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06.08.2021

70 Jahre naturgemäße Waldwirtschaft gefeiert


Bei dem Jubiläum der ANW wurde auch das Lebensleitung von Dr. Hermann Wobst gewürdigt

Die Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft beging ihr Jubiläum mit einem Festakt im Rosencafé in Brunshausen

...von Herma Niemann

Die Wälder rund um Bad Gandersheim gelten nicht nur in Niedersachsen, sondern auch bundesweit als eine der Wiegen für einen besonderen Umgang mit dem Wald. Vor über 70 Jahren tagte hier die 1950 frisch gegründete Arbeitsgemeinschaft Naturgemäßer Waldwirtschaft (ANW). Eine Handvoll visionärer Forstleute unter Beteiligung des damaligen örtlichen Forstamtsleiters Dr. Willy Wobst, hatte sich zusammengeschlossen, um die Forstwirtschaft stärker ökologisch und naturgemäßer auszurichten und damit gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreicher zumachen.

Die Gründungs-Förster wollten natürliche Prozesse wie Selbstaussaaten stärker einbeziehen und wandten sich gegen die damals weit verbreiteten Kahlschläge. Mit einem Festakt im Rosencafé in Brunshausen feierten am Dienstag nun Förster und Waldbesitzer dieses besondere Jubiläum.

„Der pflegliche, einfühlsame Umgang mit dem Wald hat sich gelohnt. Strukturreicher Mischwald bewährt sich gerade in besonderem Maße im Klimawandel. Die naturgemäßen Grundsätze wie Kahlschlagfreiheit, Baumartenmischung, Altersdifferenzierung, Bodenschutz, Integration von Naturschutz- und Erholungsaspekten sind in den heutigen Waldbauprogrammen der Bundesländer fest etabliert“, erläuterte Hans von der Goltz, Bundesvorsitzender der ANW. Das Dauerwaldmodell der ANW sei aus der aktuellen Diskussion über zukunftsfähigen Wald gerade in diesen Zeiten des Klimawandels nicht mehr weg zu denken. Es seien damals mutige Forstwirte gewesen, die sich dem mutigen Kreis der ANW angeschlossen hätten, so Goltz. „Mit den Ideen und Visionen der ANW wurde die traditionelle Forstwirtschaft aufgemischt“. Anfänglich sei die ANW missverständlicherweise oft als Naturschutzorganisation verstanden worden. Das Land Niedersachsen sei im Übrigen das erste Bundesland gewesen, das 1991 mit seinem LÖWE-Programm ( Langfristige Ökologischen Waldentwicklung) ähnliche Kriterien wie die ANW installiert hatte. Heute, 70 Jahre später, zeigt sich sehr gut, dass sich der pflegliche Umgang mit dem Wald gelohnt hat. Denn ein strukturreicher Mischwald bewährt sich gerade in besonderem Maße im Klimawandel.

Nach den Grußworten durch die stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Bad Gandersheim, Ingrid Lohmann, machte Dr. Klaus Merker, der Präsident der Niedersächsischen Landesforsten, in seiner Festrede deutlich, dass mit dem LÖWE-Programm der Landesforstverwaltung bundesweit erstmalig ein ganzheitlicher Waldbauansatz auf ökologischer Grundlage ins Leben gerufen wurde. Das LÖWE-Programm beinhalte auch wesentliche Elemente naturgemäßer Waldwirtschaft der ANW, so der Präsident der Niedersächsischen Landesforsten. In den vergangenen 30 Jahren sei viel in den Wäldern passiert, so Merker. „Aber das, was sich seit dem Jahr 2016 in den Wäldern abspielt, ist das Schlimmste, was man sich wohl nie hätte träumen lassen. Es ist unfassbar, mit welchem Tempo sich die klimatischen Ereignisse zeigen“. Besonders der Harz-Wald sei ein Symbol für den Klimawandel. Die Ereignisse seit dem Jahr 2016 seien laut Merker als historisch einzuordnen. „Es gibt aber auch optimistische Bilder, nämlich dort, wo die ANW und die Landesforsten sich über einen langen Zeitraum anders aufgestellt haben“. Merker drückte seine Freude darüber aus, das an diesem Tage auch die Lebensleistung von Dr. Hermann Wobst gewürdigt werde.

Der Präsident von ProSilva Europa, Eckart Senitza, berichtet über die Entstehung dieses europäischen Verbandes professioneller Förster in mehr als 25 europäischen Ländern, der sich für die Prinzipien der naturnahen Waldbewirtschaftung als Alternative zu kurzfristigen Baumplantagen einsetzt. ProSilva wurde 1989 in Slowenien gegründet und feierte 2019 sein 30-jähriges Bestehen. ProSilva erkennt und schätzt die einzigartige Geschichte der Forstwirtschaft und ihren früheren, gegenwärtigen und potenziellen Beitrag auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene. Die Mitglieder sind von der Notwendigkeit eines größeren Spektrums an Managementfähigkeiten bei Förstern und Waldbesitzern überzeugt. Die ProSilva-Mitgliedschaft besteht aus Waldbesitzern, Förstern, Forststudenten und anderen Personen, die die Forstpraxis von ProSilva praktizieren und mehr darüber erfahren möchten.

Neben Eckart Senitza machten auch Dr. Stefanie von Scheliha-Dawid vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sowie Prof. Manfred Schölch (Hochschule Weihenstephan/Triesdorf) in ihren Vorträgen deutlich, wie sehr das ANW-Gedankengut in Bezug auf die naturnahe Waldbewirtschaftung in Forstpolitik, nationalen Waldstrategien, Forschung und Lehre Einzug gehalten habe.

Einen besonderen Vortrag hielt anschließend das „ANW-Urgestein“ Dr. Hermann Wobst, Sohn des Mitbegründers Willy Wobst und ebenfalls langjähriger Förster in den Gandersheimer Wäldern: Zum 70-jährigen Jubiläum hatte Wobst in unermüdlicher Recherche die Geschichte der ANW aufgearbeitet, Fotos, Dokumente, und Exkursionsberichte gesammelt und zusammengefasst und so für die Zukunft bewahrt. So konnte pünktlich zum Jubiläum ein Sonderheft der Zeitschrift „Der Dauerwald“ mit den „Meilensteinen der ANW“ gedruckt werden. Im Anschluss an den Festakt zog man in den nahegelegenen Wald. Bei einer kurzweiligen Exkursion lauschten die Gäste den spannenden Ausführungen des pensionierten Forstdirektors Hermann Wobst und konnte an verschiedenen Stationen die naturnahen Grundsätze der ANW hautnah sehen und spüren.

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Unter Beteiligung des damaligen örtlichen Forstamtsleiters Dr. Willy Wobst hatten sich Visionäre zusammengeschlossen, um die Forstwirtschaft stärker ökologisch und naturgemäßer auszurichten

Mit einem Festakt wurde das 70-jährige Jubiläum der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft im Rosencafé in Brunshausen gefeiert

Der Präsident der Niedersächsischen Landesforsten, Dr. Klaus Merker

Dr. Stefanie von Scheliha-Dawid vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft referierte über naturgemäße Grundsätze in der deutschen Forstpolitik

Eckart Senitza, Präsident ProSilva Europa, sprach ein Grußwort

Der Bundesvorsitzender der ANW, Hans von der Goltz, führte durch den Festakt

 

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