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27.09.2017

Auf den Spuren nächtlicher Flugkünstler


In der Dämmerung werden die Stangen mit den feinen Netzen aufgebaut, in denen die Fledermäuse landen, dann abgenommen, registriert oder neu beringt werden.

Mehr über das Verhalten und der größe der Fledermauspopulation am Iberg erfahren.

von Herma Niemann

Freitagabend, 18.30 Uhr, das Licht wird langsam dämmriger. Dennoch ist das Wetter an diesem Freitag ausgesprochen ideal, es ist trocken, nicht zu warm und nicht zu kalt. Nach und nach kommt ein Auto nach dem anderem auf dem Parkplatz vor dem Höhlenerlebniszentrum an, wo sich an den Wochenenden zwischen August und Oktober immer eine kleine Gruppe engagierter Tierschützer des NABU (Naturschutzbund) trifft, um die Fledermaus-Population am Iberg oberhalb von Bad Grund zu erfassen.

Ausgerüstet mit warmen Jacken, Campingstühlen, Eimern, Stangen und feinen Netzen, geht es zunächst einige Kilometer hoch in den Iberger Wald zu einer Erdhöhle. So langsam geht auch die Sonne unter und es wird versichert, dass es bald losgehe.

An diesem Freitag sind vom NABU Wolfgang Rackow und David Anderson (beide Osterode), Carola Anders und Yorck Müller-Dieckert (beide Northeim) sowie Reinhard Koch (Thüringen) mit von der Partie, zusammengeschlossen in der Interessengemeinschaft Fledermausschutz Südniedersachsen. Als die Stelle im Wald erreicht ist, werden als erstes die Stangen in die Ecken positioniert, auf etwa vier Meter Höhe ausgefahren, die Netze ausgebreitet und der Fledermaus-Detektor aufgestellt.

Bei einer Einstellung von rund 90 Kilohertz kann man die Tiere hören, bevor sie zu sehen sind, denn der Detektor wandelt die Rufe der fliegenden Säugetiere in Schallwellen niedriger Frequenz um, die in den Hörbereich des Menschen fallen. Und tatsächlich dauert es nicht lange bis die erste Fledermaus ins Netz geht. Es ist eine junge Wasserfledermaus, die vorsichtig aus dem Netz genommen und mit einem Ring markiert wird. Erstaunlicherweise verhält sich kleine Flugakrobat recht ruhig und lässt sich problemlos von Anderson und Müller-Dieckert unter die Lupe nehmen.

Der Ring wird an dem sogenannten Unterarm angebracht. Dabei muss der Ring lose angebracht werden, damit er hin und her rutschen kann und das Tier beim Flug nicht behindert. Damit sich die gefangenen Tiere von dem Stress erholen können, werden sie nach kleinen und großen Tieren getrennt in verschiedene dafür vorgesehene Behälter gesetzt und später wieder frei gelassen.

Hintergrund der Aktion ist, dass durch den Kauf von rund 10 Hektar Land durch die Fels Werke Münchehof, zwei Höhlen als Quartiere für die Fledermäuse verloren gegangen sind. „Das waren gute Winterquartiere für die Tiere, die ihnen jetzt fehlen“, erklärt Wolfgang Rackow, der schon seit 33 Jahren im NABU mitwirkt.

Voruntersuchungen des Geländes in Bezug auf eine mögliche Beeinträchtigung der Flora und Fauna in dem Gebiet genehmigten den Kauf, wodurch jedoch quasi im Gegenzug im Jahr 2004 ein Langzeit-Monitorin mit Unterstützung der Fels Werke entstanden ist, um das Verhalten der Fledermäuse zu erforschen, das noch bis 2019 laufen wird. Dabei wirken die Mitglieder des NABU ehrenamtlich mit, gegen eine Aufwandsentschädigung von den Fels Werken. Jahrelang wurde das Projekt auch von dem Berliner Gutachter Dr. Haensel begleitet, der in der Bundesarbeitsgruppe und im Bundesfachausschuss Fledermausschutz Deutschland im NABU saß.

Seit 2006 werden die Flugkünstler nun auch durch den NABU registriert, das sind seitdem mehr als 4500 Tiere. Dabei werden Alter, Art und Geschlecht bestimmt, und mit der Beringung der Ort festgehalten. Die Markierungszentrale in den alten Bundesländern ist das Alexander König Museum in Bonn und in den neuen Bundesländern die Fledermaus-Markierungszentrale Dresden. Bei der jährlichen Erfassung am Iberg trifft die Gruppe dabei immer wieder auf alte Bekannte, die teilweise auch einen weiten Weg von mehr als 250 Kilometern zurückgelegt haben.

„Viele der Tiere sind sehr Ort streu und kommen immer wieder zu ihrem bevorzugten Winterquartier zurück“, so Rackow. Eine registrierte Fledermaus, die sie immer mal wieder vor Ort antreffen, ist bereits sieben Jahre alt. In diesem Jahr sei das Wetter jedoch für die Erfassung überwiegend ungünstig gewesen, sagt David Anderson. Habe man sonst in dem gesamten Zeitraum bis Oktober rund 500 Tiere erfasst, waren es bis zum vergangenen Freitag gerade mal 150.

An dem Freitagabend sind die Bedingungen jedoch sehr günstig für das Team, bis 2 Uhr morgens gehen ihnen noch 104 Tiere ins Netz. Darunter ist auch eine seltene Teichfledermaus wie auch eine Fransenfledermaus, die die Interessengemeinschaft bereits 2006 gefangen und an gleicher Stelle markiert hatte. „Auch wenn 2019 Schluss mit dem offiziellen Monitoring ist, werden wir trotzdem weitermachen“, so Rackow „damit tragen wir dazu bei, die Quartiere der Fledermäuse zu schützen“.

Fledermäuse (Microchiroptera)
Sie sehen aus wie Mäuse und können fliegen. Doch der Schein trügt, denn tatsächlich sind die nachtaktiven Flugakrobaten viel näher mit dem Igel und dem Maulwurf verwandt. Fledermäuse sind Säugetiere und gehören zur Ordnung der Fledertiere (Chiroptera). Weltweit gibt es etwas mehr als 1200 Fledertiere. Davon sind ungefähr 950 Fledermäuse und der Rest Flughunde. In Deutschland sind insgesamt 24 Fledermausarten heimisch. Der Name bedeutet eigentlich „Flattermaus“. Zwischen den vier Fingerknochen und dem Körper spannt sich die Flughaut der Fledermäuse. Am Vorderrand des Flügels schaut nur der Daumen als Kralle hervor. Handflügler (Chiroptera) lautet deshalb ihr wissenschaftlicher Name.


Nach dem Fang werden die Tiere nach Größe in entsprechenden Gefäßen aufbewahrt, um Stress abzubauen, bevor sie wieder freigelassen werden.

Als erste ging am Freitag eine junge Wasserfledermaus ins Netz, die anschließend mit einem Ring ausgestattet wurde.

Die Beringung der nächtlichen Flugkünstler erfolgt am Unterarm. Der Ring muss sich dort frei bewegen können, damit er die Tiere im Flug nicht behindert.

Die folgenden Bilder können Sie vergrößern, wenn Sie ein Eseltreiber-Abo haben:






Bechsteinfledermaus am Iberg

 

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