Kultur / Rezensionen

15.02.2025

In der Tiefe des Kummersees lauert der Schrecken


Packender Debütroman von Iver Niklas Schwarz

von Christian Dolle

Ein See auf der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Vermesser sollen die Gegend untersuchen, ob er sich als Atommüllendlager eignet. Da das natürlich auf Widerwillen in der Bevölkerung und einiger Umweltaktivisten stößt, werden sie von zwei Polizisten geschützt. Eine der Polizisten ist Lena, die hier aufgewachsen, aber seit Jahren nicht mehr am See gewesen ist. 

Mit dieser brisanten Ausgangslage bringt „Kummersee“ von Iver Niklas Schwarz alles mit, was ein guter Thriller braucht. Ein aktuelles Thema, über das diskutiert werden kann, einen Schauplatz, der ebenso vertraut wie geheimnisvoll wirkt, und eine Hauptfigur, die ein persönliches Schicksal mit allem verbindet. Es ist der erste Roman des aus der Nähe von Göttingen stammenden Autors und mit den Zutaten macht er bereits vieles richtig. 

Der verbotene See

Bevor es in der Geschichte allerdings richtig losgeht, stellt Iver Niklas Schwarz einen Prolog voran, der in Lenas Kindheit spielt. Gemeinsam mit ihrem älteren Bruder schlecht sie sich verbotenerweise zu besagtem See. Auf dem Weg durch das Gelände, hinter dem die Welt zu Ende ist, erzählt er ihr eine Gruselgeschichte, die sich hier angeblich zugetragen haben soll. Doch das Mädchen beweist Mut und geht letztlich trotzdem ins Wasser. Dabei packt etwas ihren Fuß, ihr Bruder kommt ihr zu Hilfe, nur mit Mühe gelangt sie wieder ans Ufer. Ihr Bruder überlebt den Badeausflug nicht. Daher fragt sie sich seitdem, was es war, was sie damals in die Tiefe zog, und ob es immer noch dort lauert. 

Dieses Trauma aus der Vergangenheit legt sich atmosphärisch auch über die Erzählweise des Buches. Der Kummersee bleibt bis zum Ende ein Mysterium und der Autor spielt mit der kindlichen Angst, was darin wohl bis heute verborgen sein könnte. Vor allem, da weitere unerklärliche Dinge geschehen und alle, die dem See zu nahe kommen, ihres Lebens nicht mehr sicher sind, bleibt lange offen, ob es eine logische Erklärung für die Ereignisse gibt oder ob Lenas Monster doch real ist. 

Thriller mit Horrorelementen

Die Arbeit der Vermesser, der Frust der Dorfbewohner, dass ihre Heimat zerstört wird, und die Protestaktionen der Aktivisten, die immer wieder auch zum Eingreifen der Polizei führen, machen die eine Seite aus. Klassischer Thriller mit vielen Fragezeichen, auf die es nur nach und nach Antworten gibt. Hinzu aber kommt die Gruselatmosphäre, die durch ein gespenstisches Leuchten im Wasser, eine übel zugerichtete Leiche mit Biss- und Klauenspuren und andere Horrorelemente immer wie ein kalter Nebel über allem schwebt. 

Nie weiß der Leser mehr als Protagonistin Lena, zwingt sich mit ihr zu rationalem Denken, nach dem es keine Monster gibt und teilt sich mit ihr aber auch die Erinnerungen an jenes Wesen, das ihren Bruder damals unter Wasser zog. Das macht den Reiz beim Lesen aus und dieses Buch zu einem Hybriden aus Thriller und Horror, der in der undurchsichtigen Realität ebenso verortet ist wie in der irrationalen Beklemmung. 
Alles in allem ist es ein gelungenes Debüt mit einem sehr filmischen Ende, das ebenso schlüssig wie unvorhersehbar ist und ein wenig atemlos zurücklässt. Iver Niklas Schwarz hat hier ein Ausrufezeichen gesetzt und macht deutlich, das von ihm schriftstellerisch noch viel zu erwarten ist.

 


 

Anzeige