Kultur / Rezensionen

31.05.2025

Leben wir in einem Online-Rollenspiel?


In „Eternity Online“ gelingt Mikkel Robrahn der Spagat zwischen Philosophie und Humor

von Christian Dolle

Hast du dich schon einmal gefragt, ob das ganze Leben nicht eine Simulation sein könnte? Wie ein gut gemachtes Videospiel, in das du geworfen wurdest, um Quests zu erfüllen, deinen Weg durch die Welt zu finden, aber in dem letztlich alles nur eine Illusion ist. Dann würdest du den Sinn hinterfragen und vermutlich auch, was denn dann da draußen ist. Was ist die wahre Wirklichkeit?

So nämlich ergeht es Rob. Er erwacht ohne Erinnerung in einer Fantasywelt, die ihm fremd vorkommt. Dort soll er Abenteuer bestehen, Monster jagen und zum Helden werden. Nicht ganz ungefährlich, doch wenn er stirbt, erwacht er einfach neu und das Leben beginnt erneut. So seltsam all das Rob vorkommt, so selbstverständlich scheint es für alle anderen Bewohner zu sein. Schnell ist ihm klar: Es muss ein Geheimnis hinter dieser Welt geben. 

Von "Friendly Fire" zur Literatur

Es ist ein spannendes Setting, das Mikkel Robrahn in seinem Roman „Eternity Online“ beschreibt. Eine Fantasystory, die insgesamt und vor allem in Details an Videospiele erinnert (und vor allem auch immer wieder auf gewisse Charakteristika anspielt). Ein Mysterium, weil Rob zwar ahnt, dass seine Vergangenheit ganz anders und realer ist als diese Gegenwart, aber sie nicht greifen kann. Und zwischen den Zeilen auch immer wieder die philosophische Frage, was nach dem Tod kommen kann. 

Durch eine augenzwinkernde Erzählweise, aus der die Liebe zu Online-Rollenspielen dennoch herauszulesen ist, gelingt dem Autor der Spagat zwischen Fantasy, Satire, Science Fiction und vielleicht noch anderen Genres. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass Mikkel Robrahn eigentlich aus der Gaming- und Youtuberszene kommt, er ist unter anderem als langjähriger Produzent des Charity-Livestreams „Friendly Fire“ bekannt. In den letzten Jahren wandte er sich aber der Literatur zu, veröffentlichte mit „Hidden Worlds“ und „Signs of Magic“ inzwischen zwei erfolgreiche Buchserien.

Auch „Eternity Online“ ist als Trilogie geplant, der erste Band aber durchaus auch für sich allein lesbar. Rob findet also am Ende einige Antworten, so dass die Geschichte auch enden könnte, das Problem ist, dass ich nach dem Lesen des Buches so neugierig war, dass ich unbedingt wieder in die Welt von Avataris abtauchen wollte. 

Gront, Squan und Eollyan

Das schafft Mikkel dadurch, dass die Handlung in der Außenwelt, also sozusagen die Rahmenhandlung als Science-Fiction oder auch als Thriller mit vielen tiefgehenden Fragen über die menschliche Existenz und das Leben zwischen den Zeilen funktioniert. Ebenso ist aber auch die Handlung in Avataris sehr bildhaft und mitreißend geschrieben. Dazu wiederum tragen vor allem die großartigen Nebenfiguren bei, Ethan, ein Gront, ein bärenartiger Kämpfer, Marten, ein Squan, sein meerschweinchenartiger Freund, die Heilerin Saira und die Magierin Rose, die sozusagen ein humanoides Baumwesen ist. 

Sie alle sind in Avataris ebenso fremd wie Rob und wie sich herausstellt, hatten sie alle auch vor ihrem Tod und dem Übertritt in die Fantasywelt eine gemeinsame Geschichte. Damit sind beide Welten eng ineinander verzahnt, in beiden Welten bleibt es spannend, und ja, ich muss zugeben, dass mich die Charaktere völlig gepackt haben. 

Was ist die Ewigkeit?

Gerade dieser Abstand von der Fantasywelt, durch den auch mal ein wenig Ironie in der Erzählweise aufblitzen darf, fehlt mir bei Fantasy häufig. Natürlich bin ich großer Bewunderer, wenn Autoren in sich schlüssige Welten erschaffen, nur geht es mir manchmal so, dass diese ihr Werk dann zu ernst nehmen und ich das Gefühl habe, immer ein Wiki der Welt zur Hand haben zu müssen, um allem folgen zu können. Genau das bricht Mikkel auf, wenn Rob das System der Spielwelt immer wieder mit Logik aus der echten Welt dribbelt, und holt mich damit voll ab. 

Am meisten aber fasziniert mich ehrlich gesagt die Vorstellung, dass es ein Online-Rollenspiel geben könnte, in dem ich nach dem Tod weiterexistiere. Ob ich das will, ist eine ganz andere Frage. Als Christ bin ich ja eher davon überzeugt, dass ich mit dem Tod das Spiel des Lebens erfolgreich beendet habe und im Himmel oder vielleicht ja auch einfach im nächsten Level lande. 

Aber die Frage nach der Ewigkeit ist eben eine sehr spannende. In Zeiten von KI muss sie neu gestellt werden und ich liebe es, wenn auch die Popkultur Antworten darauf liefert, weil Philosophie nun einmal nicht nur hinter universitären Mauern stattfinden sollte. In diesem Sinne kann ich euch „Eternity Online“ nur absolut empfehlen. Wenn ihr meine Geschichten, die in eine ähnliche Richtung gehen, mögt, werdet ihr dieses Buch und vermutlich auch die gesamte Trilogie lieben.



Mikkel Robrahn auf der Leipziger Buchmesse

 

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