Regionales / LK/Stadt Göttingen

30.01.2018

"Eine statistisch unwahrscheinliche Häufung"


Landkreis Göttingen untersucht ungewöhnlich hohe Zahl von Krebsfällen in Petershütte

von Christian Dolle

Hinweisen aus der Bevölkerung zufolge gibt es in Petershütte eine ungewöhnlich hohe Zahl an Krebserkrankungen. Rüstungsaltlasten werden als mögliche Ursache vermutet. Die Gesundheitsbehörden gehen dem nach und seitens des Landkreises Göttingen gab es am gestrigen Montag eine Pressekonferenz, die die bisherigen und die weiteren Maßnahmen darstellte. Bis jetzt sei alles durchaus noch „im Rahmen des Normalen“, so der Tenor. Auf Nachfrage wurde dann aber auch auf die Hinterlassenschaften der ehemaligen Sprengstofffabrik Werk Tanne bei Clausthal-Zellerfeld hingewiesen.

Doch von Beginn an: Aufgrund der ersten Hinweise wurden Falllisten erstellt und ausgewertet, erläuterte Dr. Eckart Mayr die Vorgehensweise es Landkreises. Da es für solche Fälle Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes gibt, wurden zunächst einmal etwa 17.000 Todesbescheinigungen aus dem Zeitraum zwischen 1992 und 2016 auf Hinweise zu Krebserkrankungen untersucht. „Die liegen handschriftlich vor und wer die Handschriften von Ärzten kennt, kann erahnen, dass das eine sehr aufwendige Sache ist“, so Mayr.

Wenig aussagekräftige Daten

Auf dieser Datengrundlage stellte sich heraus, dass in Petershütte in diesem Zeitraum bei 59 von 166 Verstorbenen eine Krebserkrankung dokumentiert war. Noch genauer wurde dann auf sogenannte Glioblastomen – der häufigste bösartige Hirntumor bei Erwachsenen – untersucht. Als Risiken hierfür gelten genetische Faktoren, Röntgen- bzw. Gammastrahlen und eventuell Handynutzung sowie gewisse chemische Risikofaktoren.

An dieser Stelle übernahm Michael Hoopmann von Niedersächsischen Landesgesundheitsamt und erläuterte, das bei den Krebsfällen insgesamt keine signifikante statistische Erhöhung vorliege, bei den Glioblastomen allerdings durchaus. Man habe es hier mit einer „statistisch unwahrscheinlichen Häufung“ zu tun, die jedoch aufgrund der geringen Fallzahl zunächst einmal wenig aussagekräftig sei. Zudem sei über die Risikofaktoren wenig bekannt, so dass man erst einmal nicht von einer Korrelation sprechen könne. Um der Sache auf die Spur zu kommen, sollen nun Interviews mit den Betroffenen bzw. ihren Hinterbliebenen geführt werden und Gutachten erstellt werden.

Abwässer aus dem Werk Tanne

Erst auf eine Nachfrage hin, wurde dann erläutert, mit welchen Fakten die festgestellten Krebsfälle denn überhaupt korrelieren könnten. Ganz konkret wurde nach dem Werk Tanne gefragt, jener Fabrik, in der die Nationalsozialisten seinerzeit TNT hergestellt hatten. Auch hierzu hatte der Landkreis eine Präsentation vorbereitet. Das Werk Tanne war damals eine der größten Sprengstofffabriken in Deutschland, die Abwässer wurden zunächst im näheren Umfeld abgeleitet, später allerdings auch über eine Abwasserleitung in die Bremke. Später wurde dann festgestellt, dass die Schadstoffbelastung über die Flüsse bis nach Hannover zu spüren war und das weiterhin Abwasser in den Karstuntergrund auch im Raum Petershütte sickerte.

In den 1970er und 80er Jahren wurden verschiedene Gutachten erstellt, neuere zeigten aber, dass die Bremke inzwischen nicht mehr belastet ist. Wie es sich mit dem Grundwasser im Karst verhält, kann nicht so eindeutig belegt werden. Hier könnten sich gesundheitsgefährdende Stoffe durchaus weiter ausgebreitet haben. Die Maßnahmen des Landkreises sehen jetzt jedenfalls vor, die damaligen Gutachten nach neuesten Erkenntnissen und mit aktuellen Methoden zu verifizieren. Fördermittel des Landes wurden dazu bereitgestellt.

Ein Zusammenhang zwischen beiden Themen, so wurde betont, sei aber nicht zwingend.


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Dr. Eckart Mayr

Michael Hoopmann

 

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