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24.01.2019

„An jemand anderen wäre ich die Bude nicht losgeworden“


Nach den Erstaufnahmeeinrichtungen ging es für Flüchtlinge oft in Wohnungen, die sonst niemand wollte

von Christian Dolle

Unsere Gesellschaft hat sich verändert. Auch Osterode bzw. der Südharz hat sich verändert. Wir haben neue Nachbarn bekommen, oft Nachbarn, die anfangs unsere Sprache nicht gesprochen haben und sich hierzulande erst einmal orientieren mussten. Damals sind die Flüchtlinge aus überfüllten Erstaufnahmeeinrichtungen in die Kommunen geschickt worden, die plötzlich Wohnungen bereitstellen mussten. Natürlich wurden dabei Fehler gemacht, schließlich war es für alle Seiten eine aufregende Zeit.

Doch selbst in dieser Phase vieler provisorischer und oft unkonventioneller Lösungen, so scheint es, gab es einige, die die Situation finanziell für sich ausgenutzt haben. Inzwischen sind die Notunterkünfte wie in der Lindenberghalle längst Vergangenheit und die meisten Flüchtlingsfamilien sind auch schon mindestens einmal umgezogen. Viele von ihnen, weil die ersten Wohnungen tatsächlich in einem Zustand waren, der bestenfalls als Provisorium taugte.

Von verschiedenen Flüchtlingen wird berichtet, dass sie mit Schimmelbefall zu tun hatten, die Vermieter dies allerdings auf falsches Lüften schoben und damit alle Verantwortung von sich wiesen. Eine junge Familie aus Syrien war zunächst dankbar, in Osterode eine Wohnung mit Kinderzimmer für die drei Kinder gefunden zu haben. Vom Landkreis gab es seinerzeit ein Plakat in mehreren Sprachen zum Thema richtiges Lüften, das die Familie ebenfalls beachtete. Dennoch kam es schon bald zur Schimmelbildung.

Schimmel in jedem Raum

Anfangs war es eine Ecke im Bad, später dann in fast allen Zimmern inklusive des Kinderzimmers. Auf Beschwerden reagierten die Vermieter unwirsch, beharrten darauf, das falsch gelüftet und zudem tropfnasse Wäsche in der Wohnung aufgehängt werde. Etliche Monate ging es hin und her, die Mieter behandelten sämtliche Stellen mit entsprechenden Mitteln, doch der Schimmel kam immer wieder durch.

Aus Angst um die Gesundheit der Kinder machten sie sich auf die Wohnungssuche und waren damit nicht die einzigen. Bei einer Besichtigung trafen sie sogar auf eine weitere in dem Haus lebende Familie, die angeblich ebenfalls falsch lüftete. Schließlich wurde eine neue Wohnung gefunden, doch die Vermieter beharrten auf der dreimonatigen Kündigungsfrist und wollten wegen der entstandenen Schäden auch die Kaution einbehalten. Eigentlich war das Geld aber für den Umzug dringend notwendig, so dass die Familie schließlich nach Hilfe suchte und ein Anwalt eingeschaltet wurde.

Vermieter stellten sich stur

Dessen Briefe und Vorschläge zur Einigung wurden von den Vermietern ignoriert. Da es in diesem Fall jedoch nicht nur um das Kapital der Familie ging, sondern letztlich ja um öffentliche Gelder, wurde schließlich eine Gutachterin hinzugezogen. Bei einer Hausbesichtigung wurden dieser alle vom Schimmel befallenen Stellen gezeigt, worauf ihr erster Eindruck lautete, wenn es in jedem Raum so aussieht, könne es kaum vom falschen Lüften herrühren.

Anschließend wurde auch der Dachboden in Augenschein genommen, der zumindest nicht nach neuesten Standards gedämmt und vor allem am Boden auffallend feucht war. Das Gutachten fiel somit eindeutig aus, was die Vermieter allerdings immer noch nicht von ihrem Standpunkt abweichen ließ. Gespräche mit Nachbarn ergaben zudem, dass das Haus vor dem Einzug der Flüchtlinge lange leer gestanden hatte und auch davor viele Mieter nach sehr kurzer Zeit wieder ausgezogen waren.

In einer Zeit, in der dringend Wohnungen gesucht wurden und diese auch noch von den Kommunen bezahlt wurden, sahen manche Vermieter offenbar ihre große Chance. Dass sie dabei nicht nur den Flüchtlingen, sondern letztlich auch der Allgemeinheit schadeten, sahen sie vermutlich nicht. Zumindest ist dies nach Recherchen des Eseltreibers bei weitem kein Einzelfall. Viele Flüchtlingsfamilien beklagten sich über den Zustand der ihnen zuerst zugeteilten Wohnungen und einige mutmaßten, dass dort kein Deutscher eingezogen wäre. Eine Bestätigung gab es dann auch von einem Vermieter, der unumwunden – natürlich anonym – zugab: „Ja klar, an jemand anderen als an Flüchtlinge wäre ich die Bude nicht losgeworden.“

Die folgenden Bilder können Sie vergrößern, wenn Sie ein Eseltreiber-Abo haben:


Keine Sorge, es sind nur Symbolfotos...

... ganz so schlimm sah es dann doch nicht aus ;-)

 

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