Kultur

06.05.2019

Mode als sichtbares Symbol des Zeitgeistes


Autorin Julia Kröhn las im Modehaus Rudolphi aus ihrem Roman „Das Modehaus“

von Christian Dolle

Kiera Brennan, Catherine Aurel, Sophia Cronberg, Carla Federico, Kristin Adler und Leah Cohn – all diese Autorinnen waren am Freitag im Modehaus Rudolphi in Bad Lauterberg zu Gast. Sozusagen. All diese Namen sind nämlich Pseudonyme von Julia Kröhn, unter denen sie Bücher aus verschiedenen Genres und bei verschiedenen Verlagen veröffentlicht. In Bad Lauterberg las sie allerdings unter ihrem eigenen Namen, denn unter diesem ist ihr aktuell sehr erfolgreicher Roman „Das Modehaus“ erschienen.

Susanne Kinne von der Buchhandlung Moller hatte die vielbeschäftigte Autorin eingeladen und Heike Kröger mit ins Boot geholt, um die Lesung an diesem so gut zum Buch passenden Ort stattfinden zu lassen. Für Julia Kröhn selbst passte das besonders gut, denn sie hatte bei der Anreise ihren Koffer im Zug vergessen und musste sich nun erst einmal ein neues Outfit für den Abend aussuchen.

Allein mit diesem Geständnis brach sie schon einmal das Eis und nahm das Publikum für sich ein. Musste sie auch, denn was dann folgte, war eine Reise in die 20er, in die 40er und in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhundert. Ihr Roman nämlich erzählt die Geschichte dreier Frauen, die jeweils in ihrer Epoche mit dem fiktiven Modehaus zu tun haben. „In den vergangenen hundert Jahren ist viel geschehen, modisch, aber auch, was die Stellung der Frau angeht“, erläuterte die Autorin.

Fanny, die erste Hauptfigur, entwickelt ein Kleid, das völlig ohne Korsett auskommt und damit einer kleinen Revolution gleichkommt. In der Szene, die Julia Kröhn las, setzt sie sich mit ihrer Mutter, der Chefin des Modehauses auseinander, die im Entwurf der Tochter natürlich den Untergang des Abendlandes sieht.

In der Nachkriegszeit liegt das Abendland dann tatsächlich in Schutt und Asche und die zweite Hauptfigur, Lisbeth, bahnt sich einen Weg durch die Trümmer des Modehauses, wo sie eine Nähmaschine entdeckt. Diese begreift sie als ein Zeichen, nicht aufzugeben, sondern damit einen Neuanfang zu gestalten.

In den wilden 70ern besucht Rieke, dritte Hauptfigur, Enkelin von Fanny und Tochter von Lisbeth, ihre deutlich flippigere Schwester in Paris und kommt dort mit der Mode in Berührung, die fortan auch ihr Leben prägen soll und sie die Geschichte des Modehauses fortschreiben lässt.

Ziemlich viel Stoff für eine einzige Lesung, doch das war von einer gelernten Journalistin, die von Fantasy bis hin zur Irland-Saga ständig neue Herausforderungen sucht, wohl auch nicht anders zu erwarten. Sie habe literarisch schon immer vieles ausprobiert und sich auch schon immer für vergangene Epochen interessiert. „Meine große Leidenschaft für die Geschichte ist mein roter Faden“, sagte sie.

Für diesen Roman verwebt sie nun also Zeitgeschichte und insbesondere die inneren Kämpfe von Frauen in der jeweiligen Zeit mit dem modisch ausgedrückten Lebensgefühl, an dem sich ja vieles ablesen lässt. Ein originelles und interessantes Schnittmuster und, wie die Lesung zeigte, am Ende auch ein Kleidungsstück, das vielen Zuhörern passte. Sozusagen als Accessoire gab es vor und nach der Lesung auch noch Musik von Prof. Dr. Dieter von Borstel und Dr. Stefan Kienzle, so dass bestimmt auch Guido Maria Kretschmer ohne zu zögern zehn Punkte gegeben hätte.



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