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12.06.2021

Steuerschätzung macht deutlich: Göttingen braucht Unterstützung von Land und Bund

...Stadt Göttingen

Einbrüche bei den Steuereinnahmen als Folge von Corona werden auch nach der Pandemie noch über mehrere Jahre die kommunale Handlungsfähigkeit bedrohen. Das belegt die aktuelle Steuerschätzung auf Bundesebene vom 12. Mai 2021. Damit die Kommunen handlungsfähig bleiben und kommunale Investitionen nicht einbrechen, sind schnelle und entschiedene Hilfen von Bund und Ländern dringend notwendig.

Dieser Forderung schließt sich Göttingens Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler uneingeschränkt an. „Für Göttingen gilt: Ohne schnelle Hilfe von Land und Bund wird bei uns der Rotstift herrschen. Wir würden zu kurzfristigen Sparmaßnahmen gezwungen, die auf lange Sicht unserer Stadt Schaden zufügen. Das kann niemand wollen“, so Köhler. An die Adresse der örtlichen Bundestags- und Landtagsabgeordneten appelliert der OB: „Setzen Sie sich im Sinn der Göttingerinnen und Göttinger im Bundestag bzw. im Landtag für eine Kompensation der Steuermindereinnahmen ein.“

Vergangenes Jahr (2020) haben Bund und Länder die Gewerbesteuerausfälle der Städte und Gemeinden mit 12,4 Milliarden Euro schnell und unkonventionell ausgeglichen. So wurden die Haushalte der Städte und Gemeinden erfolgreich stabilisiert und die Investitionen blieben auf hohem Niveau. Der Deutsche Städtetag hat Bund und Länder aufgefordert, auch in diesem und dem kommenden Jahr gemeinsam mit den Ländern die Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer zu kompensieren und dafür zu sorgen, dass die kommunalen Investitionen stabil bleiben. Ein Abgleich zwischen der Steuerschätzung vom November 2019 – der letzten Steuerschätzung vor der Corona-Pandemie – und der aktuellen Steuerschätzung vom Mai 2021 verdeutlicht den historisch einmaligen Einbruch der Erwartungen bundesweit. Das Volumen der Steuermindereinnahmen beträgt in diesem Jahr 9,4 Milliarden Euro, dies entspricht ca. 110 Euro je Einwohner*in. Im kommenden Jahr ist mit Steuermindereinnahmen von gut 10 Milliarden Euro zu rechnen. Die Steuereinnahmen steigen zwar gegenüber dem katastrophalen Einbruch im vergangenen Jahr an. Aber die kommunalen Steuereinnahmen liegen sowohl in diesem als auch den kommenden Jahren noch deutlich unter dem ursprünglich erwarteten Niveau.

Entwicklung macht vor Göttingen nicht Halt

Die dramatische Entwicklung macht auch vor Göttingen nicht Halt. Dies zeigt der Vergleich zwischen den Haushaltsplanungen aus dem Jahr 2019 für die folgende Finanzplanungsperiode und dem aktuellen Planungsstand auf Basis der jüngsten Steuerschätzung. „Während die Stadt vor der Corona-Pandemie in der mittelfristigen Finanzplanung für das Jahr 2021 und alle folgenden Jahre noch mit einem Gewerbesteueraufkommen (netto) von 86,3 Millionen Euro rechnete, müssen wir diese Erwartung um etwa 18 Millionen Euro nach unten korrigieren“, so Oberbürgermeister Köhler. Und selbst dann blieben Risiken, dass das Ergebnis schlechter ausfällt als erwartet.

Vergleichbares gilt für den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer: Im Doppelhaushalt 2019/2020 wurden für das Jahr 2021 ursprünglich 60,9 Millionen Euro eingeplant, jetzt rechnet die Stadt nur noch mit einem Aufkommen von 56,4 Millionen Euro. „Uns fehlen also aus dieser wichtigen Einnahmequelle zur Finanzierung unserer kommunalen Aufgaben weitere 4,5 Millionen Euro in der Kasse“, betont der Oberbürgermeister. Auch aus dem kommunalen Finanzausgleich kann Göttingen im Vergleich zu den ursprünglichen Erwartungen keine Mehreinnahmen erhoffen; ganz im Gegenteil. Im Vergleich zur ursprünglichen Planung 2019 – hier wurde für 2021 mit 57,5 Millionen Euro geplant - werden jetzt für das laufende Jahr nur etwa 54,8 Millionen Euro erwartet.   

Während auf der einen Seite die Einnahmen fehlen, laufen die Ausgaben für alle kommunale Aufgaben weiter. Pandemiebedingt erhöhen sie sich sogar in vielen Aufgabenbereichen. Konnte die Stadt noch bis einschließlich 2019 aufgrund der positiven Effekte aus dem Zukunftsvertrag wieder mit ausgeglichenen Haushalten planen und am Jahresende mit Überschüssen abschließen, so ist mit 2020 erstmals wieder ein Defizit in zweistelliger Millionenhöhe entstanden.

Der gerade beim Niedersächsischen Innenministerium zur Prüfung liegende Haushalt 2021 zeichnet ein kritisches Bild: Die gesamte Finanzplanung bis 2024 ist defizitär. Das bedeutet, die Stadt muss in den kommenden Jahren jeweils mehr Geld ausgeben als sie einnimmt. Das geht nur mit neuen Schulden, da die Stadt bei ihrer Haushaltspolitik der Sicherung der kommunalen Aufgaben, wie Kinderbetreuung, Bildung, ÖPNV und öffentlichen Einrichtungen den Vorrang gibt. Aber auch die Finanzierung der Göttinger Infrastruktur hat neben der Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen einen hohen Stellenwert.

Investitionen auf dem Prüfstand

Ohne eine Unterstützung von Bund und Ländern steht auf dem Prüfstand, welche dringend notwendigen Zukunftsinvestitionen verschoben oder gar ganz aufgegeben werden müssten. Denn: Mit den jährlichen Haushaltsdefiziten, die nur über Kassenkredite finanziert werden können, entfallen für die kommenden Jahre auch die in den letzten Jahren entstandenen Überschüsse. Das ist zusätzlich ein fataler Effekt: Damit fehlen wichtige Finanzierungsbausteine für Investitionen. Die Folge: Um die zwingend notwendigen Investitionen dennoch zu realisieren, musste die Stadt mit dem Haushaltsbeschluss 2021 ihren selbst auferlegten Schuldendeckel aussetzen und deutlich höhere Kredite in die Finanzplanung aufnehmen. Das führt zusammen mit den Konsumkrediten für die laufenden Ausgaben in den kommenden Jahren zu einer erhöhten Verschuldung. Das Innenministerium bescheinigt der Stadt bereits wieder eine fehlende Leistungsfähigkeit. Das kann eine nachhaltige Wirkung entfalten – unter Umständen müssen die geplanten Investitionen wieder zurückgefahren werden, um die weitere Verschuldung zu begrenzen.

 

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