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05.01.2021

Ein Schausteller und seine Frau geben wegen Corona nicht auf


Das Karussell der beiden Wolfs zieht Kinder, wir hier in Eisdorf, magnetisch an

von Petra Bordfeld

“Erst erlernst zu einen vernünftigen Beruf, eher brauchst du nicht wegzufahren“, die Mahnung seiner Eltern hat Schausteller Andreas Wolf noch heute im Kopf. „Denn genau 14 Tage nach der bestandenen Gesellenprüfung zum Maschinenbauer war ich weg“. Schließlich floss in seinen Adern schon zur Kinderzeit Schaustellerblut. Wenn er sich zu diesem Schritt nicht entschieden hätte, wäre er wohl auch nie seiner großen Liebe begegnet, die seit über 30 Jahren seine Frau ist.

Denn die lernte er auf der Berg- und Talbahn kennen, welche auf dem Jahrmarkt in Osterode aufgebaut war. Sie tauschte das Mitfahren auf dieser Bahn gegen das on Tour gehen mit ihrer großen Liebe Doch sie fuhr nicht „nur“ mit. Denn noch heute sitzt die Chefin, wie Wolf seine Jacky liebevoll nennt, am Lenkrad des Fahrzeuges, welches das Karussell zieht. Er selbst sitzt auf dem 5-Tonner, der zwar den Wohnwagen zieht, aber dessen Innenleben auch vorzüglich ausgebaut ist. „Im Wohnwagen ist doch alles ein wenig beengt“.

Während einer der Fahrten, die sich im Norddeutschen Raum, Hessen und Bremen zutrugen, wurde übrigens ihr Sohn geboren. Doch der hatte nichts mit dem Beruf des Schaustellers am Hut, er entschied sich dazu Landschaftsgärtner zu werden.

Bevor Andreas Wolf aber Karussell-Besitzer wurde, war er 40 Jahre bei den Piepenschneiders, einer alteingesessenen Schaustellerfamilie aus Osterode, beim Autoskooter, der Berg- und Talbahn und dem Schießwagen anzutreffen, auch Kinderkarussells zählten dazu. Denn Maschinenbauer konnten schließlich bei jedem Fahrwerk gebraucht werden.

In den Wintermonaten versuchte es der Reisende hin und wieder mal, sesshaft zu werden, und LKW gen Frankreich, Portugal und Berlin zu kutschieren. Zu DDR-Seiten kannte er die Transitstrecke auch wie seine Westentasche. Er schmunzelt, wenn er daran denkt, dass er einmal eine ganze Fuhre Kaugummis für besagte Automaten geladen hatte. Aber kaum nahte der Frühling, juckte es ihn wieder in den Knochen und er machte sich erneut auf den Weg der Jahr- und Flohmärkte.

Als sich dann doch langsam das Rentenalter näherte, war er stets am Wochenende als Aushilfe auf Achse, denn die Schausteller wollten ihn nicht ganz verlieren. Letztendlich boten sie ihm ein kleines Karussell zu einem ebenso kleinen Preis an – und Andreas Wolf konnte nicht Nein zu dem Zweitonner sagen. Schließlich gehörte zu dem Kauf auch das Versprechen, dass für ihn auf den Jahrmärkten je ein Stellplatz frei gehalten wird. Da er als Reisender aber viele Leute kannte, organsierte er sich auch hier und da Plätze, wo er teilweise noch nie gestanden hatte.

Doch bis es so weit war, galt es erst einmal, auf dem Karussell ein Gefährt zu zimmern, welches Kinderaugen strahlen lässt. Zusammen mit einem der Piepenschneiders ging er ans Werk. Denn das Fuhrwerk, das sich stets im Kreis dreht, hatte wenig zu bieten. So wurde als erstes eine Mittelsäule fachmännisch eingebaut, dann ein Dach gefertigt. Denn bei Regen sollten weder die Figuren, noch die Kinder nass werden. Das Pferd, die Eule, der Schwan, der Elefant und fast alle anderen Utensilien besorgte er sich mittels Internet, einige Kollegen „rückten“ es auch so raus. Dazu zählt übrigens das hübsche Fahrrad, auf dem vor seiner Karussell-Laufbahn eine Piepenschneider-Tochter auf der Straße anzutreffen war. Als sie zu groß dafür war, stand es in der Ecke herum. Jetzt dreht es sich im Kreis.

Nach etwa einem Jahr Fingerfertigkeit und Phantasie war so ziemlich alles fertig. Allerdings war das Karussell mit einem Durchmesser von 3,50 Meter viel zu breit für den normalen Straßenverkehr. Also baute Wolf Scharniere an, die es ermöglichen, dass die Seiten so hochgeklappt werden können, dass 2,50 Meter „übrig“ bleiben. „Das Prinzip ist wie bei einem Tisch, nur dass die Seiten nicht runter- sondern hochgeklappt werden“. Somit kann das gute Stück ganz normal gezogen werden.
Als dann im Frühjahr diesen Jahres Corona die Handbremse zog, steckte er nicht den Kopf in den Sand, sondern nahm das Karussell unter die Lupe. Da stellte er fest, dass dessen Fußboden, auf dem die Figuren stehen, sehr unter dem Zahn der Zeit gelitten hatte. Kurzentschlossen riss er selbigen raus, um ihn wieder mit Holz zu erneuern.

Die Fahrt quer durchs Land wollte aber nicht so recht anrollen. Nicht bloß das Karussell auch der Toilettenwagen wurde in „Zwangs-Urlaub“ geschickt.

Allerdings haben Kindergeburtstage das kleine Schaustellerunternehmen über Wasser gehalten. Dazu gehörte übrigens auch das interne Fest, welches die Kindertagesstätte St. Georg anlässlich ihres 25jährigen Bestehens ausnahmslos mit den Kindern und dem Personal gefeiert hatte.

Wer dieses Kinderkarussell buchen möchte, der sollte sich folgende Handy-Nummer merken und auch wählen: 01522 -1659346. „Wir sind doch flexibel“, so Andreas Wolf.

In jedem Fall warten Andreas und Jacqueline Wolf darauf, dass es 2021 wieder langsam losgehen wird. Denn auch wenn beide schon Rentner sind, wollen sie noch mindestens vier Jahre auf Achse sein. „Und so lange wird Corona wohl nicht vorherrschen“.


Andreas und Jacqueline Wolf freuen sich drauf, mit ihrem Karussell wieder auf Reisen gehen zu können.

Die folgenden Bilder können Sie vergrößern, wenn Sie ein Eseltreiber-Abo haben:


Die beiden Wolfs präsentieren den neuen Fußboden des Karussells

 

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