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05.06.2020

Corona-Krise trifft Brasilien hart


Die Lage der Urbevölkerung ist in der Pandemie doppelt prekär.

von Juliana Miyazaki und Ralf Gießler

Göttingen) Einige Staaten der Welt, beispielsweise die Vereinigten Staaten von Amerika oder Brasilien, haben besonders schwer mit den Auswirkungen der grassierenden Corona-Pandemie zu kämpfen. Brasilien ist insgesamt gesehen stark betroffen. Die indigene Bevölkerung des Landes trifft es dabei überproportional hart. Der Unmut über die Corona-Politik des Präsidenten Jair Bolsonaro wächst generell im Land, da er trotz steigender Fallzahlen die Situation nach Meinung von Demonstranten nicht ernst nehme.

Die Lage der Urbevölkerung ist in zweifacher Hinsicht heikel. Unter den etwa 900.000 Indigenen sind bisher 980 Infektionen bestätigt. Es gab bislang mindestens 125 Todesfälle durch Covid-19. Die Sterberate liegt damit bei 12,6 Prozent und ist somit fast doppelt so hoch wie die nationale Rate von 6,4 Prozent. "In der Pandemie ist die Lage dieser Bevölkerungsgruppe Brasiliens doppelt prekär“, erklärt Juliana Miyazaki, Referentin für indigene Völker bei der Gesellschaft für bedrohte Völker, Göttingen. "Während täglich neue Infektionen und Todesfälle dazukommen, müssen sie um soziale und medizinische Hilfe kämpfen.“

Die indigenenfeindliche Regierung unter Bolsonaro verweigere diese Hilfe wo immer möglich. "Die Pandemie hat den institutionellen Rassismus erneut deutlich gemacht“, so Miyazaki weiter. Der Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung sei schwierig, da selbst die indigenen Mitarbeiter des Gesundheitswesens überfordert wären und den speziellen Bedürfnissen nicht gerecht werden können. Ärzte der Behörde für Indigene Gesundheit SESAI hätten bis jetzt keine rigorose Quarantäne eingehalten. Die erste registrierte Covid-Erkrankung unter Ureinwohnern sei von einem Arzt der SESAI übertragen worden. Ärzte, aber auch Missionare und Eindringlinge auf der Suche nach Ressourcen hätten das Virus übertragen. "Trotz der Risiken dringen immer mehr Fremde in indigene Gebiete ein, um Holz zu fällen oder Gold zu suchen“, berichtet Miyazaki.

Bisher seien Infektionen in 60 indigenen Völkern in Brasilien nachgewiesen. "Ihnen zugewiesene öffentliche Mittel werden aber von den Behörden nicht bereitgestellt“, kritisiert die Referentin. Hygieneartikel und Test-Kits seien knapp, die Krankenhäuser überlastet. Laut einer Studie der Non-Profit-Organisation InfoAmazonia beträgt die durchschnittliche Entfernung zwischen indigenen Dörfern und der nächstgelegenen Intensivstation in Brasilien 315 Kilometer. Zehn Prozent dieser Dörfer sind sogar 700 bis über 1.000 Kilometer von einer solchen Einrichtung entfernt. Erschwerend komme hinzu, dass viele Ureinwohner von einem niedrigen Einkommen abhängig seien, welches sie in der Stadt durch informelle Jobs oder den Verkauf von Kunsthandwerk erzielen können. Trotz des hohen Infektionsrisikos sei es leider nicht leistbar, sich zu ihrem eigenen Schutz zu isolieren.

 

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