Panorama

09.01.2018

Senegalesischer Way of Life


Junior-Lehrer unterrichten ihre jüngeren Mitschüler

von Jörg Hüddersen

Am dritten, vierten und fünften Tag änderte sich für die Delegation aus Osterode, die gerade eine Anbahnungsreise für eine Städtefreundschaft mit Kaolack im Senegal absolviert, so langsam das Bild der Stadt. Standen anfangs noch die ärmlichen Behausungen, die vielen kleinen und kleinsten Geschäfte, die uralten Fahrzeuge und der allgegenwärtige Schmutz im Vordergrund, so traten dahinter mehr und mehr die Menschen in den Vordergrund, die trotz aller Beschränkungen versuchen ihr Leben zu gestalten und die Gäste aus dem fernen Europa überall mit Freundlichkeit und Herzlichkeit empfingen.

Ein Projekt aus der Partnerschaft mit dem Tilman-Riemenschneider-Gymnasium schaute sich die Delegation am Nachmittag des dritten Tages an: die Junior-Lehrer. Hier helfen Schüler mit Bestnoten aus den höheren Klassen ihren jüngeren Mitschülern beim Verstehen des Unterrichtsstoffes. Die Delegation konnte erleben, wie wieder mit viel Disziplin vier Juniorlehrer im gleichen Raum vor vier Tischreihen standen und zeitgleich Mathematik, Französisch und andere Fächer unterrichteten und trotzdem eine konzentrierte Arbeitsatmosphäre in der Klasse herrschte. Diese Idee wurde in Osterode gemeinsam von Deutschen und Senegalesen entwickelt und ermöglicht sowohl Kindern, die das Lycée Valdiodio besuchen als auch Kindern anderer Grundschulen einen zusätzlichen Unterricht.

Ein weiteres Projekt, das innerhalb der Schulpartnerschaft entstanden ist, stand am Morgen des vierten Tages auf dem Pogramm: das Tennisprojekt. Hier haben die Schüler verschiedene Übungen zum Erlernen des Tennissports entwickelt, die u.a. das Ballgefühl fördern sollen. Das Training findet am Sonntagmorgen statt und gibt den Schülern an diesem unterrichtsfreien Tag eine sinnvolle Freizeitgestaltung. Die Gruppe aus Osterode wurde schnell in das Spiel einbezogen und die Sprachbarriere war sofort vergessen. 

Nachmittags gings es an den Stadtrand. Der erste Stopp war an einer Wasserstelle, wo aus einem etwa 18m tiefen Brunnen Wasser mit Kanistern hochgeholt und dann mit Eselskarren an die Kunden geliefert wird. Obwohl es in Kaolack durchaus ein Wasserversorgungssystem gibt, wird das Brunnenwasser nachgefragt, weil es weniger salzig als das aus der öffentlichen Leitung ist. Zum Erstaunen der Delegation empfing sie ein gut gebildeter junger Mann, der dieses kleine Unternehmen leitete und sich sogar auf Englisch mit den interessiert nachfragenden Gästen unterhalten konnte.

In der Nähe der Wasserstelle wohnt Herr Bassirou, ein Freund des Deutschlehrers Elhadj Diouf, der die Delegation seit ihrer Ankunft in Dakar durchs Land und zu den vielen Terminen begleitet. Herr Bassirou ist als junger Mann nach Frankreich ausgewandert und hatte sich dort gut integriert. Er arbeitete als Übersetzer bei Gericht und hatte ein gutes Gehalt in Frankreich. Trotzdem ist er nach gut einem Jahrzehnt wieder in den Senegal zurückgekehrt, um sich um seine alte Mutter und seine Kinder kümmern zu können. Seinen Lebensunterhalt verdient er heute mit einem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb, in dem er Obst anbaut und Hühner hält. Von dem Verkauf der Produkte leben nun 40 Personen. Für ihn seien die Beziehungen zu seiner Familie immer wichtiger gewesen als wirtschaftlicher Wohlstand, erzählte Herr Bassirou den sichtlich beeindruckten Europäern, denen klar war, dass er hier in sehr einfachen Verhältnissen lebt, die sich kaum mit denen in Frankreich vergleichen lassen.

Direkt neben dem Anwesen von Herrn Bassirou erlebte die Gruppe im Sonnenuntergang noch, wie Nomaden ihre Zebu-Rinder für die Nacht zusammentrieben und gemolken haben. Es stellte sich heraus, dass sie vorher wohl noch nie Europäer gesehen hatten. Trotzdem gab es keine Berührungsängste und sie ließen sich gern bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen.

Die Osteroder Delegation besuchte am fünften Tag ihres Aufenthalts erneut das Lycée Valdiodio, um mit dem Schulleiter, Monsieur Fall zusammenzutreffen. Dort übergab Karin Thiele eine Spende von 3.000 €, die in verschiedenen Projekten des Tilman-Riemenschneider-Gymnasiums gesammelt wurden. Das Geld soll von den Deutschlehrern verwaltet und für die Schüler eingesetzt werden. Fall hob die Bedeutung der Kooperation mit dem Tilman-Riemenschneider-Gymnasium hervor und lobte die seriöse und umfangreiche Arbeit seiner Deutschlehrer. Anschliessend hatte die Delegation Gelegenheit, in verschiedenen Klassen zu hospitieren und zum Beispiel am Deutschunterricht teilzunehmen.

Beim anschließenden Termin in der Schulinspektion hatte die Delegation Gelegenheit, dem dortigen Generalsekretär Monsieur Komé noch einmal die Wichtigkeit und die Erfolge der Schulpartnerschaft darzulegen und insbesondere die Rolle hervorzuheben, die Elhadj Diouf als senegalesischer Mit-Initiator des Projekts für das Gelingen hat. Positiv wirkte die Größe und Besetzung der Delegation auf die anwesenden Autoritäten, die darin ein Zeichen der breiten Verankerung der Partnerschaft in Osterode am Harz erkannten. Auch die bereits angebahnte Unterzeichnung eines Papiers zwischen der Stadt Osterode am Harz und dem Département (Landkreis) Kaolack machte Eindruck und so sicherte die Schulinspektion ihre volle Unterstützung zu. Vorgeschlagen wurde die Gründung eines Komitees, das sich in Kaolack um die Partnerschaft kümmern soll. Gemeinsam will man an die senegalesischen Behörden herantreten, um Probleme wie beispielsweise bei der Erteilung von Ausreisegenehmigungen zu lösen. Das Ziel, hier Menschen zusammenzubringen und nicht einfach nur Hilfsgelder zu verteilen wurde offensichtlich seitens der Schulinspektion verstanden.

Damit gehen ereignisreiche Tage in Kaolack zu Ende. Am Nachmittag besuchte die Gruppe noch das Gericht und versuchte, einen Einblick in die Erdnussproduktion zu bekommen, was aber aufgrund nicht anwesender Entscheidungsträger misslang. Nun steht noch ein Tag in Dakar bei der deutschen Botschaft und dem Goethe-Institut an, bevor es am Abend zum Flughafen und in der Nacht zu Mittwoch zurück nach Deutschland geht. Fortsetzung folgt ...


Fußballspieler auf dem Schulhof des Lycée Valdiodio

Die Gäste wurden mit gehissten Fahnen begrüßt

Tennistraining am Sonntag: ein Projekt, das zusammen mit Osteroder Schülern entwickelt wurde

Beim Sport bricht schnell das Eis und die Sprachbarriere spielt keine Rolle mehr

Straßenszene in Kaolack

Bürgermeister Klaus Becker beim Hochziehen eines Wasserkanisters an einer Wasserstelle

Mit einem Eselskarren wird das hochgeholte Wasser an die Kunden ausgeliefert - für ca. 10 Cent pro Kanister

Der Gemüsegarten von Herrn Bassirou

Passionsblume: bei uns Zierpflanze, im Senegal werden Passionsfrüchte geerntet

Ingo Eppenstein im Garten von Herrn Bassirou

Ein typisches senegalesisches Firmenschild

Zebu-Rinder werden von am Stadtrand lebenden Nomaden am Abend zusammengetrieben

Überall begeistern sich die Kinder fürs Fotografieren

V.l.n.r. Herr Bassirou, Almuth Mackensen, Jörg Hüddersen

Melken am Abend

Spendenübergabe am Lycée Valdiodio

Die Schule hat über 4.400 Schüler, die in mehreren dieser langgestreckten Gebäude unterrichtet werden

Besprechung bei der Schulinspektion von Kaolack

Lastwagen beladen mit Säcken voller Erdnüsse, die hier in 2 Fabriken verarbeitet werden

Einfachste Hütten gegenüber der Erdnussfabrik

 

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