Regionales / Stadt Osterode / Förste/Nienstedt

28.11.2018

Eine uralte Höhle hatte viel zu erzählen


...von Petra Bordfeld

Dass „Migration“ in dieser Region schon vor mehr als 3 000 Jahren ein Thema war, machte Kreisarchäologe Dr. Stefan Flindt während eines Vortragsabends deutlich. Zu dem hatte die Heimatkundliche Dorfgemeinschaft Förste/Nienstedt in den Saal des Gasthauses „Zum Schwarzen Bären“geladen.

Und eine sehr große Zahl an Bürgern mehrerer Generationen wollte sich diese Information nicht entgehen lassen. Denn in ihrem Mittelpunkt stand die Lichtensteinhöhle, die ein Bestattungsplatz einer wohlhabenden Großfamilie aus der Bronzezeit gewesen ist.

Bevor aber die Reise in die Vergangenehiet angetreten wurde, hieß Ortsbürgermeister Bernd Fröhlich in der Funktion als erster Vorsitzender des Initiators alle aufs herzlichste willkommen. „Auch wenn die Lichtensteinhöhe aus den Weltschlagzeilen raus ist, sollten wir über Dinge sprechen, die vor der Haustür liegen“.
Dr. Flindt betonte, dass es ihn sehr freue, endlich auch mal in Förste sprechen zu dürfen. Dann öffnete er noch einmal die Tür der Ausgrabungen, welche bereits für fünf Jahren geschlossen wurde. Er erinnerte daran, dass Werner Binnewies im letzten Jahrtausend den Anstoß gegeben habe, am Nordwesthang des Lichtensteins nach einem Tunnel zu suchen. Genau das ließen sich die drei junge Männer Harry Peinemann, Dieter Friebe und Udo Wagner nicht zweimal sagen. Sie machten sich 1972 auf die Suche und sollten statt eines Tunnels eine von Natur geformte Höhle finden.

Forscher wurden neugierig und wollten in die Höhle hinein kommen. Doch schon nach 50 Metern sollte erst einmal Schluss sein. Da sie aber einen schwachen Luftzug verspürten, stand fest, dass es weiter gehen müsste. So erfolgte mit viel Geduld und noch mehr Geschick eine acht Meter lange Forsetzung, an deren Ende Menschenknochen und ein kleiner Bronzering gefunden wurden.

So kam ans Licht, dass es sich bei dem ersten Fund um einen Bestattungsplatz einer Großfamilie aus der Urnenzeit – 1200 bis 800 vor Christus - handelte. Neben menschlichen und tierische Knochen, Metall und Pflanzen habe man aber auch Keramik und Schmuckteile entdeckt, welche unter anderem aus dem südöstlichen Harz und dem Kyffhäuser stammten.

Nach und nach wurden neben diversen, flachen Räumen der unterschiedlichsten Größe auch in ihnen verteilte Knochen von Erwachsen, Jugendlichen und Kleinkindern gefunden, die sich in einem außergewöhnlich guten Zustand befanden.
Es blieb aber auch ein Höhlenraum nicht unentdeckt, der zum Wohnen hätte genutzt werden können, so Dr. Flindt weiter. Denn die unebenen Böden und Felsabsätze wurden begradigt, und einige Bereiche erweitert, die zu eng zum bequem durchkommen waren.

Weiter habe man diverse Feuerstellen gefunden, die aufzeigten, dass die Höhle genutzt wurde. Ebenfalls entdeckte Keramischerben sowie Schmuck und Gebrauchsgeschirr zeigen letztendlich auf, dass dort andere Kulturen aufeinander trafen. Besonders ins Auge gefallen sei ein Gefäß, das dem Vergleich mit Meißner-Porzellan Stand halten könne. Es stammte allerdings aus dem östlichen Harzland, wo derartige hochwertige Arbeiten verbreitet waren.

Gegen Ende der Bronzezeit hätten die Menschen diese Bleibe wohl aufgegeben, Verwitterungselemente seien Zeugen dafür, dass sie anschließend als Bestattungsraum für 30 Menschen genommen wurde.

2008, genau einen Tag nach der Einweihung des HöhlenErlebnisZentrums Bad Grund, habe man endlich erste Hinweise zum realen Höhlen-Zugang gefunden. Spaten wurden geschwungen und fantasievolle Leiterkonstruktionen eingesetzt. Damit sollte der Weg mühsam freigelegt werden. Allerdings stellte sich die große Entdeckung in fast beklemmender Enge dar, wo aber erfreulicher Weise Bronze-Arbeiten gefunden wurden. Das waren Hakenspiralen, die zur thüringischen Frauentracht gehörten, und Zierscheiben. „Diese Objekte müssen damals eine richtige Pracht gewesen sein“. Es müsse schon zu der Zeit Beziehungen gegeben haben, wenn auch „nur“ kulturell.
Das sei der Beweis dafür, dass es schon damals Migration gegeben hat. Ein weiterer Beweis dafür sei ein Gefäß, die sogenannte Lappenschale, die es nur in der Norddeutschen Tiefebene und in den Niederlanden gegeben hat. Vielleicht war es auch Importgut.

Kulturelle Einflüsse seien aber auch direkt aus dem Kyffhäuser und der Goldenen Aue zur Lichtensteinhöhle gekommen. 80 Kilometer seien auch zu der Zeit schon zurückzulegen gewesen.

Bereits 1985 begann aber die Aera des genetischen Fingerabdrucks. Damit konnte 100prozentige Erfolge erzielt werden. Mittlerweile habe man Reste von 70 Menschen identifiziert. „Damit steht fest, dass wir den bedeutendsten Gen-Pool der Welt gefunden haben“. Denn anhand wichtiger Isotope habe man auch erkennen können, wer von den Menschen zugeszogen oder heimisch war.

Allerdings sei man noch nicht vollends zufrieden. Es müsse nämlich zu der Lichtensteinhöhle noch eine Siedlung gegeben haben. Aber wo war sie? Auch großflächige Ausgrabungen hätten keine Antworten gebracht. In jedem Falle habe auf dem Lichtenstein ein Herrschaftssitz gestanden, auf dem sozial bevorrechtigte Menschen lebten, die politisch, wirtschaftlich oder religiös was zu sagen gehabt und den Lichtenstein als Grabplatz genutzt hatten. Sie finanzierten ihr Leben wohl mit Handel und Zoll, außerdem dürften sie die Bauern zur Kasse gebeten haben. Hauptgrund der Niederlassung wiederum dürften die Salzquellen in Förste gewesen sein, deren Fund sich letztendlich bis ins Kyffhäuser herumgesprochen hatte. Man habe zwar viel entdeckt und viele Antworten gefunden, aber leider stünden noch immer nicht wenige Frage im Raum.

Die folgenden Bilder können Sie vergrößern, wenn Sie ein Eseltreiber-Abo haben:


 

Anzeige