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19.11.2018

Möglichkeiten der Vielfalt diskutiert


Podiumsdiskussion (v.l.n.r.): Moderatorin Sybille Bertram, Radio ffn, Almut Mackensen (Interreligiöse Frauengruppe), Harald Dietzmann (Bürgermeister Gemeinde Bad Grund), Isa Sandiraz (Organisator und Integrationsbeauftragter des Landkreises Göttingen) sowie Gudrun Kirchhoff (Difu-Berlin)

Die Integrations- und Demografiekonferenz in der Stadthalle war ein voller Erfolg.

von Ralf Gießler

"Wir hatten im Vorfeld mit deutlich weniger Teilnehmern gerechnet. Jetzt kamen so um die einhundertfünfzig, einige sogar spontan ohne Anmeldung, ich bin wirklich sehr zufrieden." So äußerte sich Isa Sandiraz, Veranstaltungsorganisator und Integrationsbeauftragter des Landkreises Göttingen über die Konferenz, die am 10. November in der Stadthalle über die Bühne ging.

Sie war unter dem Motto "Vielfalt macht's möglich - mit Integration den demografischen Wandel gestalten" auf die besonderen Problemlagen der ländlichen Regionen zugeschnitten. Chancen und Herausforderungen der Integrationsarbeit in Verbindung mit dem demographischen Wandel sollten ausführlich diskutiert werden.

Bevor mit Kreisrat Marcel Riethig der erste Redner ans Mikrofon trat, stimmte ein Bläserduo der Kreismusikschule die Anwesenden musikalisch ein. Riethig stellte anschließend fest, dass gerade der ländliche Raum von der Zuwanderung profitieren könne: "Menschen, die von außen in unsere Dörfer kommen, setzen neue Impulse, ich sehe da Chancen, zum Beispiel bei der Bewältigung des Problems des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels." Natürlich gebe es auch Risiken, denn nicht alle Neubürger hielten sich an die Regeln. "Was das Thema Integration anbelangt, bin ich weder ein Schwarzmaler, noch zu euphorisch, bekenne mich aber klar dazu. Für mich ist diese Konferenz ein Mutmachergipfel!"

Für die Stadt Osterode begrüßte Peter Wendlandt als stellvertretender Bürgermeister. Er freute sich, dass so viele Gäste auch von weit außerhalb Göttingens gekommen sind und unterstrich die Wichtigkeit des Treffens: "Der demographische Wandel ist bei uns voll angekommen. Hatten wir in 2005/2006 noch 900 Grundschüler, schrumpfte die Zahl auf jetzt 600. 2015 sind gut 450 Menschen zu uns gekommen, viele davon blieben hier." Lutz Peters, Herzberger Bürgermeister, sagte in seinem Grußwort, dass die Migration nach Deutschland schon seit Jahrzehnten ein Thema sei. Im Altkreis Osterode habe sich die dezentrale Verteilung der Zugezogenen bewährt. Ängste auf Seiten der Migranten und der Bevölkerung müssen ernst genommen werden. "Wir brauchen Mutmacher statt Wutmacher", so Peters Credo. Annette Widmann-Mauz, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, meinte per Videobotschaft aus Berlin, dass der Titel "Vielfalt macht's möglich" ein wunderbares Motto sei: "Ihre Konferenz stellt die richtigen Fragen!"

Als erste Referentin hielt Gudrun Kirchhoff, Difu-Berlin, einen Fachvortrag über Migration, Integration und demografischer Wandel im ländlichen Raum. Sie stellte fest, dass demografischer Wandel und Fachkräftemangel den Diskurs zu Migration und Integration verändert haben. Letzteres sehe sie als gesamtgesellschaftliche Zukunftsaufgabe. Näher ging sie auf die Merkmale und Potenziale des ländlichen Raums ein. Die Integration als Handlungsfeld der Verwaltung entwickele sich in kleinen Städten erst allmählich und sei bisher kaum als Querschnittsthema verankert. Sie schlug u.a. vor, die Integration mit anderen wichtigen Zukunftsaufgaben im Rahmen einer kommunalen Entwicklungsstrategie zu verknüpfen.

Prof. Dr. Alexander Kenneth Nagel, Religionssoziologe der Universität Göttingen, erläuterte, wie sich die Religionslandschaft durch Zuwanderung verändert (hat) und stellte sieben Thesen zur Kultivierung religiöser und kultureller Vielfalt in ländlichen Räumen vor. "Religiöse Prägungen kommen häufig vor allem als Integrationshindernisse in den Blick, können aber auch eine Ressource für gelingendes Ankommen sein." Religiöse Migrantenorganisationen stellten gerade auf dem Lande oft die einzigen Migrantenselbstorganisationen dar und seien daher wichtige Ansprechpartner für eine kommunale Politik der Teilhabe.

Für Schwung sorgte nach den Vorträgen die Darbietungen der Musikgruppe um Wolfgang Kahl, die erst nach einer Zugabe vom Podium entlassen wurde. Seit circa eineinhalb Jahren spielen sie neben türkischen auch deutsche Volkslieder zur Freude aller. Im Erzählcafe kamen Mitbürger mit und ohne Migrationserfahrung zu Worte. So berichtete beispielsweise Almut Mackensen von den gemeinsamen Unternehmungen der interreligiösen Frauengruppe in Osterode und betonte die Wichtigkeit des gemeinsamen Tuns. Ein ehemaliger Flüchtling lobte die tolle Nachbarschaft und Hilfsbereitschaft in seiner neuen Heimat Schwiegershausen. Auch die latente Ausländerfeindlichkeit bei Spätaussiedlern wurde bemängelt. Isa Sandiraz, selbst 1989 als Student aus der Türkei nach Deutschland gekommen, meinte rückblickend, dass der Integrationsprozess nicht immer geradeaus verlaufe.

Am Nachmittag teilten sich die Besucher in fünf Workshopgruppen auf, in denen intensiv verschiedene Aspekte besprochen wurden. In der abschließenden Podiumsdiskussion griff man auf diese erarbeiteten Ergebnisse zusammenfassend zurück. Es wurden Positivbeispiele wie der Badenhausener Fußballverein genannt, der bewusst auf junge Menschen zugegangen ist. Es gebe keine Patentlösungen, auch müsse man Zeit und Geduld haben. Mehr Flexibiliät, wie zum Beispiel bei Ausbildungsprüfungen, war einer von vielen geäußerten Wünschen in Richtung Politik. Weitere Förderungen von Einrichtungen wie das "Henry" in Osterode oder die Zukunftswerkstatt in Herzberg seien wichtig.

Aufgrund des Veranstaltungserfolges schloss Isa Sandiraz eine Wiederholung zu gegebener Zeit nicht aus. Bleibt zu hoffen, dass dann noch etwas mehr Vertreter aus der Politik den Weg in die Stadthalle finden.


Motto der Veranstaltung

Die Musikgruppe um Wolfgang Kahl (Kreismusikschule) unterhielt die Besucher mit türkischen Liedern

Ein ehemaliger Flüchtling, der mit Frau und fünf Kindern vor dem sogenannten Islamischen Staat nach Deutschland geflohen ist, berichtete während des Erzählcafes im nahezu perfektem Deutsch über die fantastische Aufnahme in der neuen Heimat Schwiegershause

Beispielhaft für alle Gruppen wurde im ersten Workshop -Ankommen und bleiben - aber wie?- vieles erarbeitet

Die folgenden Bilder können Sie vergrößern, wenn Sie ein Eseltreiber-Abo haben:


Kreisrat Marcel Riethig vom LK Göttingen

Erste Referentin war Gudrun Kirchhoff, Difu-Berlin

Zweiter Referent war Prof. Dr. Alexander Kenneth Nagel, Religionssoziologie Georg-August-Universität Göttingen






 

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