Kultur

17.07.2018

Zuhören und Mitdenken unverzichtbar


Poetrykonzert mit Jonnes, Marco Michalzik und Julian Wynter

von Christian Dolle

„Heute diskutieren wir wieder über Sachen, von denen ich dachte, dass sie nie wieder diskutiert werden müssten“, sagt der Poetry-Slammer Marco Michalzik in einer Zeit, in der Bundesminister zynische Witze über Abschiebungen machen und laut einer Umfrage ein nicht unerheblicher Teil der Europäer gegen die Rettung von Flüchtlingen aus dem Mittelmeer ist.

Gerade in solchen Zeiten ist es wichtig, dass die Kunst Position bezieht und mit klarer Stimme spricht. Das tut Marco Michalzik seit vier Jahren gemeinsam mit dem Sänger und Songwriter Jonnes, mit dem gemeinsam er das Poetrykonzert entwickelte. Dahinter verbirgt sich im Grunde nichts weiter als eine moderne Kombination aus gesprochenen und gesungenen Texten, eben eine Mischung aus Poetry und Konzert.

Besonders ehrliche Texte

Wie das funktioniert, davon konnten sich Besucher der Osteroder Stadtbibliothek am vergangenen Freitag überzeugen, denn dort waren Jonnes und Marco Michalzik gemeinsam mit dem Musiker Julian Wynter zu Gast. Schon in dessen Einstimmung auf den Abend wurde deutlich, dass Zuhören und Mitdenken an diesem Abend unverzichtbar war.

„Ich schreibe zwar keine Poetry-Texte, aber hin und wieder versuche ich in meinen Texten besonders ehrlich zu sein“, erläuterte Julian und präsentierte unter anderem seinen Song „Fragezeichen“, in dem er über Jesus singt, der Antworten für unser Leben gibt und eben keine Fragezeichen stehen lässt. Gerade auf diesen Song bekomme er viel Resonanz und über ihn oft mit Menschen ins Gespräch, sagte der 20-Jährige hinterher.

Um persönliche Glaubenserfahrungen und die großen Fragen des Lebens geht es auch in den Texten von Jonnes und Marco. So stellte Jonnes beispielsweise einen Text vor, der auf Joseph von Eichendorffs „Mondnacht“ basiert, da ihn die Zeile „Und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus“ schon in der Schule begeisterte. „Jetzt habe ich sozusagen gemeinsam mit Joseph von Eichendorff einen Song gemacht“, freute er sich.

Zwischenraum zwischen Kultur und Kirche

„In meinen Texten geht es oft um Gott, weil ich mich daran abarbeite und es besser auf die Reihe kriege, wenn ich darüber schreibe“, bekannte Marco. Besser auf die Reihe bekam er durchs Schreiben so beispielsweise auch einen Text, der die Beweggründe eines Flüchtlings, Boote, die an Europas Küsten stranden und unsere Angst um unseren Wohlstand verarbeitet. Immerhin sei es nur Zufall, auf welcher Seite der Grenze wir geboren werden.

So nachdenklich die Texte auch waren, besserwisserisch, schwülstig oder belehrend waren sie nie. Alle drei Künstler verstehen es bestens, jene Gedanken, die sie umtreiben, in persönlichen, unverbrauchten Worten auszudrücken und damit auf ihre Zuhörer absolut authentisch zu wirken. Damit erreichen sie vielleicht nicht das große Massenpublikum, doch sie haben ihre eigene Nische gefunden, in einem „Zwischenraum zwischen Kultur und Kirche“, wie Marco es ausdrückte. Und viel wichtiger noch, es ist ihnen an diesem Abend gelungen, dass einige noch lange über das Gehörte nachdachten und wirklich bewegt waren.




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