Politik / Wirtschaft / Bildung

09.03.2018

Klimawandel im Harz


Dr. Friedhart Knolle und Daniel Wehmeyer zu einem Thema, das auch uns betrifft

von Christian Dolle

Der Marktplatz in Goslar unter Wasser, das konnten sich viele bis zum Juni vergangenen Jahres nicht vorstellen. Doch der andauernde Starkregen machte den Harz zum Katastrophengebiet. Im Januar dieses Jahres fegte dann Sturmtief Friederike über die Region hinweg und sorgte für massive Schäden. Normale Wetterextreme oder Anzeichen des Klimawandels?

Für den Geologen und Naturschützer Dr. Friedhart Knolle eindeutig letzteres und ein deutlicher Weckruf, dass Klimaschutz nicht nur etwas für globale Gipfel, sondern ein Problem direkt vor der Haustür ist.

Auf Einladung der Grünen sprach Dr. Knolle gemeinsam mit dem Landwirt Daniel Wehmeyer im Eulenhof in Hörden über die Folgen des Klimawandels im Harz und mögliche Maßnahmen, die wir dringend ergreifen sollten. Friedhart Knolle ist im Harz kein Unbekannter, gebürtiger Goslarer, Mitgestalter des Nationalparks Harz und versierter Kenner des Harzes über und unter der Erde. Daniel Wehmeyer ist Biobauer, bekannt für sein Harzer Rotes Höhenvieh und für sein Konzept der ökologischen Landwirtschaft mit dem Ceres-Award, sozusagen dem „Oscar der Landwirtschaft“, ausgezeichnet.

„Der Klimawandel hat uns voll eingeholt“, machte Knolle deutlich. Starkregen im oben genannten Ausmaß sei inzwischen alle zwei Jahre zu verzeichnen, stellte er fest. Zudem liefere die Klimastation auf dem Brocken eindeutige Daten zum Temperaturanstieg. Die ist immerhin seit 1848 in Betrieb und zeigt damit eine der ältesten Messkurven weltweit auf, eine Kurve, die stetig und deutlich nach oben geht. Auch am Maitrieb der Fichte, der immer früher zu verzeichnen ist, lasse sich der Wandel ablesen.

Eindeutig vom Menschen verursacht

Die Natur im Harz sei durch die steigenden Temperaturen durcheinandergebracht, was sich auf die Baumartenverteilung und viele andere Aspekte auswirkt. Gerade im nicht durch Forstwirtschaft verfälschten Nationalpark könne man diese bedenkliche Entwicklung immer und überall sehen. Mit den schneearmen Wintern wirkt sich der Klimawandel vor Ort letztlich auch auf den Tourismus und somit direkt auf die Menschen aus.

„Als Naturschützer möchte ich eigentlich gerne mal Unrecht haben“, sagte Knolle, „aber meist ist der Pessimismus realistischer.“ So werde gerade im Klimawandel viel falsch dargestellt und heruntergespielt, die Sonne sei Schuld und nicht etwa ein drastischer vom Menschen verursachter CO2 -Anstieg. Das jedoch sei inzwischen unumstritten und leider auch unumkehrbar. „Wir hätten 50 Jahre früher reagieren können, aber wir haben es nicht getan“, bedauerte Knolle.

Weiterhin kommen dank der höheren Temperaturen jetzt Vögel in unsere Breiten, die es früher hier nicht gegeben habe und die den so wichtigen Bienen schwer zu schaffen machen. Die weiteren Folgen dieser Entwicklung sind also durchaus absehbar und geben wenig Anlass zum Optimismus. Was können wir also tun, damit sich Überschwemmungen wie im vergangenen Jahr nicht wiederholen und die Auswirkungen nicht noch dramatischer werden?

Die Natur braucht Raum

„Ich komme ja aus dem Widerstand gegen die Talsperren“, leitete Knolle ein und stellte fest, dass die keine Lösung seien. Wasserarmut stehe uns irgendwann bevor, doch gehe es vielmehr darum, Überschwemmungsgebiete festzusetzen, Auen freizuräumen und dafür zu sorgen, dass Wasser nach Starkregen abfließen kann. Ein Modellprojekt hierzu gebe es bereits, das sogenannte „Integrierte Gewässer und Auenmanagement Oker im nördlichen Harzvorland“ (IGAM), das nicht nur ein ganzheitlicher Ansatz im Blick auf die Umwelt, sondern auch ein Zusammenwirken aller politischen Instanzen ist. Davon verspreche er sich eine Menge, weil eben auch jeder Entscheider mit ins Boot geholt wird.

Etwas kleiner, aber nicht weniger weitblickend stellt sich Daniel Wehmeyer dem Klimawandel, zunächst einmal auf seinem Hof. „Ich kümmere mich intensiv um meine Regenwürmer“, lautete seine im ersten Moment vielleicht erstaunliche Kernaussage.

Bio macht auch ökonomisch Sinn

Der Klimawandel wirke sich deutlich auf die Landwirtschaft und auf die Nahrungsmittelindustrie aus, stelle er fest. Zudem machte er gerade bei den letzten Starkregenfällen immer wieder die Erfahrung, dass seine Nachbarn auf ihren Böden mit dem nicht abfließenden Wasser zu kämpfen hatten, während seine Felder, auf denen er auf die natürliche Drainagefunktion der Regenwürmer setzt, deutlich mehr Regen aufnehmen konnten und er damit deutlich weniger in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Er führte diesen Ansatz noch weiter aus, insgesamt der einer ökologischen Landwirtschaft, die dafür sorgt, dass Böden nicht für den schnellen Profit alle Nährstoffe entzogen werden, sondern ohne ein Übermaß an Gülle auskommen. Letztlich auch aus ökonomischer Sicht die bessere Variante, da nicht so viele teure Düngemittel angekauft werden müssen, und somit der Erfolg in der Region bleibt und nicht in viel größere Wirtschaftskreise fließt.

„Den Kapitalabfluss aus dem ländlichen Raum habe ich nicht mehr ertragen, darum bin ich Biobauer geworden“, schlug er am Ende den Bogen von den Regenwürmern doch wieder zum großen Ganzen. Viola von Cramon, Politikerin, aber eben auch studierte Agrarökonomin, lobte seine Ausführungen als „revolutionäre Gedanken“, und auch andere Zuhörer wollten sich gerne noch viel ausführlicher mit all diesen Zusammenhängen zwischen Landwirtschaft, Klimaschutz und Politik auseinandersetzen. Bleibt also nur zu hoffen, dass diejenigen, die letztlich Entscheidungen treffen, so handeln, dass die Kurve zu einem weitsichtigen und vernünftigen Umgang mit der Natur noch rechtzeitig zu schaffen ist.



Die folgenden Bilder können Sie vergrößern, wenn Sie ein Eseltreiber-Abo haben:




Viola von Cramon

Friedhart Knolle und Daniel Wehmeyer

 

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