Vereinsleben

12.09.2019

IG Metall ehrte 58 Mitglieder für deren 2 450 jährige Treue


60 und 70 Jahre

...von Petra Bordfeld

Weil 14 Frauen und 44 Männer der IG Metall zusammen bereits 2 450 Jahre die Treue halten, lud sie die Geschäftsstelle Süd-Niedersachsen-Harz zu einer Feierstunde in die Stadthalle Osterode ein. Dort wurden sie für ihre 70, 60, 50, 40 und 25jährige Mitgliedschaft gebührend geehrt.

In seinem Grußwort mahnte Sekretär Mirko Richter, dass der immerwährende Auftrag der Gewerkschaften ist, den Menschen die Möglichkeiten zu geben, ihre Interessen nach einem besseren Leben durchzusetzen, weil sie ja nichts Anderes verkaufen können als ihre Arbeitskraft. An diesen Auftrag erinnere man sich am besten, wenn langjährige Mitglieder geehrt werden, die sich dem solidarischen Gedanken verpflichtet fühlen.

Henry Kirch, ehemaliger erster Bevollmächtigter der Geschäftsstelle Alfeld, der das sozialpolitische Profil der IG Metall geschärft und sich in die damaligen regionalen Konflikte der IG Metall eine hohe Kompetenz und Anerkennung verschafft hatte, lud anschließend zu einer Reise durch die Geschichte der Gewerkschaft und der Welt ein.
So erinnerte er daran, dass vor 100 Jahren die erste Rede einer Frau (Marie Juchacz) vor der Nationalversammlung in der Weimarer Republik für Aufsehen gesorgt hatte. 20 Jahre später rückte die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts in den Blick, denn vor 80 Jahren begann der Zweite Weltkrieg.

Entgegen der Auffassung aller Skeptiker, die meinen, die einzige Lehre der Geschichte sei, dass man nichts aus ihr lernen könne, müsse entgegengehalten werden, dass Deutschland ein demokratisches und offenes Land ist, das Menschen aller Religionen Raum bieten kann für eine friedliche Koexistenz. „Wir als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sollten uns gegen Fremdenhass, Antisemitismus und Extremismus stellen. Nur ein friedliches Zusammenleben bewahrt unsere Demokratie“, so Kirch weiter.

Auf die Gewerkschaften eingehend, erinnerte er daran, dass im Oktober 1949 in der noch jungen Bundesrepublik 16 Einzelgewerkschaften einen neuen Dachverband, den DGB, ins Leben gerufen haben.

1958 habe dann in Westdeutschland eine lange Krise der Montanindustrie (Kohlekrise) begonnen, und damit das „Zechensterben“. Im Ruhrgebiet sei dies die bis dahin größte Nachkriegskatastrophe gewesen. Deswegen protestierten bis zu 70.000 Bochumer Bergarbeiter gegen den Import von billiger amerikanischer Kohle und das Zechensterben.

1969 erreichte der Arbeitsmarkt der BRD mit 861.000 offenen Stellen einen Rekord. Über 1,5 Millionen Gastarbeiter und 0,5 Prozent Arbeitslosigkeit waren zu verzeichnen. Es legten aber auch 140.000 Arbeitnehmer in der Stahlindustrie und dem Bergbau, in der Textilindustrie und dem öffentlichen Dienst, die Arbeit nieder, um ihrer Forderung nach Lohnerhöhung und der Vereinbarung von Festbeträgen Nachdruck zu verleihen.

1994 war auch das »Superwahljahr«. Denn 19 mal wurden die Bürger Gesamtdeutschlands an die Wahlurnen gerufen, um die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und von acht Landtagen, die Mandatsträger in den Kommunalvertretungen von neun Bundesländern und die Abgeordneten des Europäischen Parlaments zu wählen. Im selben Jahr wurden aber auch weltweit zahlreiche Kriege geführt. Mehr als 20 Millionen Menschen flüchteten aus Kriegsgebieten in andere Gebiete. Es waren aber auch Konfliktherde zu verbuch, welche die Weichen auf Frieden stellten. Der Redner erinnerte daran, dass Nelson Mandelas African National Congress die ersten freien Wahlen in Südafrika berief.

Damit war Henry Kirch in der Gegenwart angekommen und stellte fest, dass die Skeptiker wohl doch nicht Unrecht haben. Denn bereits seit den 70er Jahren diskutieren die Gewerkschaftsspitzen über die Entwicklung der Integration von Migranten in die Gesellschaft und brachten ihre Forderungen in den 80er und 90er verstärkt in die politischen Entscheidungsprozesse ein. „Im Laufe der Jahre wurden aus den Gastarbeitern oder aus den Migranten aus dem ehemaligen Jugoslawien, der Türkei und Italien vermehrt akzeptierte Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben und Nachbarn in den Stadtteilen“.

Die innergewerkschaftliche Integrationsarbeit entwickelt sich parallel dazu neben dem fortwährenden Engagement gegen Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus zu einem festen Bestandteil der Organisationsarbeit in den Gewerkschaften – vor allem in der IG Metall.
Doch das Misstrauen und eine teilweise Ablehnung von "Fremden" blieben und bleiben auch unter Gewerkschaftsmitgliedern und -funktionären bestehen. „Heute haben wir wieder mehr als in den letzten Jahrzehnten mit Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus zu kämpfen - das leider auch verstärkt in den eigenen Reihen“. Dagegen müsse man mittels Diskussion und Gesprächen etwas tun. Schließlich seien soziale Ungleichheiten der Nährboden für rechte Propagandisten. Er mahnte an, dass insbesondere Kinder und Jugendliche, die ihre soziale und personale Identität erst entwickeln müssen, unter den Bedingungen einer Medien-, Konsum-, Leistungs- und Konkurrenzgesellschaft geraten.

Genau damit gerieten sie schnell in die Fänge der eloquenten rechten Menschenfänger, vor allem besonders dann, wenn die Eltern rechtsextrem denken. Mit Populismus und rechter Meinungsmache versuchten sie, die Menschen für ihre Ideologie zu gewinnen, auch Gewerkschafter. „Dagegen müssen und wollen wir gewappnet sein“. Genau deshalb bräuchte man für die Jugend das Vorhandensein realer Chancen für angemessene Lebensperspektiven, insbesondere eine abgeschlossene Berufsausbildung und einen gelungenen Übergang in den Beruf.

In Deutschland kann den Flüchtlingen ein vorübergehendes oder dauerhaftes Zuhause geboten werden, ohne sie auszugrenzen oder ihnen zu schaden. „Die Wahlergebnisse in Sachsen und Brandenburg haben uns gezeigt, dass der Rechtsextremismus wieder auf dem Vormarsch ist. Ich bin überzeugt, dass eine starke Gewerkschaft mit einem starken Staat und einer engagierten Gesellschaft die besten Antworten auf den ungezügelten Rechtspopulismus sind“.

Abschließend betonte der Redner, dass bei allem Sinn für Tradition und berechtigtem Stolz die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in der langen Geschichte des Kampfes den Blick stets nach vorn gerichtet hätten. „Die Jahrzehnte eures gewerkschaftlichen Engagements zeigen, dass wir stets die Kraft gefunden haben, weiterzukämpfen. Und auf eure Erfahrungen können wir heute aufbauen“.

Danach durften sich die 58 Frauen und Männer über ein kleines ergänzendes Geschenk der IG Metall freuen. Die Freude blieb übrigens, als „Mister Lu und die zauberhafte Anke“ traidtionsgemäß alle mit ihrer Illusionsshow verzauberten.

EHRUNGEN

Für 70 Jahre Mitgliedschaft: Herbert Richter (Goslar)

Für 60 Jahre Mitgliedschaft: Eveline Bergmann (Lutter), Willy Faber (Bad Grund) Frank Fock (Osterode), Rainer Klingemann (Goslar), Gustav Niehus (Osterode), Harald Schacht (Schladen), Hermann Wagenlechner (Seesen) und Siegfried Wagner (Walkenried)

Für 50 Jahre Mitgliedschaft: Heinz-Dieter Berg (Osterode), Brigitte Bittner (Bad Harzburg), Hannelore Bock (Clausthal-Zellerfeld), Horst Czekalla (Borxleben), Faize Dindar (Hattorf), Friedhelm Galla (Bad Grund), Ronald Hohn (Sangerhausen), Jürgen Hüttel (Aschenhütte), Gunter Meyer (Goslar), Hans-Ludwig Mönch (Bad Lauterberg)
Annemarie Nischwitz (Osterode), Jürgen Sablotny (Bad Lauterberg), Wolfgang Schmidt (Osterwieck), Manfred Simanowski (Herzberg) und Herbert Tiller (Osterode)

Für 40 Jahre Mitgliedschaft: Martina Arlt (Bad Grund), Erika Biermann (Goslar), Ingrid Claus (Osterode), Friedrich-Wilhelm Ernst (Osterode), Ulrich Fischer (Osterode), Ute Gerl (Bad Sachsa), Horst Hahn (Herzberg), Silvia Hanisch (Seesen), Kurt Hettling (Seesen), Wolfgang Ihlemann (Herzberg), Bernhard Kutsche (Osterode), Berndt Oppermann (Osterode), Hans Pilz (Goslar), Jutta Pohl (Bad Grund), Hans-Joachim Rieger (Seesen), Ruth Schier (Goslar), Karin Seidler (Langelsheim), Romano Tenchella (Wulften)
Hanno Wolf (Gronau) und Reiner Wolf (Goslar)

Für 25 Jahre Mitgliedschaft: Inge Altekruse-Wedler (Walkenried), Marina Besoke (Hamburg), Björn Gronau (Osterode), Michael Klapprodt (St. Andreasberg), Hans-Werner Klein (Seesen), Thorsten Marquardt (Seesen), Heino Nordmann (Hattorf), Hans-Jürgen Polley (Bad Sachsa), Hans-Jürgen Renner (Hattorf), Bernd Rösnick (Bad Grund), Siegfried Rüth (Seesen), Hardy Seidel (Bad Lauterberg), Thomas Zeiß (Herzberg) und Klaus-Peter Zietlow (Goslar)


40 Jahre

Mirko Richter (re.) überreicht Herbert Richter für 70 Jahre Mitgliedschaft ein Anerkennungspräsent.

Die folgenden Bilder können Sie vergrößern, wenn Sie ein Eseltreiber-Abo haben:


25 Jahre

40 Jahre

50 Jahre

 

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