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09.11.2019

Einstiges Kapellen-Juwel erklingt wieder


Die restaurierte Barockorgel hat seit Samstag ihren Platz in der St. Nicolaikirche in Herzberg gefunden.

von Herma Niemann

Geschwungene Linien, gebauchte Flächen, ausladende Goldverzierungen. Wenn auch reich verziert, ist sie ist nicht viel größer als ein antikes Möbelstück. Und dennoch bildet die von der St. Nicolaigemeinde erworbene und restaurierte Barockorgel seit vergangenem Samstag den neuen glanzvollen Mittelpunkt der Kirche in Herzberg.

Die neue, beziehungsweise alte Barockorgel aus dem Jahr 1743 (laut erster Erwähnung) hat endlich wieder einen würdigen Platz gefunden. Und das quasi in Rekordzeit, zumindest was die Restaurierung einer antiken Orgel angehe, wie der Kreiskantor Jörg Ehrenfeuchter in einem Gespräch mit unserer Zeitung berichtet.

Die ersten Verhandlungen über eine möglichen Kauf begannen Anfang des Jahres 2018, fertig restauriert und aufgestellt wurde sie am 2. November. „Das ist ein extrem kurzer Zeitraum“. Der Orgelbauer Sauer und Heinemann aus Ottbergen und Hans-Ulrich Funk, der für die Intonation der Pfeifen zuständig war, hätten großartige Leistung bewiesen.

Was die Vorgeschichte der Orgel angeht, sei leider nicht viel Historisches schriftlich belegt, so Ehrenfeuchter. Vermutlich sei sie von dem Orgelbauer Arnold Gottlieb Friesenberg aus Einbeck gebaut worden und stand bis in die 1770er Jahre in der Kapelle in Oldenrode (Gemeinde Kalefeld). Schriftstücke über die damalige Reparatur würden dies leider nur teilweise belegen. Im Jahr 1781 habe der Ort Markoldendorf die Orgel erworben, wo sie bis in dieses Jahr hinein auch in der Marienkapelle verblieben sei. Ende der 1960er Jahre sei bereits eine Restaurierung durch den Orgelbauer Rudolf Janke aus Bovenden erfolgt.

Janke habe bereits die Engelhardt Orgel der Nicolaikirche restauriert. Das Problem an ihrem Standort in Markoldendorf: Die Kapelle ist stark sanierungsbedürftig, und die Feuchtigkeit hat für Schimmelbildung an der Orgel gesorgt. Viel zu schade, um zu verrotten, dachte sich Ehrenfeuchter als er davon erfuhr. Dennoch war es ein gewagtes Unterfangen. Die Orgel steht, wie auch die Kapelle in Markoldendorf, unter staatlichem Denkmalschutz. Und auch wenn der Kaufpreis nur einen symbolischen Euro betrug, sei allen Beteiligten das Ausmaß der Aufgabe klar gewesen.

Die Restaurierung hat rund 25.000 Euro gekostet, was nur durch Spenden und einen erheblichen Betrag des Fördervereins für Kirchenmusik an St. Nicolai ermöglicht wurde. Grundsätzlich wurde der ursprüngliche Bau der Orgel erhalten. Neu gesetzt wurde das Pedalwerk für die Füße und neu dazugekommen ist die Holzpfeifenreihe hinter dem Spieler. Das Besondere an der Orgel: Sie wird rückwärtig gespielt. Dazu kommt, dass es sich bei dieser Orgel um um eine historische mitteltönige Stimmlage handelt. Das sei eine Besonderheit in der Harzregion. Daher lasse sich auf dem Instrument vorrangig frühe Barock-Orgelmusik spielen.

Nicht original und neu dazu gekommen seien auch zwei Pfeifenreihen im kleinen Orgelwerk. Sie stammen aus dem Anfang bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Den Feinschliff am Ton hat Funk (ehemaliger Kreiskantor und Orgelsachverständiger) übernommen, der den Klang der Pfeifen überarbeitet und aufeinander abgestimmt hat, damit das Volumen insgesamt weicher wurde. „Wir sind froh, dass der Kirchenvorstand den Mut hatte, diesen Weg zu gehen“, so Ehrenfeuchter „sonst wäre die Orgel wahrscheinlich in einer Scheune eingelagert worden und irgendwann verrottet“. Auch für den Förderverein sei es schlussendlich eine ungewisse Fahrt gewesen, bis man wusste, dass man es hinbekommen würde.

Zukünftig soll die Barockorgel bei kleineren Gottesdiensten und Konzerten zum Einsatz kommen, bei denen mehr persönliche Nähe in der relativ großen Kirche angebracht sei. Aus diesem Grund habe man das barocke Glanzstück auch nicht in der Empore sondern unten im Kirchenschiff aufgestellt. Nicht nur durch die äußere, zierliche Erscheinung überrascht der antike Klangkörper, der schon fast 300 Jahre Musikgeschichte hinter sich hat, sondern auch durch seinen Klang, den man angesichts der Größe nicht erwarten würde.

Von der beeindruckenden Ton-Resonanz durften sich die Besucher am vergangenen Samstag bei dem Einweihungskonzert überzeugen. Mit Absicht seien ganz klare melodische, aber auch etwas schief klingende Töne in der Orgel vorgesehen. Ob das jedoch der Laie im Gegensatz zum Könner hört, sei dahingestellt. „Da kann man schon Gänsehaut bekommen, in Anbetracht der Perfektion, aber auch in Anbetracht der wenigen schief klingenden Töne“, so Ehrenfeuchter humorvoll.


Klein, aber fein: Die Orgel hat in der St. Nicolaikirche in Herzberg einen würdigen Platz gefunden

Die folgenden Bilder können Sie vergrößern, wenn Sie ein Eseltreiber-Abo haben:


Drohte dem Schimmel zu verfallen: die Barockorgel aus der Marienkapelle in Markoldendorf

Blick in das Innere: das Pfeifenwerk spielt eine historisch mitteltönige Stimmlage

Kreiskantor Jörg Ehrenfeuchter spielt an der restaurierten Barockorgel

 

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