Sport

21.06.2025

Mobbing im Reitsport


Reiten und Multiple Sklerose – wie geht das?

von Christian Dolle

Islandpferde sind die einzige in Island beheimatete Pferderasse. Es sind Kleinpferde, die auch von Erwachsenen geritten werden können, weil sie sehr robust und dadurch bei vielen sehr beliebt sind. Die gebürtige Northeimerin Hanna Neumann hat ihr Herz an diese Pferde verloren, reitet sie seit ihrer Kindheit und eben auch im Pferdesport u. a. bei Turnieren des Islandpferde-Reiter- und Züchterverbandes e. V. (IPZV).
Wenn Hanna auch durch ihre MS-Erkrankung eingeschränkt ist, helfen ihr die Tiere zum einen, um ihren Sport weiter betreiben zu können, und zum anderen, um sich durch das Reiten körperlich besser zu fühlen. Von außen erntet sie allerdings nicht nur Verständnis, sondern sieht sich in der Reiterszene auch Diskriminierungen ausgesetzt. Sie ist überzeugt, dass es richtig und wichtig ist, darüber zu sprechen.

- Mein Eindruck der Reiterszene beruht auf Bibi und Tina und vielleicht noch mal einem Let’s Play von Gronkh zu „Abenteuer auf dem Reiterhof“. Da haben sich immer all lieb, ist das in der Realität auch so?

Bei Bibi und Tina, ist ja immer irgendwas am Start, damit der Spannungsbogen oben bleibt, und ich hab manchmal das Gefühl, dass wir Reitsportler es geschafft haben, diesen Spannungsbogen von so einer Bibi und Tina-Geschichte dauerhaft zu etablieren. Der Reitsport ist ein heißes Pflaster, das kann man nicht anders sagen.

- Im Privaten oder erst ab einer gewissen Klasse und Professionalität?

Vom Privaten bis zur Sportklasse kenne ich niemanden, der mir nicht eine Horrorgeschichte aus seinem Reitsportleben erzählen könnte. Über meine sozialen Medien tausche ich mich mit verschiedensten Leuten aus. Und ich habe selber auch schon etliche Dinge erlebt. Zum Beispiel, dass einem meiner Pferde mal Plastik ins Heunetz getan wurde, wahrscheinlich vorsätzlich. 

- Das ist definitiv Tierquälerei und definitiv strafbar.

Ja, wir haben es angezeigt, doch wie so oft wurde der Täter nicht gefunden. Es gab nur Vermutungen. 

- Warum passiert sowas? Was, meinst du, ist der Grund dafür?

Unsere Gesellschaft sitzt momentan eh auf einem Pulverfass, finde ich. Und der Reitsport hat viel Neidpotenzial. Es geht viel um ‚wer hat das beste Pferd?‘ und ‚wer hat mehr Geld dafür ausgegeben?‘ oder ‚wer kann viel toller mit seinem Pferd umgehen?‘. Es gibt natürlich auch andere, gute Gemeinschaften. 

- Wie ist es bei dir? Denn deine gesundheitliche Situation ist ja eine besondere.

Ich leide unter einer der häufigsten neurologischen Behinderungen, die es gibt, Multipler Sklerose. Dadurch kann ich auch leider nicht mehr richtig am Arbeitsleben teilhaben, aber ich reite damit trotzdem. In meinen sozialen Medien rede ich darüber, wie es ist, mit MS auf dem Pferd zu sitzen und Pferde auch zu versorgen. 

- In meiner Welt verdient das besonderen Respekt. Wie ist es in der Pferdewelt?

Seit drei Jahren reite ich auch Islandpferde-Turniere. Da habe ich festgestellt, dass das Thema Reiten mit Handycap gar nicht so präsent ist. Man reitet im Regelsystem normal mit, aber ich stoße da mittlerweile an meine Grenzen. Ich habe auch das Gefühl, seitdem ich das öffentlich thematisiere, stößt es nicht nur auf Gegenliebe. In unserem Sportsystem fühle ich mich mittlerweile eher wie ein Störfaktor. 

- Hast du das Gefühl, benachteiligt zu werden?

Es ist ein sehr heikles Thema. Es fing jetzt an, als ich ein wenig ehrgeiziger wurde, auch öfter mal platziert war und jetzt ein Pferd habe, das man sportlich weiterentwickeln kann. Ich habe das Gefühl, dass unser Verband zwar sagt, er wolle etwas für Inklusion tun, aber wenn man wirklich mit dem Thema kommt, sieht es anders aus.

- Magst du ein Beispiel nennen?

Zum Beispiel habe ich Zuschriften bekommen: Was willst du mit deiner Krankheit denn mit solch einem Pferd? Das kannst du doch gar nicht dauerhaft reiten. Ich solle doch froh sein, dass ich überhaupt noch im Regelsport reiten kann. 

- Was müsste der Verband deiner Meinung nach ändern?

Der IPZV hat im Vergleich zur Deutschen Reiterlichen Vereinigung derzeit keine Grade, wo behinderte Reiter anhand ihrer Problematik eingestuft werden können. Man kann sich allerdings ein Hilfsmittel eintragen lassen. Aber mit einer Behinderung, die innen abläuft und verschiedene Symptome hat, ist es schwierig. Da kommen Anfeindungen, ich solle nicht meckern und müsse es dann eben besser machen. 

- Würdest du soweit gehen, von Mobbing zu sprechen?

Wenn Leute mir schreiben, ich solle lieber mein Pferd abgeben, oder mir vorhalten, dass man bei anderen die Behinderung ja sogar sehe und die auch den Mund nicht aufmachen, dann ist das diskriminierend, ja. Daher hinterfrage ich zunehmend das System, weil ich auch das Gefühl habe, schlechter benotet zu werden. Was mir andere übrigens auch bestätigen.

- Also muss der Reitsport inklusiver werden und sich öffnen, wenn er nicht zum Elitensport werden will?

So sieht es aus. Viele Menschen sind Amateurreiter, Breitensportler, die in Zeiten, in denen der Reitsport zurückgeht, gesehen werden wollen. Die Basis bricht sonst weg. Das sagen durchaus auch andere, nur manche scheinen der Ansicht zu sein, dass jemand, der nur genug Geld und somit genug gute Pferde hat, eben gewonnen hat. 
Daher sage ich: Kämpft für eure Ziele und lasst euch auf keinen Fall entmutigen.

Danke für das Interview.
Hanna ist auf Instagram zu finden.

 

Das vollständige Interview gibt es hier:



 

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