Panorama

30.07.2019

„Verbeller“ und „Rückverweiser“ retten Leben


Die DRK-Rettungshundestaffeln Region Hannover und Einbeck sowie der Rettungshundeverein Bad Lauterberg trainierten die Flächensuche und lernten sich dabei am vergangenen Wochenende auch näher kennen.

Die DRK-Rettungshundestaffel trainierte am Wochenende die Flächensuche von vermissten Personen im Harz/Ein Schauplatz war ein Wald in Bad Lauterberg und einer im Knesebeckschacht in Bad Grund.

Von Herma Niemann

Bad Lauterberg/Bad Grund/Einbeck/Region Hannover. Die Zungen hecheln, ein freudiger Mix aus Bellen und Quietschlauten ist zu hören, aufgeregte Fellpfoten trappeln vor sich hin und warten förmlich in den Startlöchern. Bis dann endlich das langersehnte Kommando kommt. „Los“ oder „Such“, sind die die Worte, auf die die 17 Hunde am vergangenen Wochenende immer wieder sehnsüchtig gewartet haben.

Und dann sind die Hunde nicht mehr zu halten, verfolgen ihr Ziel, machen gerne ihren „Job“: die Suche nach vermissten Menschen. Die Vierbeiner haben trotz der schon am Morgen hohen Temperaturen freudig auf ihren Einsatz in dem Harzer Waldgebiet in Bad Lauterberg gewartet. So aber auch ihre Besitzer, die Mitglieder der Rettungshundestaffeln des DRK Region Hannover, des DRK Kreisverbandes Einbeck und des Rettungshundevereins Bad Lauterberg, die am Sonnabend in Bad Lauterberg und am Sonntag in Bad Grund die Flächensuche trainierten.

17 „Herrchen“ und „Frauchen“ und 17 Hunde. Aufgeteilt in zwei Gruppen wurden die Übungen jeweils nach den individuellen Stärken des Hundes geprobt. Zu den Übungen am Sonnabend gehörten unter anderem das Anzeigen in Sichtweite mit einer Person, und in der Fläche, wo bis zu zwei Personen in weiterer Entfernung aufgespürt werden mussten. Das Anzeigen von vermissten Personen kann auf zwei unterschiedliche Weisen erfolgen.

„Es gibt die Verbeller und die Rückverweiser“, erklärt die Vorsitzende des Rettungshundevereins Bad Lauterberg, Beate Rippa. Der Verein wird sich demnächst der Rettungshundestaffel des DRK Kreisverbandes Einbeck anschließen. Der „Verbeller“ bleibt in gebührendem Abstand vor Ort bei der gefundenen Person und bellt solange, bis der Hundehalter kommt. Der „Rückverweiser“ läuft stattdessen zurück zu seinem Besitzer und deutet ihm durch sein Verhalten an, dass er etwas Wichtiges gefunden hat. Wichtig beim Training ist, jeden Hund als individuellen Charakter anzusehen, erklärt der Staffelleiter des DRK-Einbeck, Tobias Nolte-Pagel „jeder Hund ist unterschiedlich und für das Training, wie auch im Notfall, ist es wichtig, die Eigenarten zu kennen“.

Manche stünden noch ganz am Anfang, andere seien schon „alte Hasen“, wie er es nennt, die bald ihre erste oder erneute Prüfung ablegen werden. Für die Trainingstage, aber auch für die akute Suche in einem Notfall gilt: Die entsprechenden Waldbesitzer oder -pächter sowie Jagdpächter, Förster oder andere Besitzer des betreffenden Such-Ortes werden über den Einsatz der Rettungshunde informiert, damit es nicht zu Missverständnissen kommt und die Hunde nicht irrtümlich der Wilderei verdächtigt werden. Aus diesem Grund tragen alle Vierbeiner im Einsatz die Kenndecke mit einem Glöckchen und zusätzlich die Marke über die abgelegte Prüfung.

Am Sonntag ist das Region-Hannover-Team unter sich. Es geht nach Bad Grund zur Schachtanlage Knesebeck, die noch Jahre vor der Schließung im Jahr 1992 zur Grube „Hilfe Gottes“ und inzwischen zum UNESCO Weltkulturerbe gehört. Nach einem kurzen Rückblick Übertage in die Jahrhunderte lange Montan-Geschichte, die Museumsführerin Regina Keinert den Gästen erklärte, ging es dann ausgestattet mit Schutzhelmen Untertage weiter. Den Einblick in die Geschichte hautnah in den engen, niedrigen und teils feuchten Stollen der Schachtanlage zu erleben, war für die Rotkreuzler ein spannender Ausflug. Aber auch für ihre vierbeinigen Freunde sei die Tour ein weiterer wichtiger Schritt ihrer Laufbahn als Rettungshunde gewesen, so Peter Grummbach (Landesbeauftragter, Ausbilder und Prüfer des DRK-Landesverbandes Niedersachsen) abschließend.

Die Hunde mussten nicht nur mit ihren „Herrchen“ sondern auch mit ihren „Hunde-Kollegen“ auf engstem Raum auskommen, dazu kam noch der Wechsel zwischen Licht und Schatten, ganz andere Gerüche und die unterschiedlichen Untergründe, denn ein Teil der Strecke bestand aus ausgelegten Rosten. „Das hat sehr gut funktioniert, da können wir stolz auf unsere Hunde sein“. Generell habe man sich extra mal für ein Training im Harz entschieden, da man den Tieren unterschiedliche Landschaften bieten wolle. Es dürfe kein Gewöhnungseffekt einsetzen.

In Niedersachsen gibt es insgesamt acht DRK-Rettungshundestaffeln mit 33 geprüften Teams (ein Hund und ein Besitzer sind das Team).
„Regelmäßiges Training ist natürlich wichtig für die Hunde, aber auch für ihre Besitzer“, betont Grummbach. Grundsätzlich werde zweimal die Woche trainiert, vorrangig das Anzeigen, das Gehorsam- und das Geräte-Training. Am Ende der Ausbildung, nach ungefähr zwei Jahren, steht dann die Prüfung an, die nach den Richtlinien des GemPPO, der Gemeinschaftlichen Prüfer- und Prüfungsordnung, abgenommen wird, damit alle auf demselben Stand sind. Die Ausbildung müssen Mensch und Hund ablegen. Dazu gehört, dass der Hundehalter eine Sanitätsausbildung im Fachbereich Hund ablegt sowie in den Bereichen Karte und Kompass, was in Waldgebieten enorm wichtig ist. Die Hunde müssen mittelgroß und gesund sein. Und sie müssen Spaß am Suchen und Finden haben, egal ob es sich dabei um einen Großpudel, einen Schäferhund oder um einen Boxer handelt. Entscheidend ist der Spiel- und Beutetrieb des Tieres. Alle Hunde sind Privathunde und die Rettungshundehalter machen diese Aufgabe ehrenamtlich. „Wir bieten unsere Dienste kostenlos an“, betont der Landesbeauftragte „das werden wohl die meisten Menschen nicht wissen“.

Ob verwirrte Personen, Wanderer, Spaziergänger oder ein Mensch, der Suizid begehen will – die Hunde sind darauf trainiert, Menschen in abnormalen Haltungen zu orten und dem Hundeführer anzuzeigen. Unverhofft kommt oft, und ein Unfall in unwegsamen Gelände ist schnell passiert. Und dann braucht es Menschen und die dazugehörigen sensiblen Hunde, die solche Personen aus Not- und Gefahrensituationen retten. Das regelmäßige Training sei jedoch nicht mit einer unliebsamen Pflicht, sondern eher mit einem Freizeitvergnügen gleichzusetzen, wie die Rettungshundestaffel-Führerin des DRK Region Hannover, Michaela Komoll, erzählt. Deshalb stand das vergangene Wochenende auch eigentlich eher unter dem Zeichen eines Kurzurlaubes im Harz für Hund und Besitzer. „Wir Hundeführer lernen uns dadurch auch besser kennen, was ungemein nützlich ist, wenn wir einmal bei einem Einsatz zusammenarbeiten müssen“.

Im Gegensatz zu den Mantrailer-Hunden, die auf Individualgeruch gehen und in Straßenzügen und Gebäuden zum Einsatz kommen, können die Flächensuchhunde, die vorwiegend nach Lebendgeruch durch die ausgeschütteten Hormone des Vermissten vorgehen, ein größeres Gebiet abdecken. Ein Hund könne dabei bis zu 30.000 Quadratmeter in weniger als zehn Minuten erfassen. Fast einmalig in Deutschland sei auch in der Region Hannover die eigene Wasserwacht mit Spezialbooten, auf denen die Hunde, mit der Nase ganz dicht an der Wasseroberfläche, ertrunkene Menschen aufspüren können. Damit werde die Arbeit der Polizeitaucher erleichtert, denn in einem Radius von zehn bis 15 Metern können die Vierbeiner die aufsteigenden Hautschuppen des Toten orten.

„Einen vermissten Menschen tot aufzufinden ist keine schöne Sache“, wie Komoll aus eigener Erfahrung berichtet, dennoch erlöse man damit die Angehörigen von der quälenden Ungewissheit. „Schon oft im Einsatz habe ich gedacht: Lieber finde ich den Toten, als eine spazieren gehende Familie mit Kindern“. Für ganz schlimme Unglücke, bei denen bei Angehörigen und Rettungskräften mit Traumata zu rechnen ist, steht die Psychosoziale Notfallseelsorge bereit. Aber Peter Grummbach fasst die Hingabe des Hunderettungsstaffel-Teams zu ihrem Ehrenamt passend zusammen: „Eine Person lebend zu finden, die dann auch noch sichtlich dankbar dafür ist, dass Hilfe kommt, ist unser größter Lohn“.


Der Mischling „Aljoscha“ im Einsatz beim Auffinden einer vermissten Person in abnormaler Haltung.

Das insgesamt 34-köpfige Team, bestehend aus Hunden und deren Haltern, trainierten in zwei Gruppen.

Am Sonnabend ging es durch die Schachtanlage Knesebeck in Bad Grund.

Am Sonntag war die Rettungshundestaffel Region Hannover unter sich und besuchte die Schachtanlage Knesebeck in Bad Grund.

Die folgenden Bilder können Sie vergrößern, wenn Sie ein Eseltreiber-Abo haben:


Bei der Begrüßung: Staffelleiterin Region Hannover Michaela Komoll, Staffelleiter Einbeck Tobias Nolte-Pagel und die Vorsitzende des Rettungshundevereins Bad Lauterberg Beate Rippa (von links).

Die Ausbilder Beatrice Hagin und Peter Grummbach.

Viel lernen muss noch der ein Jahr alte Kelpi „Grisu“. Zwar freut er sich, wenn er jemanden gefunden hat, bellt aber noch nicht ausdauernd.

Beim Anlegen der Kenndecke des Deutschen Rotes Kreuzes.

Nach der Prüfung erhält der Hund eine Plakette. Die bestandene Prüfung hat 24 Monate Gültigkeit.

Hier warteten neue Eindrücke, wie Enge, Licht und Dunkel und das Laufen über Roste, sowohl auf die Herrchen als auch auf ihre vierbeinigen Freunde.

In der Kaue der Schachtanlage...



In der Maschinenhalle Schachtanlage...

Murphy beim Aufspüren einer vermissten Person.

Kommando:Los. Die Übung in Bad Lauterberg fand in einem Waldgebiet statt.

 

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