Kultur / Rezensionen

18.08.2020

Die wichtigste Ressource fürs Überleben


In „42 Grad“ entwirft Wolf Harlander ein erschreckend aktuelles Szenario

von Christian Dolle

Unerträgliche Hitze in ganz Deutschland und Europa, dazu monatelange Trockenheit, so dass das Urlaubsfeeling allmählich kippt und zur Bedrohung wird. Vor allem, wenn Flüsse und Seen austrocknen, Waldbrände außer Kontrolle geraten und das Trinkwasser allmählich knapp wird. Um dieses im wahrsten Sinne des Wortes brandaktuelle Szenario geht es im Thriller „42 Grad“ von Wolf Harlander.

Selbstverständlich bleibt es nicht nur bei der besorgniserregenden Hitzewelle, denn die ruft auch Terroristen auf den Plan, die für Störfälle in Wasserwerken, vergiftete Flüsse und mehr sorgen. So geraten die anfangs nicht miteinander verbundenen Protagonisten des Buches alle auf ihre Weise in ungeahnte Schwierigkeiten, ob als Hydrologe, der die Katastrophe vorausahnt oder als Mutter zweier Kinder, die im eigenen Land zum Flüchtling auf der Suche nach der wichtigsten Ressource für das Überleben unserer Art wird.

Beängstigend realitätsnah

Wolf Harlander ist Journalist, arbeitete für Tageszeitungen, Magazine oder auch fürs Fernsehen, was seinem Roman auch deutlich anzumerken ist, denn vieles liest sich eben nicht wie Fiktion, sondern vielmehr wie eine gut recherchierte Gegenwartsanalyse. Doch natürlich spinnt er den Gedanken um steigende Temperaturen und Kampf um Wasservorräte weiter, auf verschiedenen Ebenen und eben beängstigend realitätsnah.

Wie in einem klassischen Katastrophenfilm lässt er mehrere Handlungen parallel laufen, die Wege der Figuren kreuzen sich und am Ende läuft alles auf ein ebenso spannendes wie bedrohliches Finale hinaus. Auf dem Weg dahin bekommt die überforderte Politik ihr Fett weg, ebenso wie Konzerne, die aus der Wasserknappheit Profit schlagen wollen. All das liest sich wie ein Blick in eine nicht allzu weit entfernte Zukunft.

Das Setting spielt die Hauptrolle

Leider bleiben die Figuren die meiste Zeit über relativ blass, eben auch wie in vielen Katastrophenfilmen, in denen die Rollen vor allem ihren Zweck erfüllen müssen. So richtig emotional mitgerissen wird man bei niemandem, obwohl das vielleicht ja auch gar nicht so wichtig ist, da in diesem Buch definitiv das Setting die Hauptrolle spielt.
Der zweite Kritikpunkt ist dann der, dass eben dieses beklemmende Szenario zum Ende hin immer mehr auf die Thrillerhandlung reduziert wird, die ihrerseits ein wenig konstruiert und aufgesetzt wirkt. Ganz ehrlich, lieber Wolf Harlander, wenn der Klimawandel uns schwitzen und unser Trinkwasser knapp werden lässt, dann (Achtung: Spoiler!) sind es sicher nicht Ökoaktivisten, die uns ins Verderben reißen, um damit auf die Dringlichkeit des Klimaschutzes aufmerksam zu machen und vermutlich auch nicht klischeehafte böse Russen, die eher an den Kalten Krieg als an einen heißen Jahrhundertsommer denken lassen.

Filmisch erzählt

Das sind sicher einige Punkte, die die Geschichte etwas holprig machen, sie dadurch aber letztlich nicht vom Weg abbringen. Lesenswert ist der Roman auf jeden Fall, weil er viele Was-wäre-wenn-Fragen aufwirft, sich nie verzettelt, sondern immer filmisch erzählt wird und damit temporeich bleibt und vor allem eben an Aktualität kaum zu überbieten ist.

Eine Verfilmung ist vermutlich nur eine Frage der Zeit, denn die Rechte, so sagt der Autor, sind bereits verkauft. Außerdem schreibe er bereits an seinem zweiten Roman, in dem es um Umweltzerstörung durch Tourismus gehen soll. Das klingt allemal vielversprechend und es bleibt abzuwarten, ob sich Wolf Harlander vielleicht zu einem zweiten Marc Elsberg entwickelt.

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