Kultur / Rezensionen

11.08.2018

Aktenzeichen XY für die Youtube-Generation


Julian „Jarow“ Hannes überzeugt mit einem Buch über wahre, ungelöste Kriminalfälle

von Christian Dolle

Ein junger Mann aus Norddeutschland fährt in den Sommerurlaub. Dort gerät er eines Abends in Streit mit deutschen Fußballfans, es kommt zu einer Schlägerei, der junge Mann muss in einem Krankenhaus behandelt werden. Durch die Behandlung dort kann er seinen Rückflug nicht antreten und muss noch einmal in einem günstigen Hotel einchecken. Von dort aus ruft er später seine Mutter an, deutet an, dass er sich vor irgendetwas fürchtet und teilt ihr mit, sie ließen ihn nicht gehen.

Diese Geschichte ereignete sich tatsächlich und ist ein bis heute ungeklärter Kriminalfall, wie es viele gibt. 13 dieser Fälle schildert Julian Hannes in seinem Buch „Die Welt ist böse“. In kurzen Kapiteln schildert er den eigentlichen Fall, anschließend die Mutmaßungen von Polizei und Medien und gibt am Ende eine kurze eigene Einschätzung ab.

1,8 Millionen Fans auf seinem Kanal

Julian Hannes ist Youtuber, dort besser bekannt unter dem Namen Jarow, und präsentiert auf seinem Kanal überwiegend mysteriöse Geschichten, Theorien über Geister und manchmal Kurzkrimis zum Mitraten. Damit erreicht er immerhin 1,8 Millionen Fans, die seinem Kanal folgen. In einem Video berichtet er auch über jenen jungen Mann, über den er später auch in seinen Buch schreibt. Von dem gibt es nämlich Kameraaufnahmen vom Flughafen, wo man ihn panisch flüchten sieht, ohne dass ein Grund dafür erkennbar ist.

Genau wie in den Videos geht es in den Geschichten im Buch um solch unerklärliche Geschichten, die manchmal wirken wie eine Art „Aktenzeichen XY“ für die Youtube-Generation. Erfreulich daran ist, dass sie durchweg seriös und sachlich geschrieben sind, sämtliche Spekulationen auch deutlich als solche bezeichnet und an Argumenten überprüft werden.

So beispielsweise auch im mysteriösen Fall einer Wandergruppe, die im Jahr 1959 in einem russischen Gebirge auf bis heute unerklärliche Weise verunglückte und seinerzeit wilde Verschwörungstheorien über versehentlich entdeckte Atomversuche der jungen Leute oder gar Angriffe unbekannter Kreaturen hervorrief.

Der Wahrheit weiter nachgehen

Auch diesen Geschichten nähert sich der Autor sachlich und schafft es damit, den Leser umso mehr zu fesseln und dazu zu bringen, sich eigene Gedanken zu machen und vielleicht im Internet zu einigen Fällen zu recherchieren. Nun ist Julian „Jarow“ Hannes literarisch sicher kein Ausnahmetalent – muss er ja auch nicht, er ist schließlich Videoproduzent. Auch darf vielleicht kritisch gefragt werden, welcher Anteil des Buches auf den Autor und welcher auf das Lektorat zurückgeht. Doch in der Wirkung erreicht er durchaus manchmal ein ähnliches Gefühl wie Ferdinand von Schirach in seinen wahren kriminalistischen Kurzgeschichten.

„Die Welt ist böse“ ist durchgehend spannend, die Fälle regen nicht selten dazu an, der Wahrheit noch weiter nachzugehen und damit hat es alles, was es braucht, um gut zu unterhalten. Noch dazu zeigt es auf, dass auch in unserer modernen Welt immer und überall Dinge passieren, die wir nicht erklären können. Und allein diese Erkenntnis ist die 13 wahren, ungelösten Kriminalfälle wert.


 

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