Regionales / Stadt Bad Lauterberg / Bad Lauterberg

04.07.2019

Erinnerungen an die Notunterkunft


v.l.: Simon Burger, Janka Eckhardt, Lalit Vachani, Olli Becker, Denise Horn.

Filmabend an der KGS Bad Lauterberg mit Lalit Vachnis „Die letzten Tage“

...KKHL - Christian Dolle

Die Rehberg-Klinik in St. Andreasberg wurde einst als Heilstätte erbaut, war später ein Reha-Zentrum und stand dann leer bis sie 2015 zur Notunterkunft für Flüchtlinge wurde. Dieses wurde im Sommer 2016 wieder geschlossen, so dass das Gebäude inzwischen erneut leer steht. Doch über die letzten Tage der Erstaufnahmeeinrichtung gibt es einen Dokumentarfilm von Lalit Vachani, der am Montag in der KGS Bad Lauterberg gezeigt wurde.

Denise Horn und Janka Eckhardt vom Kinderschutzbund bzw. den Johannitern und Pastor Simon Burger für den Kirchenkreis Harzer Land hatten zu diesem Filmabend die Filmemacher, also Regisseur Lalit Vachani und Kameramann Olli Becker, sowie einige ehemalige Mitarbeiter des ASB und Bewohner der Einrichtung und natürlich alle Interessierten eingeladen. Dank des schönen Wetters blieben einige Reihen leer, doch alle anderen bekamen einen Film über eine turbulente Zeit zu sehen, die es so in Deutschland vermutlich nicht wieder geben wird.

Alles war anfangs ziemlich unkoordiniert, berichteten die Mitarbeiter im Film, Spontaneität und Organisationstalent war gefragt. Zudem ging es laut und hektisch zu, doch alle, die dort arbeiteten, wollten in dieser Zeit unbedingt helfen, und diejenigen, die einzogen, waren dankbar für jede Hilfe, die ihnen die Ankunft in Deutschland ein Stück weit erleichterte.

Die Mitarbeiter des ASB und einige Ehrenamtliche schafften es, dass die Rehberg-Klinik wie etliche andere Einrichtungen in diesen Monaten nicht im Chaos versanken. Ein kurdischer Mitarbeiter berichtet, wie er 2012 selbst als Flüchtling nach Deutschland kam und ihm hier ehrenamtlich sehr geholfen wurde. Das war für ihn der Grund, warum er 2015 beschloss, diese Hilfe nun weiterzugeben.

Etwa 1700 Einwohner hat St. Andreasberg, berichtete der Film, nun waren auf einen Schlag doppelt so viele Menschen im Ort. Selbstverständlich waren da viele am Anfang skeptisch, doch als die Geflüchteten schließlich fortzogen, vermissten viele sie auch als gute Kunden in den wenigen Geschäften, die es noch gibt. Am meisten vermissten sie jedoch die Mitarbeiter, denen sie in dieser Zeit eng ans Herz gewachsen waren.

Im Film werden immer wieder Kamerafahrten durch leere Gänge gezeigt, dazu in Rückblenden Fotos von gemeinsamen Aktionen und Festen, so dass die Trostlosigkeit dieser letzten Tage tatsächlich greifbar wird. Mit viel Engagement wurde Ordnung ins Chaos gebracht, all die individuellen Dramen aufgelöst, Freundschaften entstanden, Kinder wurden geboren und dann war all das plötzlich wieder vorbei.

Lalit Vachani ist ein aus Neu Delhi stammender Dokumentarfilmer, der international an verschiedenen Universitäten, so auch in Göttingen, tätig war und ist, wo er zu religiöser Diversität forscht und Seminare zum politischen Dokumentarfilm unterrichtet. Ursprünglich, so erzählte er, wollte er in St. Andreasberg über die Arbeitsabläufe und das Leben in der Erstaufnahmeeinrichtung berichten, doch bis alle Drehgenehmigungen eingeholt waren, stand dort dann schon die Schließung an. Somit wurde es ein völlig anderer Film als ursprünglich geplant.

Durch die Bilder, die an einen Lost Place denken lassen, ist es ein sehr stiller Film, doch einer, der eine große und wichtige Geschichte erzählt. Auf eine Weise zeigt er ein sterbendes Dorf, das von der Zuwanderung hätte profitieren können, ein anderes im Film geäußertes Fazit lautet: „Jetzt, wo wir die Infrastruktur aufgebaut haben, um Menschen zu helfen, schottet sich Europa ab.“

In der anschließenden Diskussion mit den Zuschauern beantworteten Vachani und Becker viele Fragen zum Film, es kam aber auch zum allgemeinen Austausch über die Zeit in der Notunterkunft Rehberg-Klinik. Nasem Kasen berichtete von ihren Erfahrungen als Bewohnerin dort, Anja Münzer als Mitarbeiterin und beide stellten fest, dass es eine schöne und wertvolle Zeit für alle Beteiligten war. Genau das, so Lalit Vachani, habe ihn beim Dreh am meisten beeindruckt, wie sehr die Geflüchteten das Leben der Menschen berührt haben und wie problemlos und schnell alle zusammenwuchsen, weil die Situation es eben erforderte.


Olli Becker, Lalit Vachani

Nasem Kasen und Denise Horn

Anja Münzer

 

Anzeige