Kultur / Rezensionen
05.07.2025
Also sprach Golem
Roland Lange traf Peter Grandl auf der Leipziger Buchmesse
Mit „Reset“ ist Peter Grandl wieder bei Mordsharz zu Gast
von Christian Dolle für Mordsharz
Kannst du Fake News immer erkennen? Was ist mit KI-generierten Bildern oder Videos? Woher willst du wissen, was echt ist und was nicht? Das sind Fragen, denen wir uns weltweit immer häufiger stellen müssen. Doch was wäre, wenn plötzlich alles in der digitalen Welt, in den Nachrichten und auch in der persönlichen Kommunikation nur noch Fake wäre?
Dieser Frage geht Peter Grandl in seinem aktuellen Thriller „Reset“ nach. Dort wird zum Beispiel ein Passagierflugzeug abgeschossen, weil die Sicherheitsbehörden den Hinweis bekommen, es sei von Terroristen gekapert worden. Die Blackbox und die internationale Flugsicherheit können doch nicht so manipuliert worden sein, oder?
Doch, sie können. Das wird klar, nachdem überall auf der Welt Unglücke passieren, die auf falschen Informationen beruhen. Vom Anschlag Russlands auf den NATO-Generalsekretär über das Comeback von David Bowie bis hin zu dramatischen Videoanrufen enger Familienangehöriger – alles Fake. Aber alles mit Videobeweisen belegt.
Technisch schon sehr bald möglich und somit höchste Zeit, ein solches Szenario mal literarisch durchzuspielen. Peter Grandl hat mit „Turmschatten“ ein aufsehenerregendes Debüt hingelegt, für das er unter anderem mit dem Krimipreis „Harzer Hammer“ ausgezeichnet wurde und für das er auch sehr bald die Filmrechte verkaufen konnte. Mit seinen folgenden Thrillern etablierte er sich schnell als ein Autor, der explizit recherchiert und in seinen Büchern aus verschiedenen Perspektiven eine brandaktuelle Geschichte ausgesprochen glaubhaft erzählt. Zudem hat Peter als Drehbuchautor Erfahrung, so dass seine Bücher auch immer filmische Spannung erzeugen.
All das kommt in Reset zusammen. Etliche Figuren müssen sich mit einem kompletten Zusammenbruch alles Digitalen auseinandersetzen. Sicherheitsfachleute natürlich, aber unter anderem auch ein japanischer Gaming-Nerd, der sich sicher ist, wo der weltweite Virus verortet sein könnte, oder eine ältere Mitarbeiterin der New York Times, die frühere Kollegen und analoge Druckpressen wieder aktiviert, um die Welt doch noch mit Nachrichten zu versorgen. Bald nämlich sind alle der Ansicht, dass sie unsere Zivilisation nur noch durch einen weltweiten, allumfassenden Reset retten können.
Es fühlt sich nach Hollywood oder Netflix an, was Peter Grandl schreibt, seine Figuren sind gut herausgearbeitet und nah am Puls der Zeit. Doch das alleine ist es nicht. „Eine Tragödie in drei Akten“ nennt Peter sein Buch, nimmt immer wieder Bezug auf Goethes Faust, wenn er seiner KI den Namen Golem gibt auf Stanislaw Lem und auch auf biblische Geschichten wie dem Turmbau zu Babel. Damit gibt er der Geschichte eine literarische wie auch sehr nachdenkliche Ebene.
Es reicht nämlich nicht aus, KI, Digitalisierung und am besten gleich alle technische Entwicklung zu verdammen und in ein „Früher war alles besser“ zu verfallen. Es ist nicht der Fortschritt, der böse ist, sondern der Mensch. Vielleicht kann KI ja sogar das Korrektiv sein, damit wir endlich kapieren, dass wir die Zukunft der Welt nur alle gemeinsam gestalten können.
Das aber sind Gedanken, die beim Lesen des Buches unweigerlich aufkommen und auch aufkommen sollen. Philosophische oder ethische Antworten darauf liefert Peter Grandl nicht. Damit würde er auch eine Grenze überschreiten, hinter der er die Erwartungen mit einem Roman, einem Thriller auch nicht mehr erfüllen kann. Was ihm aber gelingt, ist eine actionreiche Story, die immer wieder andeutet, welche Fragen wir uns stellen sollten. Wie so oft nutzt Literatur hier ihre Stärken, um Diskussionen anzuregen und um ein Szenario zu entwerfen, das schon bald Wirklichkeit werden könnte.
Am Donnerstag, 18. September, ist Peter Grandl ab 19.30 Uhr im Großen Heiligen Kreuz in Goslar beim Mordsharz-Festival zu Gast. Er wird sicher nicht nur aus „Reset“ lesen, sondern auch auf die Thematik als solche eingehen, was sicher sehr spannend wird.
Spannend wird es auch vorher ab 18 Uhr mit Andreas Schnurbusch und seinem True-Crime-Vortrag „Wie töte ich meine Schwiegermutter“. Um 21 Uhr steht dann noch die Schwedin Kristina Ohlsson mit „Spätsommertod“ auf dem Programm, wobei Uve Teschner ihre deutsche Stimme ist.
Mehr zum gesamten Mordsharz-Programm und zu den Autoren und ihren Büchern gibt es auf www.mordsharz-festival.de.
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