Regionales / Harz

03.12.2021

Neue Strukturen, die erst einmal schmerzhaft sein können


Mehr Regionalisierung für die Kirchengemeinden im Oberharz 

...KKHL  Christian Dolle

Manche Menschen, die wenig mit Kirche zu tun haben, glauben, das sei so eine harmonische, durch und durch friedliche und vielleicht auch etwas naive Parallelwelt. Leider oder auch zum Glück stimmt das absolut nicht. Die evangelische Kirche ist deutlich in dieser Welt verortet und muss sich daher auch immer wieder mit ihren Veränderungen auseinandersetzen, so rasant und dramatisch sie mitunter auch sein mögen. 

Das gilt insbesondere für eine sich stetig verändernde Gesellschaft, die sich aktuell durch eine Ausdünnung des Christentums, hier im Oberharz vor allem durch den demografischen Wandel und den damit verbundenen Schwund bei der Zahl von Gemeindegliedern bemerkbar macht. Die Landkreise Goslar und Göttingen werden den Prognosen nach wie viele andere auch weiterhin deutlich Einwohner verlieren, wodurch die Kirchen gezwungen sind, ihre Strukturen dahingehend anzupassen. 

„Im Moment ist es so, dass wir rund 10 000 Gemeindeglieder im Oberharz haben – 2030 werden es wahrscheinlich noch etwa 7 000 Gemeindeglieder sein. Das sind gravierende Veränderungen“, sagt Superintendentin Ulrike Schimmelpfeng. Da sich diese Entwicklung durch ganz Niedersachsen zieht, gibt es seitens der Hannoverschen Landeskirche eine Sparvorgabe von 12 Prozent, die in den Gemeinden vor Ort umgesetzt werden muss. 

Ab 2028 werden der Region Oberharz insgesamt 134 000 Euro weniger zur Verfügung stehen. Dennoch sollen die Gemeinden natürlich handlungsfähig bleiben, so dass dringend neue Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. Um genau diese kümmerten sich in der letzten Zeit schon verschiedene Steuerungsgruppen, deren oberstes Zeil es war, die Einschnitte so gut wie möglich abzufedern. 

„Ja, manches wird anders sein als wir es in der Vergangenheit kennengelernt haben und es uns vertraut ist“, sagt Pastor Jonathan Stoll, „Manche dieser Veränderungen sind auch schmerzlich. Aber diese Veränderung wird es möglich machen, dass wir in jedem Ort des Oberharzes weiterhin als Kirche ansprechbar und erkennbar sein können.“ Kirche im Oberharz soll auch weiterhin attraktiv sein, betont Pastor André Dittmann und fasst die vielen Sitzungen, Planungen, Diskussionen über Konzepte und und und der letzten Zeit in einem „Wir haben es uns nicht leicht gemacht“ zusammen.

Wichtig ist allen Beteiligten, dass nicht an jenen Strukturen gespart wird, die für eine Kirche lebenswichtig sind. Sekretär*innen, Küster*innen, Organist*innen sollen natürlich auch weiterhin Ansprechpartner vor Ort sein. Ebenso soll es auch weiterhin Gemeindehäuser als Orte der Begegnung geben und selbstverständlich Gottesdienste. Allerdings soll in der Verwaltung vieles gebündelt werden, hier richtet sich der Blick auf eine Gesamtkirchengemeinde, also einen Zusammenschluss ähnlich einer kommunalen Samtgemeinde. 

Auf lange Sicht wird es im Stellenplan nur noch zwei Pastorenstellen geben, was bedeutet, dass André Dittmann und Jonathan Stoll den Menschen im Oberharz erhalten bleiben, zuletzt freigewordene Stellen aber nicht neu besetzt werden können. Im Klartext bedeutet das auch, dass sie nur noch theologische Kernaufgaben, also Gottesdienste, Hochzeiten, Taufen, die Begleitung bei Trauerfällen und Seelsorge übernehmen können. Daher sollen die Kirchenvorstände durch einen deutlichen Ausbau der Stunden im Gemeindesekretariat bei vielen Aufgaben unterstützt werden. 

Wichtig war allen Planenden auch, dass die Jugendarbeit gestärkt wird, im Klartext durch eine halbe Diakonenstelle für Ann-Kathrin Schirmer. Es ist also eine Entwicklung hin zu multiprofessionellen Teams, die einerseits für die gesamte Region denken, so dass andererseits Spezialisierungen möglich werden. Letztlich also ein zukunftsfähiges Modell, das zwar schmerzlich ist, weil es bedeutet, dass von Gewohntem Abschied genommen werden muss, aber durchaus auch eines, das manche Chancen bietet. 

Warum muss denn in jeder Kirchengemeinde alles angeboten werden, wurde auch in anderen Regionen und Kirchenkreisen gefragt, ist es nicht möglicherweise sogar viel sinnvoller, in größeren Zusammenhängen bedarfsorientiert zu arbeiten? Sicher, das klingt wirtschaftlich und nicht nach jener eingangs erwähnten naiven Parallelwelt, doch Kirche findet nun einmal in der modernen Welt statt und muss sich daher manchen Gegebenheiten anpassen. 



 

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