Sport

27.05.2017

Wieder ein heißer Ritt auf dem Vulkan


Transvulcania Ultramarathon 2017

von Matthias Schwarze

Bereits zum zweiten Mal durfte ich an diesem tollen Rennen teilnehmen. Lest selbst, warum das nicht das letzte Mal war ;)

Nachdem ich hier letztes Jahr schon laufen und erfolgreich finishen durfte, stand für mich schon auf der Insel fest : Ich komme wieder!

Der Transvulcania gilt als eines der heißesten Trailrennen der Welt. Mit etwas Pech trifft die Läufer der Calima, ein heißer Wüstenwind, der den Trail auf den Graten der Caldera, in einen windigen Glutofen verwandelt. Das blieb uns zwar in diesem Jahr erspart, die unendlich erscheinenden Höhenmeter, durchgehender Sonnenschein, Wind und Temperaturen um 25 Grad jedoch nicht ;).

Bereits um 3:30 startet der Bus in Los Llanos, der die Läufer zum Start der Ultrastrecke am Faro de Fulcaliente transportiert. Bis zu 1800 Ultramarathonläufer stehen hier am Start, unten, noch unterhalb des Leuchtturm, tiefer wäre dann wirklich mit einem Bein im Meer.

Die Stimmung am Start ist mit deutschen Trailrennen nicht zu vergleichen. Die Spanier lieben ihren Sport und diese Leidenschaft spürt man bereits am Start. Auf einer großen Leinwand läuft ein Countdown nach unten. Mit jeder Minute wird es lauter und aufgeregter. Hier ist wirklich Volksfeststimmung.

Der Check-In für die Läufer wird recht kurz gehalten. Checkup ob der vorgeschriebene Rucksack, Rettungsdecke, Stirnlampe mit Rücklicht, das Mobiltelefon und die Möglichkeit für 1,5l Wasser vorhanden sind, und schon kann man sich einreihen, in die wilde bunte Horde.

Der Countdown wird gemeinsam auf spanisch runtergezählt und mit wummernden Bässen startet um Punkt 6 Uhr der wilde Ritt auf dem Vulkan.

Die ersten 7 km hinauf nach Los Canarios sind zunächst eine kleine Rauferei, da der breite Weg um den Leuchtturm bereits nach 500m zu einem sandigen Pfad wird. Stockeinsatz ist hier wohlweislich verboten und wird kontrolliert.

Der Sand ist tief und die Steigung anfangs bei mehr als 12%. 2 Schritt vor, 1 zurück und das im Gedrängel. Der Weg wird allerdings schnell angenehmer, die Revierkämpfe weniger und 10% Steigung lassen sich auch im Sand locker hochlaufen.

Am oberen Ende der Serpentinen können hier ausschließlich die Ultraläufer einen Lindwurm aus Lichtern sich den Berg hochschlängeln sehen. Dieses Bild werde ich so schnell nicht vergessen. Eine nicht enden wollende Kette.

In Los Canarios sind die Zuschauer schon seit 5 Uhr auf den Beinen um sich die besten Plätze zu sichern. Man kommt sich hier schon fast vor wie im Zielkanal. Die Straße ist abgesperrt und an beiden Seiten klatscht man bereits mit Kindern und Anwohnern ab.

Die erste Verpflegung wartet bei „El Caminante“, der Bronzefigur, die dem Transvulcania gewidmet ist, und einen Hiker mit Ausrüstung darstellt. Ab hier ist die Benutzung von Stöcken erlaubt. Auf den ersten 7km, mit immerhin über 700 Höhenmetern, ist es einfach zu eng und zu wuselig dafür, daher untersagt es der Veranstalter und das ist auch gut so. Im letzten Jahr hat ich aufgrund dessen gesagt, dass ich die Stöcker dann für die restlichen "paar" Höhenmeter (ca. 3600) auch nicht brauchen würde. Das war keine gute Entscheidung, daher hatte ich meine Lebensretter diesmal dabei.

Weiter geht es in den Sonnenaufgang auf der sogenannten Ruta de Volcanes bis El Pilar. Die im Osten aufgehende Sonne zeigt nach Verlassen der Pinienwälder die Wolkendecke und ebenfalls im Osten den Gipfel des Teide, auf Teneriffa. Es geht weiter, unaufhaltsam bergauf #50shadesofup .

Auf diesem Stück der Strecke rennt man an und auf ca. 150 Vulkanen vorbei. Hier muss man einfach gewesen sein, aber es wird noch besser.

Das ist definitiv eine der schönsten Strecken, die ich jemals laufen durfte. Und da es sich hierbei um die Strecke des Media-Marathon handelt, welcher um 8 Uhr ebenfalls am Leuchtturm startet, kann ich gerade dieses Teilstück nur jedem Läufer an sein vergrößertes Läuferherz legen.

Hinter dem höchsten Gipfel, dem Desendario 2 auf ca. 1900m, führt die Strecke bergab nach El Pilar, dem Ziel des Media-Marathon und Start der Marathonstrecke. Dieser Downhill lädt auf weichem Waldboden und sandigem Vulkangestein zum Rennen ein.

In El Pilar ist die Hölle los. Es ist zwar kalt hier im Wald aber dennoch warten hier 800 Marathonis auf ihren Start um 10 und etliche Zuschauer wurden hier ebenfalls mit Bussen heraufgekarrt.

Für die Ultras gibt es hier erstmals etwas zu Essen und über 2000 Höhenmeter sind hier bereits im Sack.

Es folgen zunächst 5 relativ flache Kilometer auf einer rauen Forststraße und dann geht es auf der Schulter der Caldera in Richtung Calderarand, immer nach oben. Unerbittlich wird hier Höhenmeter für Höhenmeter abverlangt.

Langsam aber sicher lässt man die Vegetationszone hinter sich und läuft immer weiter auf den nächsten Verpflegungspunkt, kurz vor dem Pico del Nieva, auf über 2000m zu. Vorher wartet noch einmal ein spektakulärer Downhill, der einen Vorgeschmack auf das gibt, was später noch folgen wird. Direkt nach dem VP steigt man über mehrere hundert Höhenmeter aufsteigen muss. In der prallen Sonne, mit warmen Wind von hinten ist das schon sehr hart. Hier gibt es keinen Schatten, keinen Schutz und nur Gestein in allen Größen.

Belohnt wird man oben jedoch mit einer der schönsten Strecken, die ich in meinem Leben laufen durfte (ja, ich weiß, schon wieder, ist aber so). Permanent auf ca. 2300m Höhe, Trails durch Lavafels, über den Wolken, mit Blick in die Caldera del Taburiente.

Immer näher kommen die weißen Kuppeln am Roque de los Muchachos, aber auch weiterhin geht hier nichts einfach geradeaus. Steil bergauf oder steil bergab. Dazwischen gibt es hier nicht viel.

Das erste Observatorium ist erreicht und weiter geht’s zum Nächsten. Überall sind Zuschauer, die sich dieses Schauspiel nicht entgehen lassen wollen. Der Wind ist hart und die Sonne auch. Je nachdem auf welcher Seite der Ridge man gerade läuft, wird man entweder gerillt oder geföhnt.

Die Aussicht auf die schroffen und steilen Lavafelsformationen sind mit Worten nicht zu beschreiben, man muss es einfach gesehen haben. Mir steht jedenfalls der Mund offen vor Staunen.

Die Aussichtsplattform am Roque de los Muchachos ist als Verpflegungspunkt ausgebaut und die klatschenden Zuschauer drücken die Läufer geradezu in den Tunnel am Einstieg.

Es gibt warme Suppe, Nudeln, Obst, freundliche Hände, aufmunternde Worte, Umarmungen und alles, was man sich sonst noch so wünschen kann. Km 52 ist erreicht und über 4000 Höhenmeter hat man ebenfalls im Sack.

Endlich mal nicht mehr bergauflaufen, denke ich mir, aber der nun folgende Downhill hat es in sich, nicht nur wegen seiner 18 km Länge und 2500 Höhenmeter abwärts.

Insbesondere das letzte Stück ist mir vom Vertical K am Donnerstag wohl bekannt, mit bis zu 18,8% Gefälle in einem wirklich technischen Downhill.

Das erste Stück ist noch hochalpin und locker zu laufen. Der verbreitete Irrglaube, dass es ab hier nur noch nach unten geht, stimmt so nicht ganz. Zunächst befindet man sich weiterhin auf rund 2300m und hat noch ein paar kleinere Anstiege zu bewältigen.

Höhenmeter für Höhenmeter und Trail für Trail geht es über verschiedenste Untergründe immer abwärts. 7Km bis zum Ziel des VK, dann weitere 7 bis zum Start des VK, denke ich mir.

Die Strecke führt jetzt auf dem nordöstlichen Grat der Caldera entlang nach unten. Rechts und links geht es steil abwärts. Weiche Wurzelwege und Felsen wechseln sich im Untergrund ab.

Bei ca. 1500 Hm laufen wir für eine kurze Zeit in die Wolkendecke zurück und es legt sich ein feuchter Film auf die Haut. Das tut sehr gut. Sehr schnell ist man beim nächsten VP, El Time, Ziel des VK vom Donnerstag, angekommen. Eigentlich kann man hier gar nicht stoppen, aber rund 63 km verlangen nach Nahrungsaufnahme.

Am Mirador del Time, ungefähr der Hälfte der Strecke des VK und Gipfel der Abbruchkante vor Puerto del Tazacorte, wird es wieder richtig warm. Spanische Kleingärtner an der Strecke haben Schläuche herausgelegt und kleine VP´s aufgebaut. Es gibt Cola, Bier und viel Anfeuerung.

Die letzten 1000 Höhenmeter wird es kontinuierlich heißer. Der letzte Teil des Downhills massiert die Füße und lässt die Oberschenkel brennen.

In Puerto del Tazacorte ist der letzte Verpflegungspunkt und gleichzeitig auch das Ziel der ca. 800 Marathonis. Von denen sind bisher noch keine 40 an mir vobeigelaufen und somit ist die Stimmung hier einfach großartig. Es erinnert sehr an ein Rockkonzert, mit großer Bühne und lauter Musik. Die Strandpromenade ist der Zielkanal und gesäumt von unzähligen Zuschauern.

Hinter dem Marathontor gibt es einen Duschdurchlauf, der ist sehr willkommen.

Die letzten 7 km mit nochmals 400 Höhenmetern stehen an. Zunächst durch den ausgetrockneten Flusslauf des Rio del Taburiente, des einzigen Flusses der Kanaren. Dieser führt direkt aus der Caldera heraus, führt hier am Meer kein Wasser mehr, kann jedoch zu einem tosenden Fluss werden. Das sieht man an den Felswänden, die man rechts und links berühren kann.

Nach ca. 1,5 km führt die Strecke rechts in Serpentinen durch die Bananenplantagen nach oben. Bis zu 20% Steigung in brütender Hitze. Hier ist an Laufen nicht zu denken.

Nach einer gefühlten Ewigkeit gelangt man auf die Prachtstraße in Los Llanos. Ca. 2km lang kann man am Ende bereits einen großen Zielbogen sehen. Auf der halbseitig gesperrten Straße grenzt Café an Café und jedes feiert seine eigene kleine Party, und jeder Läufer ist hier herzlich eingeladen. Es wird getanzt, gesungen, geklatscht und getrunken. Das man hier auf Asphalt läuft, merkt man nicht mehr. Glücksautopilot an.

Die letzten 200m durch die Innenstadt von Los Llanos sind ein ebenfalls unbeschreibliches Gefühl. Es ist laut, bunt, heiß und ich klatsche unzählige Hände ab, auf beiden Seiten des Weges. Nach 10:30:55 erreiche ich als 205. Läufer mit einem breiten Grinsen das Ziel. Damit bin ich gut eine Viertelstunde schneller als im letzten Jahr und sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Man kann einfach auch nicht mehr aus einem Körper herausholen, als man in ihn investiert ;) Daher habe ich bereits nach ca. 1/3 der Strecke das eigentlich geplante Tempo reduziert und mich mit einer Menge Saß durch einen tollen, sportlichen Tag, mit einer Menge Vulkane gebracht. Ca. 7 Stunden werden die letzten Läufer noch brauchen, der 1. ist bereits seit knapp 3,5 Stunden da und trinkt sein Bier.

Tolle Leistung aller Athleten und ein toller Zusammenhalt in der knapp 20-köpfigen D/A/CH-Delegation, die sich mehrfach in dieser Woche zum Grillen und Feiern zusammengefunden hat. Ein toller Spaß und auf jeden Fall ein Rennen, dass man auf seine Bucket-List setzen sollte. Egal, wie schnell man ist, habt einfach Spaß.

Was für eine coole Nummer. La Palma – ich komme wieder.

Die folgenden Bilder können Sie vergrößern, wenn Sie ein Eseltreiber-Abo haben:


Start der Ultrastrecke am Faro de Fulcaliente transportiert. Bis zu 1800 Ultramarathonläufer stehen hier am Start

Hinauf nach Los Canarios...


Am oberen Ende der Serpentinen können hier ausschließlich die Ultraläufer einen Lindwurm aus Lichtern sich den Berg hochschlängeln sehen.

Bajada de El Time

Auf dem Weg zum Roque de los Muchachos

Barrano des Las Angustias

Hoyo Negro

Was für eine coole Nummer. La Palma – ich komme wieder

 

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