Politik / Wirtschaft / Bildung

16.05.2019

„Europa ist manchmal zu vorsichtig“


Viola von Cramon und Jürgen Trittin stellten sich Fragen zur Europawahl

von Christian Dolle

Die Wahl zum Europaparlament steht vor der Tür und die Grünen luden zu einer Diskussionsrunde in der Osteroder Stadthalle. Almut Mackensen konnte zwei prominente Köpfe der Partei begrüßen, zum einen den früheren Vorsitzenden und Bundesumweltminister Jürgen Trittin, zum anderen die ehemalige Bundestagsabgeordnete und jetzige EU-Kandidatin Viola von Cramon, die sich den Fragen der Zuhörer stellten.

Sein Großvater habe im ersten Weltkrieg erbittert gegen Franzosen gekämpft, sein Vater sei in den Krieg gegen Russland gezogen, begann Trittin, vor diesem Hintergrund sei der heutige Frieden in Europa, die Demokratie und Teilhabe keine Selbstverständlichkeit, sondern eine große Errungenschaft unserer Zeit. Allerdings gibt es, so griff von Cramon den Gedanken auf, derzeit viele kleine Gruppen, die die Idee Europas von innen aushöhlen und stattdessen auf Nationalismus und Abgrenzung setzen. Gegen diese Kräfte müsse die EU geschützt werden, was ihrer Meinung nach gerade diese Wahl so wichtig macht.

Europaweite Lösungen mit Deutschland als Vorreiter

Die erneuerbaren Energien sind nach wie vor das Kernthema der Grünen. „Da muss es europaweite Lösungen mit Deutschland als Vorreiter geben“, stellte die Kandidatin ihre Position dar. In ihren Augen ist die Lösung dafür ein Modell, bei dem diejenigen, die viel CO2 produzieren deutlich mehr besteuert werden als diejenigen, die für wenig Ausstoß sorgen. Das grüne Modell entlaste die Kleinen und habe vor allem das Vielfliegen und globale Transportwege im Blick sowie einen Umbau der Landwirtschaft.
„Die Bundesregierung hat aber mit diesen Konzepten nichts am Hut“, kritisierte sie, daher brauche Deutschland den Druck aus Europa. Auf jeden Fall müsse die Klimapolitik von wirtschaftlichen Interessen losgelöst werden. „Die Deutschen sind nämlich nicht in allem die 'guten Europäer' als die sie sich immer darstellen“, warf Trittin ein.

Rückenwind durch neue Bewegungen

In der folgenden Diskussion kamen Fragen zur sozialen Gerechtigkeit, zum europäischen Mindestlohn, zur Rechtsstaatlichkeit osteuropäischer Staaten und vieles mehr auf, zu denen die beiden Politiker ausführlich Stellung bezogen. Am Ende machte Viola von Cramon noch einmal deutlich, dass sie im Augenblick viel Rückenwind für die Politik ihrer Partei spüre, unter anderem auch durch Bewegungen wie 'Fridays for future' und daher glaube, dass die Fraktion durch die Wahl größer werden und daher noch tatkräftiger an der Gestaltung Europas mitwirken könne. Machbar sei vieles, so Trittin, man müsse sich nur trauen. „Europa ist manchmal auch zu vorsichtig“, stellte er fest.

Zu vorsichtig waren offenbar auch viele Osteroder an diesem Abend, denn im Foyer der Stadthalle gab es mehr leere als besetzte Plätze. Das sei allerdings bei Veranstaltungen in anderen Städten auch der Fall, beruhigte Viola von Cramon. Dennoch stellt sich die Frage, wo denn diese neuen an Politik interessierten Bewegungen sind, wenn sie die Chance haben, Politikern auf den Zahn zu fühlen.
Wo sind die jungen Menschen, die freitags für die dringende Wende im Klimaschutz auf die Straße gehen, wo sind all jene, die gegen Artikel 13 bzw. 17 demonstriert haben? Ja, es gibt zum Glück wieder eine junge Generation, die sich für politische und gesellschaftliche Themen engagiert. Doch nun stellt sich die wichtige Frage: werden all diese engagierten Menschen auch zur Wahl gehen und mit ihrer Stimme tatsächlich etwas ändern in Europa?


Almut Mackensen

Viola von Cramon

Jürgen Trittin

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