Kultur / Rezensionen

12.11.2018

Schlaglichter auf eine bewegte Zeit


Bad Sachsaer Autor Rainer Otte schrieb mit „Aufstand und Abflug“ ein nicht ganz leicht konsumierbares Buch

von Christian Dolle

Achtung: Dieses Buch fordert seine Leser. Historisch, philosophisch und auch literarisch. Doch das ist keinesfalls ein Grund, es nicht zu lesen. Ganz im Gegenteil, denn wer sich auf Rainer Ottes Roman „Aufstand und Abflug“ einlässt, wird mit einer interessanten Reise ins Jahr 1982 und in die Gedanken, Befürchtungen und Erwartungen einiger Menschen, überwiegend Studenten, belohnt.

Während in Westeuropa darum kämpfen, diese Welt nach ihren Vorstellungen zu gestalten, ist der Frieden in Polen und Israel deutlich bedroht und es wird klar, wie schnell alle vermeintliche Sicherheit auf den Abgrund zusteuern kann. Und es geht um einen Mann, der aus politischer Gefangenschaft gerettet werden soll, mit viel Idealismus, ständig begleitet von Unsicherheit und am Ende durch einen waghalsigen Trick.

Manchmal scheint es als dürfe das Buch ruhig mehr erklären, um es seinen Lesern nicht allzu schwer zu machen. Die einzelnen Kapitel sind aus dem Blickwinkel der zwölf Protagonisten geschildert, spielen mal in Holland, mal in Italien und erzählen von Erinnerungen an die Zeit des Faschismus ebenso wie von studentischem Lebensgefühl. Es ist mitunter anstrengend, den Blick auf das Ganze beizubehalten, doch das ist nur konsequent. Durch diesen Aufbau wird die Geschichte zu einem Mosaik, das sich vielleicht nicht sofort als Bild erschließt, dafür aber sehr intensiv und voller Leerstellen ist.

Der Grund hierfür ist sicherlich beim Autor selbst zu suchen. Schließlich ist Rainer Otte Philosoph und Wissenschaftsjournalist, schrieb für renommierte Magazine und veröffentlichte vor allem Sachbücher. Doch auch in seiner Romantrilogie „Buchuntergänge“, die in Bad Sachsa – dort lebt Otte auch – spielt, zeigte er, dass er ein Faible für besondere literarische Formen hat. So erzählte er in jenem Werk drei auf den ersten Blick höchstens durch den Ort miteinander verbundene Geschichten, die zu unterschiedlichen Zeiten spielen, dann aber doch ein Ganzes ergeben, das mehr ist als die Summe seiner Einzelteile.

Ähnlich ist es auch mit „Aufstand und Abflug“, das dazu auffordert, langsam und genau zu lesen und immer wieder offene Fragen aufzuwerfen scheint. Gerade das ist aber nun einmal das Ziel von Literatur und führt schließlich dazu, Parallelen zur Gegenwart und zu aktuellen Problemen zu ziehen oder historische Zusammenhänge herzustellen, die in diesem Schlaglicht auf ein Stück Zeitgeschichte immer offensichtlicher werden. Am Ende entpuppt es sich als ein intelligenter Roman, vielleicht nicht für jedermann geschrieben, doch in einer Zeit vieler sehr schnell konsumierbarer Bücher durchaus beachtenswert.

 

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