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04.08.2020

Deutschlands großer Afrikaner oder Ostafrikas großer Kriegsverbrecher?


Streit um das Wissmanndenkmal und die Wissmannstraße in Bad Lauterberg

von Christian Dolle

„Er kämpfte erfolgreich gegen den Sklavenhandel und für die Freiheit der Unterdrückten“, heißt es auf dem Sockel der Wissmann-Statue im Bad Lauterberger Kurpark. Ganz so einfach ist es mit der Geschichte und historischen Persönlichkeiten aber wie so oft nicht, denn Hermann von Wissmann ist ebenfalls Symbolfigur für Kriegsverbrechen in den deutschen Kolonien.

Während in anderen Städten Wissmannstraßen aus eben diesen Gründen schon vor Jahren umbenannt wurden trägt die Wissmannstraße in Bad Lauterberg nach wie vor ihren Namen und auch die Statue kommt ausgesprochen unkritisch daher. Für die Lokalgruppe Harz der Organisation Seebrücke und den Verein Spurensuche Harzregion ein No-Go, weshalb sie jetzt gemeinsam aufklären und „Deutschlands großen Afrikaner“ ins rechte Licht rücken wollen.

Hermann von Wissmann (1853 bis 1905) war Afrikaforscher, Gouverneur von Deutsch-Ostafrika, durchquerte den Kontinent zweimal auf dem Landweg und war verantwortlich für die Niederschlagung des Widerstandes der Bevölkerung in der damaligen deutschen Kolonie. „Hermann von Wissmann überfiel im Zuge der Kolonialisierung Afrikas Dörfer, ließ sie plündern, die Häuser niederbrennen und Äcker zerstören. Wer sich ihm widersetzte, wurde erschossen. Er galt als grausamer Militärdiktator“, heißt es in einem Text der Seebrücke und der Spurensuche.

Diese Art der Kriegsführung wurde schon zu Wissmanns Lebzeiten als grausam kritisiert, durch Wilhelm II. wurde er allerdings nach der Eroberung Ostafrikas in den Adelsstand erhoben. Daher heißt es seitens der heutigen Wissmann-Gegner weiter: „Wir vermissen einen maßgeblichen Ansatz, die Geschichte um Wissmanns Taten und die Geschichtsverfälschung, an der in Bad Lauterberg bis heute festgehalten wird, der historischen Bedeutung entsprechend öffentlich aufzuarbeiten.“

Jemandem, der massiv gegen das auch zu seiner Zeit geltende Recht verstoßen und die Menschenwürde nicht geachtet hat dürfe nicht die Ehre zuteil werden, dass eine Straße nach ihm benannt wird, und auch mit einer kleinen zusätzlichen erklärenden Tafel über die Taten Wissmanns am Denkmal sei es ihrer Meinung nach nicht getan. „Wir können uns stattdessen ein zusätzliches Mahnmal für die gefolterten und getöteten Afrikaner, das neben dem Denkmal Wissmanns steht, vorstellen“, heißt es.

In den vergangenen Wochen haben auch überregionale Medien das Thema aufgegriffen, so dass es durchaus spannend bleibt, wie sich das Thema weiter entwickelt und inwiefern die Stadt darauf reagiert. Für die Seebrücke und die Spurensuche ist der historische Blick auf Wissmann jedoch eindeutig. „Wir sehen eine Notwendigkeit in der kritischen Aufarbeitung sowie eine Anerkennung der historischen Ereignisse und fordern eine konsequente Umsetzung“, betonen sie, „Wir wollen nicht mit Straßennamen leben, die nach einem Kriegsverbrecher, der viele Menschenleben auf dem Gewissen hat, benannt bleiben und dazu beitragen, dass ihm dadurch eine fragwürdige Ehre zuteil wird.“


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