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29.03.2018

Umstrittenes Tanzverbot


Umfrage im Harzer Land zum stillen Feiertag Karfreitag

...KKHL - Christian Dolle

„Tanzverbot? Sowas gibt es?“, fragte die junge Angestellte einer Kneipe in Clausthal-Zellerfeld, bevor sie hinzufügte: „Das sollte man aber auf jeden Fall brechen.“ Auch viele andere, insbesondere Jüngere, dachten bei diesem seltsam veraltet klingenden Begriff eher an den gleichnamigen Youtuber als an Karfreitag. Dabei ist das Tanzverbot ein in ganz Deutschland geltendes Gesetz, in Niedersachsen und damit auch im Harzer Land sogar ganztägig.

In einer Umfrage in Bad Lauterberg, Clausthal-Zellerfeld, Duderstadt und Osterode wollten wir von Passanten, Gastronomen und auch Geistlichen mehr dazu erfahren. Was bedeutet den Menschen im Harzer Land der Karfreitag und wie stehen sie zum Tanzverbot?

Auch Ata und Dogukan, Studenten aus Clausthal, wissen nichts vom Tanzverbot am Karfreitag. Wohl aber wissen sie, dass Jesus Christus an diesem Tag am Kreuz gestorben ist, und wenn dann Christen an diesem Tag im Gedenken daran nicht tanzen, wollen auch sie sich hier daran halten. „Das hat doch mit dem Respekt anderen Religionen gegenüber zu tun“, sagen sie. Damit greifen sie manch anderen Aussagen vor, denn nicht selten war zu hören: „Die fordern doch auch, dass wir ihre Religion akzeptieren, also müssen die sich hier in Deutschland auch an unsere Regeln halten.“ Wer „die“ eigentlich sind, wurde dabei nicht immer eindeutig definiert.

Doch zunächst einmal zu den Fakten: Der Karfreitag gilt in Deutschland als sogenannter „stiller Feiertag“. Daher sind bei uns alle „Veranstaltungen in Räumen mit Schankbetrieb, die über den Schank- und Speisebetrieb hinausgehen; öffentliche sportliche Veranstaltungen; alle sonstigen öffentlichen Veranstaltungen, außer wenn sie der geistig-seelischen Erhebung oder einem höheren Interesse der Kunst, Wissenschaft oder Volksbildung dienen und auf den ernsten Charakter des Tages Rücksicht nehmen“ verboten, wie es im Niedersächsischen Gesetz über die Feiertage (NFeiertagsG) heißt.

Nils Janssen, 28 Jahre, aus Duderstadt ist nicht so der Kirchgänger, wie er sagt. Aber er findet: „Es ist schön, dass wir an Karfreitag frei haben und die Zeit für uns genießen können.“ Das Tanzverbot spielte auch vor einigen Jahren keine Rolle für ihn. „Dann habe ich mich eben zu Hause mit Kumpels getroffen – uns hat das nichts ausgemacht.“ Kathrin Malorny, 40 Jahre, ebenfalls aus Duderstadt hingegen ist christlich erzogen. „Bei uns wurde der Kreuzigungstag immer traditionell, mit Bedacht und Ruhe gemeinsam in der Familie verbracht. Es gab kein Fleisch und keine Süßigkeiten – und das behalte ich bis heute so bei. Nur den Verzicht auf Musik und Fernsehen kann ich bei meinen Kindern irgendwie nicht durchsetzen…“, sagt sie schmunzelnd. In ihrer Jugend habe ihr das Tanzverbot aber doch etwas ausgemacht. „Dann haben wir uns getroffen und Mitternacht entgegengefiebert, damit wir losziehen konnten.“

In dem Alter sind die Enkelkinder von Ingrid Scherger aus Clausthal-Zellerfeld noch nicht. „Früher habe ich das vielleicht mal anders gesehen, aber heute habe ich kein Problem mit dem Tanzverbot“, sagt sie, „Ich freue mich einfach auf einen Feiertag mit der Familie und ich denke, meine Enkel auch.“ Die drei nicken eifrig. Die Zeit mit der und für die Familie steht auch für Simone und Fabian Lüken an erster Stelle am Karfreitag. „Unsere Zeit ist so schnelllebig, da ist es gut, sich mal zu entschleunigen und deshalb finde ich das Tanzverbot am Karfreitag gut“, sagt sie. Entschleunigen ja, aber danach trifft sich Fabian dann doch noch mit Freunden zum Zocken.

Für Karl Heinz Hausmann aus Osterode ist Karfreitag ein wichtiger Feiertag und auch, dass Christus ans Kreuz geschlagen wurde, hat für ihn eine Bedeutung. „Allerdings finde ich ein Tanzverbot nicht gut, weil es Ärger schüren kann und weil Verbote immer provozieren“, sagt er. Die Wahrnehmung dieses Tages könnte ohne ein Verbot positiver sein, so seine Vermutung. Ganz anders sieht es Siggi Stauda, für den dieser Tag der Besinnung äußerst wichtig ist. „Man muss ja nicht ausgerechnet an diesem Tag feiern, das Jahr hat dafür genug andere Tage“, sagt er.

Leider werde es nicht respektiert, stellt Monika Lakemann fest. „Wir wohnen neben einer Kneipe und dort hält sich niemand an das Tanzverbot“, beklagt sie. Für sie selbst hingegen ist der Karfreitag ein wichtiger Tag, früher, weil sie frei hatte, heute, weil sie ehrenamtliche Arbeit in einem Altenheim leistet und die Besuche dort ihr sehr wichtig sind.

Gastronom Khali Jouini, 47 Jahre, aus Bad Lauterberg betreibt drei Bars in der Kneippstadt. Er hat für das Tanzverbot an Karfreitag kein Verständnis. „Ich halte davon als Muslim nichts – so wie die Mehrheit meiner Gäste. Gesetzlich muss man es respektieren und darf nur leise Hintergrundmusik spielen, das ist klar. Aber als Gastronom ist dieses Gesetz wirklich umsatzschädlich. Selbst die Jugendlichen sind davon nicht begeistert und würden eine Änderung begrüßen. Karfreitag hat für sie keine Bedeutung.“

Probst Bernd Galluschke aus Duderstadt findet deutliche Worte für seine persönliche Bedeutung von Karfreitag: „Karfreitag ist für mich der stärkste Beweis der Liebe Gottes zu mir: Er stirbt für mich und nimmt alle Sünde auf sich. Einfach unglaublich. Und dann ist der Tag die Erinnerung: zur Freude neuen Lebens kommen wir nicht am Schmerz vorbei - nur durch den Schmerz, Wunde hindurch! Und bei allem ist Jesus mit uns solidarisch!“ Welche Rolle das Tanzverbot für ihn spielt? Auch da eine klare Stellungnahme: „Ich meine der Gesellschaft tut Entschleunigung gut! Ein stiller Tag könnte dies spüren lassen. Noch sind wir knapp über 50% Christen. Aber schon heute ist es schwierig mit dem Karfreitag ein Tanzverbot zu begründen. Daher bräuchte es eine mehrfache Begründung für eine Akzeptanz. Also grundsätzlich Ja zum Tanzverbot.“

Ganz ähnlich klingt es bei Pastorin Dr. Sybille Fritsch-Oppermann aus Clausthal-Zellerfeld. „Für mich persönlich ist Karfreitag der wichtigste kirchliche Feiertag, nicht einmal nur theologisch als Vervollkommnung der Menschwerdung Gottes, sondern ganz persönlich und emotional“, sagt sie. Das Tanzverbot sieht sie allerdings kritisch. „Es ist eine ungute Vermischung von Kirche und Staat. Es wäre schön, wenn man Menschen für Stille begeistern kann, ohne ein Verbot auszusprechen. So ist es ein 'Zwangschristentum'.“


Fabian und Simone Lüken

Ingrid Scherger und ihre Enkelkinder

Karl-Heinz Hausmann

Khali Jouini

Monika Lakemann

Nils Janssen

 

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