Regionales / Harz

02.05.2018

Krieg und Hoffnung, Licht und Schatten


Lesung mit Lichtkunst in der St. Salvatoris-Kirche Zellerfeld

...Mareike Spillner KKHL

Um „Engel der Geschichte – Macht und Gegenmacht“ ging es am Freitagabend in der St. Salvatoris-Kirche Zellerfeld. Denn zum zweiten Mal ging die Reihe „Kirchenkunststückchen – Kirche macht Sinn“ mit verschiedenen Aktionen und Veranstaltungen der Kirchen im Oberharz, besonders in Zellerfeld, an den Start. So öffneten sich die Türen von St. Salvatoris wieder für Lichtinstallationen von Nikola Dicke, Osnabrück/Amsterdam, und eine Lesung des Radiomoderators Helge Heynold aus Frankfurt am Main.

Pastorin Dr. Sybille C. Fritsch-Oppermann, Beauftragte für Tourismus, Kultur und Öffentlichkeitsarbeit im Oberharz, und Pastor Andre Dittmann konnten dazu einige Besucher begrüßen, die fasziniert die Installationen der Künstlerin im Seitenflügel der Kirche bestaunten. Durch die Worte des hr2-Moderators wurden sie in eine längst vergangene Zeit versetzt. Eine Zeit des Krieges, der Schuld und des Unrechts, der Leichen und KZ-Baracken, aber auch der trotz alledem präsenten Hoffnung auf Befreiung und Freiheit.

Schon bei der Begrüßung hatte Fritsch-Oppermann es angesprochen: „Die Antithese von Gut und Böse braucht zu ihrer Heilung mehr als die Synthese der klassischen Philosophie. Sie braucht Menschen, die den Brüchen in ihrem Leben, in der Geschichte, in der Welt, ins Gesicht sehen – und hören – und schweigen – und, nicht zuletzt mit Hilfe der Kunst, stückweise erkennen – und miteinander reden.“

So las Helge Heynold zunächst in und später vor der Kirche weiter aus Primo Levis autobiografischem Bericht über seinen elfmonatigen Zwangsaufenthalt im KZ Auschwitz III Monowitz „Ist das ein Mensch.“ Über vier Friedensboten zu Pferd unter schweren Pelzmützen und einige Überlebende, von denen, unbändig erschöpft, nur wenige ins Gebet verfielen. Licht und Schatten, die oft nah beieinander liegen. Und die an die Kirchenwand geworfenen Illustrationen kündeten parallel dazu von Schrecken, Schönheit und Schmerz. „Und auf dem Tor der Sklaverei waren noch immer die Worte zu lesen: Arbeit macht frei“, schloss Heynold.

Draußen vor der Kirche erinnert eine Stele an den Todesmarsch von etwa 450 KZ-Häftlingen erzählte, die sich vom Kloster Brunshausen bei Bad Gandersheim in Richtung Wernigerode begaben und am Abend des 5. April 1945 Zuflucht in Zellerfeld fanden. Die Marschkolonne wurde dabei von den SS-Wachen auf der Flucht vor den alliierten Truppen brutal über den Harz getrieben. In der Kirche fanden sie in der Nacht Zuflucht. Am nächsten Morgen wurden auf dem Weitermarsch bis zur Stieglitzecke 21 Häftlinge aus Frankreich, Russland und Italien erschossen.

So tauschten die nachdenklich gestimmten Teilnehmer immer wieder Platz und Perspektive, wanderten bei zunehmender Dunkelheit und immer heller werdenden Farben der Installationen drinnen und draußen von der Kirche nach draußen und zurück.

Und zu späterer Stunde tauschten sie sich bei Wein und Brot über das Erfahrene und Erlebte aus – und draußen blieben viele Passanten stehen und fragten nach. Sie nutzen die Gelegenheit, mit Nikola Dicke und Helge Heynold ins Gespräch zu kommen, diese traurige Epoche der Zeitgeschichte, aber dazu auch die wunderschöne Zeichnungen der Künstlerin auf sich wirken zu lassen.






 

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