gleiches gilt aber auch für Sponsoren und das Kollegium, welches sich mittels Flohmärkten für das Gehege engagiert.

Es wäre schön, wenn ein derartiger in diesem Jahr endlich wieder wie geplant am 7. Mai  ausgerichtet werden könnte.


Peer, Mika, Darius (mit Schubkarre) und Oskar (mit Schneeschieber) sind die treuesten Helfer von Christina Rath

Die folgenden Bilder können Sie vergrößern, wenn Sie ein Eseltreiber-Abo haben:


Elli schaut zu, wie Anne Marie das Schaf putzt

Cooper wartet auch auf Streicheleinheiten

Maxi und Praktikant Michel besuchen die beiden gefiederten Tiergehege-Bewohner sehr gerne

Christina Rath macht das Stroh fürs Ausstreuen bereit

Auch Ausmisten gehört zu den Aufgaben

Michel und Janina hängen ein erklärendes Schild auf

Das nennt man dann wohl tiefenentspannt

 

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