Panorama

09.10.2021

Moped Rodeo führte die „Ibupropheten“ über 1200 Kilometer durch mehrere Länder und Kulturen


Erinnerungsfoto auf der Tragfläche eines alten Bombers

von Petra Bordfeld

Osterode/Seesen/Salzgitter. „Wir sind überglücklich, dass wir nach fast 1200 Kilometer, die uns trotz 16 Pannen durch fünf Länder führten, wieder angekommen sind“, so die einstimmige Aussage von Alex und Ert aus Förste, Borsti, Schmecke, Ming, der Weber sowie Vater Paule und Tochter Vivian aus Seesen sowie Melle aus Salzgitter, als sie ihre 50er Mopeds von dem eigens für den Transport zum Start und für die Heimreise umgerüsteten Anhänger geholt hatten.

Denn diese „Ibupropheten“ waren von Österreich aus zu einem vom „Back Road Club“ organisierten siebentägigen Moped-Rodeo aufgebrochen, das sich zu einer Balkan-Expedition mausern sollte, die unter dem guten Zweck stand, den Harzer Wald wieder aufzuforsten.

Die acht Jungs und das eine Mädchen kennen sich schon lange durch die zwei befreundeten Motorradclubs „Chain Crew“ aus Seesen  und „Die Harzteufel“ aus Gittelde. Paule hat auch schon mal so eine ähnlich Tour gestartet und mit seinen Erzählungen das Abenteuerfieber geweckt. Um an den Start zu gehen, musste erst einmal, das in Kärnten gelegene und 98 Einwohner zählende Lessach erreicht werden. Doch dafür kamen nicht die motorisierten Zweiräder zum Einsatz. Stattdessen wurden sie fachgerecht auf einem eigens dafür umgerüsteten Anhänger verladen, der von einem Neunsitzer gezogen wurde, in dem übrigens auch die Zelte für die Übernachtungen untergebracht waren.

DER ERSTE TAG

Am Morgen des ersten Rodeo-Tages lernten sie dann die anderen ca.200 Fahrer aus der ganzen Bundesrepublik kennen und auch den überdimensionalen Teddybären "Lenny", der mittels Los täglich als unbequemer Beifahrer vermittelt wurde. Nachdem alles Wissenswerte mitgeteilt worden war wurden die Mopeds bestiegen und in Gang gesetzt. 

Gleich nach elf Kilometer kam eine Tankstelle in Sicht und man entschloss dass man dort alle fahrbaren Untersetzer mit ausreichend Sprit zu versorgen wollte. Weil Alex Roller nicht gerade „gesund“ klang, wurde auch die erste Reparatur in Angriff genommen und erfolgreich abgeschlossen. Ab da lief das Moped vorbildlich.

Nachdem man mit anderen Teams problemlos eine „Abschleppkette“ gebildet hatte, sollte der 1.368 Meter hohe Loiblpass in Angriff genommen werden, der zwischen Kärnten in Österreich und der slowenischen Oberkrain liegt. „Die bis zu 16 Grad harte Steigung zwang uns bald zum Mittreten oder sogar Schieben unserer Mopeds“. Der Ausblick und die Abfahrt sollten aber für diese Strapazen entschädigen. 

In Slowenien wurde eine Tankstelle namens "Petrol" angesteuert, bei der sich ein arges Missgeschick ereignen sollte. Da alle Zapfpistolen unter einem roten Banner in den Zapfsäulen steckten, vergriff sich Paule und „fütterte“ seinen Roller mit Diesel. Das Absaugen des falschen Sprits gestaltete sich als alles andere als einfach und als Paule durchstartete rollte seine Kiste unter wahren Qualmwolken los.

Ein weiteres Highlight sollte ihnen in Form des höchsten europäischen Schornsteins begegnen. Er ist 360 Meter hoch und gehört zu Trbovlje. Er wurde bereits 1976 von der Düsseldorfer Firma Karrena 1976 als Bestandteil des kohlebefeuerten Wärmekraftwerks TET gebaut, um die Luftverschmutzung in Trbovlje und den angrenzenden Regionen gering zu halten. 

Als sie dann die in Slowenien gelegene Stadt Lasko erreichten, die vor allem durch ihre Brauerei bekannt ist, deren Bier zu den beliebtesten Sloweniens gehört, stand fest: „Hinter uns lag ein Wahnsinnstag mit tollen Eindrücken. Wir können unser Glück kaum fassen“.

DER ZWEITE TAG

Der zweite Tag war von einem frühen, nicht ganz leichten Aufstehen geprägt. Außerdem wollte das „Diesel-Moped“ nicht so richtig anspringen. Erneut wurde das Werkzeug gezückt und der Tank diesmal völlig von diesem unguten Gemisch aus Kohlenwasserstoffen befreit. Mit Benzin aus einem Kanister aufgefüllt, lief das Gefährt nun wieder einwandfrei.

Eine vorabendliche Wette sollte dazu führen, dass der Weber gegen Dominik von den "Rusty Racers" aus München und aus dem Schwarzwald ausgetauscht wurde. Allerdings war der mit einem Mofa unterwegs, das nicht schneller als 31 km/h fuhr. So musste ein entschleunigter Tag mit langen Wartezeiten in Kauf genommen werden. „Irre“ Schluchten und tolle Bergpässe wurden trotz der zweirädrigen „Bremse" gemeistert und Kroatien problemlos erreicht. An einem Badesee wurde Dominik wieder gegen den Weber eingetauscht. 

Der zweite Tag schien gut auszuklingen, aber Erts Simson tat kund, dass die Bergfahrten im Wald bei einem ihrer Räder einige Speichen hatten brechen lassen. Das „Leihrad“ eines anderen Teams brachte die Situation aber wieder ins Lot. 

DER DRITTE TAG

Der dritte Tag durfte „tiefenentspannt“ in Angriff genommen werden. So ging es bei bestem Wetter zu einem „lost place“, einem schaurig-schönen, verlassenen Ort. Es war Europas größte Flugzeugkaverne Željava, die an der bosnisch-kroatischen Grenze zu finden ist. Dort waren zwischen 1957 und 1970 bis zu 80 Flugzeuge der Marke Mig-21 stationiert. In dieser Kulisse sollte Viviens Schnapsidee realisiert werden. Dafür hoben wir Erts Moped auf die Tragfläche eines alten Bombers (Fotos s.o.).

Die Weiterfahrt in der kroatischen Sonne machte allen richtigen Spaß. Gefahren wurde durch das Hinterland, was das ehemalige Kampfgebiet im Balkankrieg war. Die zerfallenen, zugewucherten Häuser machen das zu einem echten Erlebnis.

Die Tanknadeln rissen allerdings alle aus der Faszination heraus, denn sie verdeutlichen, dass ihre Mopeds „Futter brauchten“. Da die nächste Tanke nur 20 Kilometer entfernt war, gab es noch keinen Stress. Das sollte sich aber ändern, als die „Futterstelle“ für die Mopeds geschlossen und zur nächsten 50 Kilometer unter die Räder genommen werden mussten. Doch die Reste aus den Kanistern sollten sich zu den Rettern aus der Not entpuppen.

Das Ziel des dritten Tages war die Stadt Knin, die im norddalmatinischen Hinterland liegt. Dort wollten die Vermieter der Unterkünfte alles möglich machen, um die Neun unterzubekommen. Zwar zogen einige Familienmitglieder dafür aus, aber der Keller hätte ein ehemaliges Etablissement gewesen sein können und lud nicht gerade zum Verweilen ein. 

Dann wollte man sich in einer Bar noch etwas Gutes tun. Doch der Pizza-Mann wimmelte seine Gäste ab, weil sie weder heimisches Bargeld hatten, noch mit Karte bezahlen konnten. Aber gleich um die Ecke fanden sie eine prima Bar. „Die Bedienung war sehr nett und zauberte nach unseren Wünschen eine Monster-Grill-Platte“.

DER VIERTE TAG

Der vierte Tag startete mit gutem Wetter und ebenso guter Stimmung.
Unterhalb der Festung von Knin fand die morgendliche Fahrerbesprechung statt.

Einer der anzufahrenden Punkte war Berberov buk, eine Schlucht, wo vor langer Zeit Winnetou und Old Shatterhand ihre Blutbrüderschaft geschlossen hatten. Die Weiterfahrt führte in die kroatische Küstenstadt Starigrad-Paklenica. Dort wurde eine Pause eingelegt, schließlich müssen nicht nur Mopeds gefüttert werden. Danach führte der Weg  weiter an der herrlichen Küstenstraße entlang.

Die gute Stimmung verschlechterte sich allerdings rapide, als  Viviens Moped „Blümchen“ in den Streik trat. Alle Möglichkeiten wurden angetestet, die aber alle nur von kurzem Erfolg waren. Trotz alledem wurde die Fahrt fortgesetzt und diese Ausdauer dann auch belohnt. Denn wenige Kilometer später, als mit dem Sorgenkind gar nichts mehr ging, wurde die Ursache gefunden: ein defekter Zündkerzenstecker. Doch der Versuch den Fehler zu beheben, war nicht von Erfolg gekrönt.  

An dem Fähranleger zur Insel Rab, die in der nördlichen Adria liegt, ging wieder gar nichts mehr. Es wurde ein sturmfreies Eckchen beim Ticketverkauf gesucht und die Bastelei fortgesetzt. Bei den konkreter werdenden Arbeiten brach allerdings eine Schelle, ohne die eine Weiterfahrt absolut nicht angesagt war.

Doch der Resignation wurde keine Chance eingeräumt. Stattdessen fragten die einfach mal beim Getränkestand nach, ob jemand etwas Ähnliches hätte. Tatsächlich brauchten sie nicht lange warten, bis ein Kroate sich auf den Weg machte, um mit ein paar Schellen zurückzukommen. So konnten sie die Fähre noch rechtzeitig nutzen und die Insel Rab erreichen.  „Doch ohne Navi hätten wir unsere Unterkunft nicht gefunden“.

DER FÜNFTE TAG

Der fünfte Tag begann am Hafen der Stadt Rab auf der gleichnamigen Insel. Auf dem dortigen Markt wurde erst einmal ein Beutelchen Schlauchschellen gekauft. „Man kann ja nie wissen“. Dann ging es mit der Fähre auf die größte Insel der Adria, KrK.  

Dort angekommen ging  es nach dem Volltanken gleich munter weiter in Richtung Norden. Es schien alles bestens zu laufen, aber etwa drei Kilometer vor dem nächsten Ziel streikte Viviens „Blümchen“ erneut. Und das mit einem lauten Knall! Der Motor wurde in seine Einzelteile zerlegt, und der Blick in den Zylinder offenbarte nichts Gutes. Der Kolben sah alles andere, als gut aus. Und mit dem Ausbau des Zylinders mit Kolben wurde das Grauen in Form eines kapitalen Motorschadens frei gelegt. Neuteile mussten her. Nach einem Anruf beim kroatischen ADAC ging man davon aus, am sechsten Tag die benötigten Ersatzteile bei einem Händler abholen zu können.

DER SECHSTE TAG

Der vorletzte Tag sollte in die drittgrößte Stadt Kroatiens, nach Rijeka führen. Paule wartete bereits auf das Taxi, welches ihn zu dem „Ersatzteillager“ bringen sollte, während die anderen Acht des Teams gen Rijeka fuhren.  Weil sich einfach nichts tun wollte, griff Paule zum Telefon und rief noch einmal den ADAC an. Dann sollte es losgehen, allerdings waren  bei besagtem Händler absolut keine Ersatzteile zu haben. Sollte es das gewesen sein?

Nein, Aufgeben war keine Optiont. Deswegen rief Alex  im Laufe dieses chaotischen Tages einfach mal so bei einem Mopedhändler an. Und der kannte einen, der nicht bloß die Ersatzteile hatte, sondern diese auch gerne einbaute. Also nichts wie hin. Allerdings war der Spezialist gerade mal 18 Jahre jung und hatte einen Gipsarm. Doch weder das Alter noch der Gipsarm störten ihn bei den Reparaturarbeiten, denn ein Freund stand ihm zur Seite.

Paule und Alex nutzen die Wartezeit, die Bremsen an Paules Roller wieder aufzufrischen. Sonst hätte er bestimmt bald die Hacken bremsen müssen.

Sieben Stunden später lief Viviens Roller wieder einwandfrei. Alle waren überglücklich, durchgeschwitzt und voller Hoffnung nun das Unglück beendet zu haben.

Es war spät geworden. Kurz hinter der Grenze nach Slowenien wurde noch einmal getankt. Der zuständige Tankwart hatte selbst bestens getankt. Die Fahrt endete dann an der oberen Adria in Triest, was auch direkt an der Grenze wischen Slowenien und Italien liegt.

DER SIEBENTE TAG

Beim  Wach werden stellten sie fest, dass bereits der siebente Tag begonnen hatte, an dem schon um 6 Uhr in den Sonnenaufgang gefahren werden sollte.  Dieses frühe Aufstehen hatte zur positiven Folge, dass die Neun fast pünktlich den bei der Grenzstadt Nova Gorica gelegenen Checkpoint erreicht hatten.

Allerdings weigerte sich Melles Maschine bei der Fahrt entlang des Flusses Soča, sich schalten zu lassen.  
Glücklicherweise war schnell ein Experte gefunden, der wirklich Ahnung hatte und genau das Ersatzteil dabei hatte, welches das Schaltproblem beheben sollte. Nach jeweils drei Tassen Kaffee und 40 Minuten Reparaturzeit ging es endlich weiter. 

Da ihre Maschinen an den hinter ihnen liegenden sechs Tagen doch schon ganz schön gelitten hatten, fiel der Entschluss, den Mopeds nicht auch noch den zwischen Kärnten in Österreich und der Gorenjska, Slowenien gelegenen Alpenpass Korensko sedlo (Wurzelpass) mit seinen 16 Prozent Steigung zuzumuten. Sie entschieden sich für die „sanfte“ Tour, die  über den Vrsic Pass führte. 

Weil aber dieser Pass mit seinen 1 611 Metern der  höchste für den allgemeinen Kraftverkehr befahrbare Gebirgspass Sloweniens ist,  wurde in das Soča-Tal abgebogen, welches sich einen Namen als Paradies für Abenteurer gemacht hat.  Man legte übrigens einen Halt an der "Batterie von Sella Predil" ein. Diese Anlage wurde zwischen 1895 und 1897 vom österreichisch-ungarischen Pionierkorps entworfen und gebaut.  

Die anschließende, recht steile Abfahrt nach Tarvisio in Italien haben kleine „Rennen“ mit Motorrädern auf den guten Straßen mit den Wahnsinns-Kurven allen einen riesen Spaß bereiten. 

In der italienischen Stadt angekommen, bewies  sich mal wieder, dass die Welt ein Dorf ist. Denn Schmecke traf Verwandte, die in der Region Urlaub machten. Außerdem wurde allen klar, dass sie nur noch fünf Kilometer bis Lessach, dem Startort, hinter sich gebracht werden musste.

Das Start-Ziel erreicht.

Eigentlich sollte die Ankunft im Ziel noch ausgiebig gefeiert werden. Doch da es keine Unterkunft gab, und sich das Bier als Mangelware herausstellte, wurde schnell die Heimreise angetreten.

Auch wenn diese Tour  weder Urlaub noch einfach gewesen ist, haben alle eine riesengroße Erfahrung und ein tolles Erlebnis gehabt. „Wir werden das bestimmt noch einmal machen, zumindest Einzelne von uns“, so die einstimmige Meinung der neun „Ibupropheten“.

Besonders stolz sind sie auf das Spendenergebnis. Denn immerhin haben sie auf den 1200 Kilometern fast 3.500 Euro für ihren Harz gesammelt. „Für die Gelder werden Bäume gepflanzt, damit die Nachwelt unseren Harz wieder sehen kann wie wir es früher taten. Herzlichen Dank an alle, die uns unterstützt haben.“

Der Spendentopf ist übrigens immer noch geöffnet. Wer also auch Geld für die Aufforstung des Mittelgebirges spenden möchte, kann dies gerne über eine der folgenden Link machen: www.betterplace.org


Melle, der Weber (Sonnenbrille), Ming, Schmecke, Alex, Vivian, Paule, Ert und Borsti (v.l.) starteten gemeinsam zum Moped-Rodeo durch

Ert, Melle und Alex sind mächtig stolz, die Tour geschafft zu haben und planen schon die nächste

Dieser junge Mann ließ sich von seinem Gipsarm nicht bei der fachmännischen Arbeit stören

Bei der Rast wurden den Mopeds ordentlich eingeparkt

Schöne und beeindruckenden Landschaften luden zum Verweilen ein

Endlose Straßen und ganz viel Gegend....

 

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