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29.05.2020

Harzer Puppenbühne gewährt der Schnecke Meme Internetauftritte


Peter Edeltraud, Peter, Michael und Andrey Schneider stellen in der Puppenwerkstatt einige ihrer Hauptdarsteller vor.

...von Petra Bordfeld

„Wir haben zwei Weltkriege überstanden, genau das wird uns auch mit der Corona-Pandemie gelingen“, darin sind sich die fünf Mitglieder der „Harzer Puppenbühne“ einig. Schließlich können sie auf eine Theatergeschichte zurückblicken, die vor rund 150 Jahren mit dem „Schlesischen Wandertheater“ ihren Lauf genommen hat.

Als am 13. März die Corona-Pandemie ausgerufen wurde, aber niemand sagen konnte, wann alles wieder in gewohnten Gleisen verlaufen würde, wurde alles sorgsam verpackt und der Weg nach Schwiegershausen eingeschlagen, wo sie bereits vor 46 Jahren in der Sporthallenstraße 27 ihr Domizil „aufgeschlagen“ haben. Das hieß aber auch, dass über 300 fest geplante Auftritte, die sie durch Europa führen sollten, gekänzelt werden mussten. „So viele Gastspiele hatten wir im Prinzip noch nie in der Frühlingsaison gehabt“, so Michael Schneider, Sohn von Edeltraud Schneider, der Frau, die aus der alten Schauspieldynastie Mlyneck-Sperlich stammt, und Peter Schneider, der sich bei einer Aufführung in dem im pfälzischen Landkreis Bad Dürkheim gelegenen Elmstein in Edeltraud verliebte.

Ich traf mich mit Edeltraud, Peter und Michael Schneider sowie Andrey Schneider-Zaslavskij, um mich mit ihnen auf den Weg der Geschichte dieses Theaters zu begeben, in dem übrigens vor 30 Jahren die Schnecke “Meme“ das Licht der Welt erblickte. Dieses kleine, schlaue und charmante Wesen hat bis heute nichts von ihrem Liebreiz verloren. Genau aus dem Grund ist sie in der Corona-Zeit im Internet auf YouTube, auf Facebook, sowie unter http://www.harzer-puppenbuehne.de/ zu finden.

Doch zurück zu den Anfängen: Als sich Mitte des 19ten Jahrhunderts das „Schlesische Wandertheater“ Mlyneck-Sperlich auf den kulturellen Weg machte, hat noch niemand an „Meme“ oder deren Handpuppen-Kollegen gedacht. Denn damals standen Menschen auf der Bühne. „Wir waren ein Personentheater, welches auch Operetten aufführte“, so Michael Schneider, der sechs Sprachen spricht und außerdem die überzeugende Stimme eines Operettensängers hat. Für die instrumentale Begleitung sorgten damals meistens ein Klavier, ein Akkordeon, welches einen Ehrenplatz in der Werkstatt bekommen hat, oder auch mal eine Geige.
Ein Orchester gab es nur in einer Inszenierung. Es war „EUBO“, das Barockorchester der Europäischen Union und das Stück stammte aus Michael Schneiders Feder, es hieß "Märchen von der 1000-jährigen Eiche". Von 2015 bis 2019 wussten Puppenspieler und Musiker sowohl bei den Göttinger Händelfestspielen, wie auch bei den „Tagen alter Musik“ in Regensburg zu begeistern.

Zurück zum „Schlesischen Wandertheater“, das nach dem zweiten Weltkrieg zu „Sperlichs Wandertheater“ umbenannt wurde und 1954 unter dem Namen „Original Bergland-Theater“ nach West-Deutschland kam. „Mein Vater packte alles zusammen, weil er sich sicher war, dass man in der damaligen DDR leider nur das aufführen durfte, was der Staat vorgeschrieben hatte" erinnert sich Edeltraud Schneider, die schon mit fünf Jahren auf der Bühne gestanden hat. Da er aber ausnahmslos nur Theater spielen und keine Politik machen wollte, floh er mit seiner schwangeren Frau und zwei Kindern nach Westberlin. Von dort aus führte der Weg nach Rheinland-Pfalz. Dort lernte Peter Schneider 1968 seine Edeltraud als „Vroni“ in dem Volksstück mit Gesang "Der Meineidbauer“ kennen, welches aus der Feder von Ludwig Anzengruber stammt. Er ließ sich widerstandslos in den Bann des Theaters und dieser Frau ziehen, was zu Folge hatte, dass auch er die Bretter betrat, welche die Welt bedeuten.

Bei diesem Theater fiel übrigens vor rund zehn Jahren der Vorhang des letzten Aktes. Da wurden die Bühnen nicht mehr von Schneiders selbst betreten, sondern den Puppen frei gehalten, die bis heute bestimmt ebenso aussagekräftig sind, wie die menschlichen Darsteller. Da hat die „Harzer Puppenbühne“ allerdings schon lange bestanden, denn sie wurde bereits 1978 aus der Taufe gehoben.
Warum haben die Menschen auf der Bühne den Puppen Platz gemacht? Daran „Schuld“ hatte hauptsächlich Peter Schneiders Freund und Puppenspieler Erwin Janz. Im Laufe der Treffen und Gespräche wuchs das Interesse am Figurenspiel. Parallel dazu kam der Wunsch auf, mal etwas Neues auf die Beine zu stellen. Dieser Schritt machte Peter Schneider deutlich, dass er mit Puppen seine Vorhaben eher verwirklichen konnte, als mit den menschlichen Darstellern.

1974 erfolgte übrigens der Umzug der Familie Schneider nach Schwiegershausen. Diese Ortschaft wurde zum einen gewählt, weil sie so schön am Rand des Harzes gelegen ist. „Allein die Hügel in Richtung Osterode sind sehr malerisch und der Bach, der durch unser Grundstück fließt, erinnerte mich an mein Dorf in der Pfalz“, so Peter Schneider. Ein weiterer Grund war und ist die nette Nachbarschaft. Besonders gut in Erinnerung ist den Schneiders das inzwischen verstorbene Ehepaar Irma und Friedel Köhler. „Die Beiden und ihre Kinder waren immer sehr gut mit uns befreundet. Irma war sogar Patentante von Michael, der 1978 das Licht der Welt erblickte“. So hätten mehrere schöne Faktoren für das Haus in der Sporthallenstraße 27 gesprochen, das damals auch glücklicher- und zufälligerweise gerade zum Verkauf stand.

Zuerst begab sich das Theater von Schwiegershausen auf den Weg an die Küsten, denn die Kurorte sollten sich als günstige Spielorte entpuppen. „Märchen und Komödien standen im Angebot“. Michael kann sich noch daran erinnern, dass er als Vierjähriger in die Rolle des „Hänsel“ geschlüpft war.

Mittlerweile gehören Auftritte im und um den Harz herum ebenso dazu, wie Engagements in ganz Europa. Dazu zählt übrigens auch das Gastspiel, welches vor 18 Jahren nach Hamburg führte. Bei dessen Aufführung zählte Andrey Schneider-Zaslavskij, Enkel der im Russland der 80er Jahre populären Radio-Märchenregisseurin Marija Krakowskaja, zu den Zuschauern. Er lernte Michael sowie die Welt der Märchen kennen und lieben. Beide haben sich mittlerweile das Ja-Wort gegeben.
Das jüngste Mitglied in diesem kulturellen Fünfer-Gespann ist Michaels Neffe Peter Roman Schneider, der sei Oktober 2019 den Puppen auch Stimmen und Bewegung gibt.

Apropos Puppen: Wo kommen der König, die Königin, die bürgerlichen Wesen oder „Meme“ her? Zwar entstehen einige dieser zumeist hölzernen und flauschigen Wesen in Schwiegershausen. Allerdings schnitzt Gordian Schneider, Michael Schneiders Neffe aus dem Havelland, mittlerweile die meisten Figuren. Der gelernte Schreiner hatte diverse Kurse bei vielen Schnitzern besucht, der Wichtigste war mit Sicherheit der bei dem in Puppenspielerkreisen derzeit bekanntesten Schnitzer, Jürgen Maaßen aus Berlin. Die Puppen können zwar, wenn man ihnen in die Augen schaut, sehr aussagekräftig sein, weil ihnen aber bei ihren Auftritten die Mimik und Gestik fehlen, wird das mit den Stimmen der Puppenspieler ausgeglichen. Dass ihnen das überaus gut gelingt, macht ihnen die Begeisterung der Kinder und Erwachsenen immer wieder deutlich. Die Kleider für die Puppen nähen Edeltraud Schneider und Ruth Zirzow. Die Kulissen entstehen in der Werkstadt in Schwiegershausen.

Michael hat aber in der jetzigen Zwangspause den Stift nicht aus der Hand gelegt. So befasst er sich beispielsweise mit Goethes Tragödie „Faust“. Es stehen also bestimmt nicht alle Räder still, und so schauen die Schneiders mit offenen und strahlenden Augen in die die Zukunft. „Wir lassen uns bestimmt nicht die Lust am Puppentheater nehmen, es wird weitergehen“.


Meme ist schon seit 30 Jahren bei der Harzer Puppenbühne aktiv

Mit diesem Orchester ist die Harzer-Puppenbühne nicht nur einmal zusammen aufgetreten

Michael Schneider hinter der Bühne bei dem Auftritt mit dem Regenbogenfisch

Bei diesem Blick in die Werkstatt sind Puppenköpfe zu entdecken

Michael Schneider gibt einem Stück Holz ein Gesicht

 

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