Politik / Wirtschaft / Bildung

03.02.2025

Stellungnahme zur Bundestagswahl 2025


Für eine politische Orientierung an Fakten und der historischen Verpflichtung auf die Menschenrechte!

Wir, wissenschaftliche Vereinigungen der Forschung zu Migration, Integration, Rassismus und Menschenrechten, warnen anlässlich der Bundestagswahl 2025 eindringlich vor den Folgen einer Politik, die zunehmend grundlegende Menschenrechte missachtet und sich immer weniger an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert.

Die deutsche Politik beteiligt sich aktuell an einem europäischen Wettlauf um eine repressive Migrations- und Integrationspolitik. Dabei wird das Asylrecht systematisch ausgehöhlt, zentrale Schutzmechanismen für geflüchtete Menschen werden demontiert, radikale Forderungen wie Ausbürgerungen, Abschiebungen in Kriegsgebiete oder die vollständige Grenzschließung dominieren die politische Debatte. Die Verfassung und Menschenrechte werden zur Verhandlungsmasse. Entsetzliche Gewalttaten wie die in Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg werden von demokratischen Parteien benutzt, um diese Agenda voranzubringen.

Die öffentliche Aufmerksamkeit wird auf “die Migration” oder “die Migrant*innen” als Problem gelenkt. Diese Politik stigmatisiert die Betroffenen, führt zu einem nachweisbaren Anstieg rassistischer Gewalt und zu einer gesamtgesellschaftlichen Ausgrenzung. Diese Politik negiert die migrationsgesellschaftliche Realität in Deutschland und bedroht die Demokratie insgesamt. Sie spaltet die Gesellschaft und trägt zu einer Verrohung des politischen Diskurses bei.

Dabei verhindert sie auch das Angehen der Probleme, die wir alle täglich spüren: eine marode Infrastruktur, hohe Mieten, den Klimawandel und abnehmende Partizipationsmöglichkeiten von Menschen in prekären und sozial-ökonomisch schwierigen Lebenslagen. Im Gegenteil werden Institutionen, an denen Demokratie gelernt werden kann, wie Kitas, Schulen, Bildungsträger und kulturelle Einrichtungen finanziell ausgehöhlt. Soziale Schutzmaßnahmen wie Frauenhäuser, der soziale Wohnungsbau oder psychosoziale Hilfsangebote werden vernachlässigt. Gute Bildung, Ausbildung und damit auch gesellschaftliche Teilhabe für Alle wird kaum mehr als politisches Ziel formuliert.

Wir wenden uns gegen einen populistischen Diskurs, der auch in der politischen Mitte um sich greift. Gegen einen Diskurs des Nationalismus, der Migration als Bedrohung inszeniert sowie Abschiebungen und Grenzschließung als Lösungen für zentrale gesellschaftliche Probleme suggeriert. Diese kaum noch erkennbaren inhaltlichen Unterschiede zu rechtsextremen Positionen in der Flüchtlingspolitik fördern die zunehmende Normalisierung menschenfeindlicher Positionen. Die Auswirkungen auf Wissenschaft und Forschung

Diese Politik betrifft auch uns als Wissenschaftler*innen, obgleich in den letzten Jahren der Ausbau der Migrationsforschung finanziell gefördert wurde. Wir beobachten, dass zahlreiche politische Entscheidungen im Bereich Migration im Widerspruch zu den grundlegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen. In den Medien finden sich Meinungsbeiträge, die sich als Wissenschaft ausgeben und mit veralteten Konzepten wie der Kulturkonflikttheorie oder mit Pullfaktoren argumentieren.

Diese Ignoranz bedroht die gesellschaftliche Kraft der Wissenschaft als Ganzes. Denn unter dem Eindruck rechter Einflussnahme werden Disziplinen, die sich mit sozialen Ungleichheiten beschäftigen, wie die Gender Studies oder die Rassismusforschung, als unwissenschaftlich diskreditiert. In den USA zeigt sich bereits, welche gesellschaftlichen Folgen das hat: hier wird aufgrund politisch-ideologischer Vorbehalte sogar die medizinische Forschung angegriffen, mit fatalen Folgen für die weltweite Gesundheit.

Appell für eine offene Gesellschaft

Die sich abzeichnende autoritäre Wende gefährdet die Grundlagen einer offenen, demokratischen Gesellschaft. Wir wissen, dass die Erkenntnisse der Migrations-, Integrations- und Rassismusforschung unverzichtbar sind, um eine gerechte und vielfältige Gesellschaft zu gestalten. Wir nehmen diese Verantwortung ernst und fordern alle demokratischen Kräfte – insbesondere die zur Wahl stehenden politischen Parteien – auf, ihre Verantwortung ebenfalls wahrzunehmen und in konkretes Handeln umzusetzen. Politische Entscheidungen müssen sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren, nicht an ideologischen Annahmen.

Deutschland muss die Vorgaben des Grundgesetzes und internationaler Abkommen kompromisslos einhalten. Andernfalls drohen weitere Beschneidungen grundlegender Menschenrechte für alle. Demokratische Strukturen wie Schulen, Bildungseinrichtungen, kulturelle Institutionen und soziale Schutzräume müssen gestärkt statt kaputtgespart werden. Politische Debatten dürfen nicht zur gesellschaftlichen Spaltung beitragen, sondern müssen die Regeln demokratischer Auseinandersetzungen respektieren und auf Zusammenhalt und Solidarität abzielen.

Nur durch eine Rückbesinnung auf Fakten, Menschenrechte und demokratische Werte kann eine Politik gelingen, die Deutschland und Europa langfristig stärkt.

Erstunterzeichnende

Vorstand des Rats für Migration (RfM)
Prof. Dr. Helen Schwenken, Universität Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS), Direktorin
Prof. Dr. Karin Scherschel, Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Zentrum Flucht und Migration (ZFM), Leitung
Prof. Dr. Naika Foroutan, Sozialwissenschaftlerin, Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. habil. Albert Scherr, Institut für Soziologie, Pädagogische Hochschule Freiburg
Prof. Dr. Sulin Sardoschau, Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM), Humboldt-Unversität zu Berlin
Prof. Dr. Helena Olfert, Universität Osnabrück, Deutsch als Zweitsprache und sprachliche Bildung sowie Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)
Prof. Dr. Maarten van Zalk, Universität Osnabrück, Entwicklungspsychologie, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)
Prof. Dr. Christine Lang, Universität Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)
Prof. em. Dr. Klaus J. Bade, Gründungsdirektor IMIS, 1991ff
Prof. Dr. Birgit Glorius, Professur Humangeographie mit dem Schwerpunkt Europäische Migrationsforschung, Technische Universität Chemnitz
Prof. Dr. Yasemin Karakaşoğlu, Universität Bremen, Arbeitsbereich Bildung in der Migrationsgesellschaft
Prof. Dr. Ulrike Krause, Universität Münster, Institut für Politikwissenschaft
Prof. Dr. Kenan Engin
Prof. Dr. Karim Fereidooni, Ruhr-Universität Bochum
Prof.in Dr.in Caroline Schmitt, Frankfurt University of Applied Sciences
Prof. Dr. Ayça Polat, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Prof. Dr. Thomas Faist, Universität Bielefeld
Prof. Dr. Çinur Ghaderi, EvH Bochum
Prof.'in Dr. Mechtild Gomolla, Pädagogische Hochschule Karlsruhe
Prof. Dr. Nora Markard, Universität Münster
JProf. Judith Purkarthofer, Universität Duisburg-Essen, Institut für Germanistik und Interdisziplinäres Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung
JProf.‘in Dr. Simone Plöger, JGU Mainz, Institut für Erziehungswissenschaft
Prof. Dr. Ilse Lenz, Ruhr-Universität Bochum
Prof. Dr. Elisabeth Tuider, Universität Kassel, Soziologie der Diversität
Prof. Dr. Stefanie Schüler-Springorum, Zentrum für Antisemitismusforschung, TU Berlin
Prof. Dr. Siglinde Naumann (Professorin im Ruhestand), Hochschule RheinMain
Prof. Dr. Paul Mecheril, Universität Bielefeld
Prof. Dr. Urmila Goel, Humboldt Universität zu Berlin
Prof. em. Dr. Horst Pöttker, TU Dortmund
Prof. Dr. Ursula Neumann, Universität Hamburg, Institut für Interkulturelle und International Vergleichende Erziehungswissenschaft
Prof. Dr. Moritz Schramm, Süddänische Universität Odense
Prof. i. R. Dr. Annita Kalpaka, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
Prof. Dr. Katharina Brizić, Universität Freiburg, Professur für Mehrsprachigkeit
Prof. Dr. Simon Goebel, Technische Hochschule Augsburg, Professur für Soziale Arbeit und Diversität
Prof. Dr. Birgit Behrensen, Fachgebiet Soziologie für die Soziale Arbeit, BTU Cottbus-Senftenberg
Prof. Dr. Susanne Spindler, Hochschule Düsseldorf
Prof. Dr. Meltem Kulaçatan, (IU) Internationale Hochschule
Prof. Dr. Dr. Andreas Heinz, BIM Berlin
Prof. Dr. Gabriele Fischer, Hochschule München
Prof. Dr. Dr. Maximilian Pichl, Hochschule RheinMain
Prof. Dr. Gritt Klinkhammer, Institut für Religionswissenschaft und Religionspädagogik, Universität Bremen
Prof. Dr. Maren Möhring, Universität Leipzig
Prof. Dr. Barbara Schäuble, Alice Salomon Hochschule Berlin
Prof. Dr. Antonie Schmiz, Institut für Geographische Wissenschaften, Freie Universität Berlin
Prof. Dr. Britta Schneider, Europa-Universität Viadrina
Prof. Dr. Alexander-Kenneth Nagel, Institut für Soziologie, Georg-August-Universität Göttingen
Prof. Dr. Viola B. Georgi, Universität Hildesheim
Prof.in Dr. Elizabeta Jonuz, Hochschule Hannover, Soziologin
Prof. Dr. Ilker Ataç, HS Fulda
Prof. Dr. Jürgen Bast, Justus-Liebig-Universität Gießen
Prof. Dr. Regina Römhild, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Europäische Ethnologie
Professor Dr. Christoph Schroeder, Universität Potsdam, Zentrum für Sprache, Variation und Mehrsprachigkeit
Prof. Dr. Anja Steinbach, Europa-Universität Flensburg, Institut für Erziehungswissenschaften
Prof. Dr. Marcia Schenck, Universität Potsdam
Prof. Dr. Ellen Kollender, Leuphana Universität Lüneburg
Prof.‘in Dr. Galina Putjata, Goethe-Universität Frankfurt, Fachbereich Erziehungswissenschaften
Prof. Dr. Marei Pelzer, Frankfurt University of Applied Sciences
PD Dr. habil. Maria Alexopoulou, Zentrum für Antisemitismusforschung, TU Berlin
Prof. Dr. Ulrike Koopmann, IU Internationale Hochschule, Düsseldorf
Prof. Dr. Dr. h.c. Steven Vertovec, Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften, Geschäftsführender Direktor
Prof. Dr. Matthias Quent, Hochschule Magdeburg-Stendal
Prof. Dr. Ulrike Hormel, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Prof. Dr. em. Werner Schiffauer, Europa-Universität Frankfurt/Oder
Prof. Dr. Michael Müller, Fachhochschule Kiel
Prof. Dr. Sara Fürstenau, Universität Hamburg
Prof. Dr. em. Helma Lutz
Dr. Aleksandra Lewicki, University of Sussex
Dr. Minu Haschemi Yekani, Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin
PD Dr. Frank Wolff, Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung/ IMIS, Universität Osnabrück
Dr. Anne-Kathrin Will, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und Humboldt-Universität zu Berlin
Dr. Linda Supik, Netzwerk Antidiskriminierungsdaten
Dr. Almut Küppers, Goethe-Universität Frankfurt, Institute of English and American Studies
Dr. Janina Söhn, Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) an der Georg-August-Universität
PD Dr. Thomas Geier, TU Dortmund, Institut für Allgemeine Didaktik und Schulpädagogik (IADS)
Dr. Miriam Friz Trzeciak, BTU Cottbus-Senftenberg
Dr. Melanie David-Erb, Goethe-Universität Frankfurt
Dr. Jens Schneider, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS), Universität Osnabrück
Dr. Marcel Berlinghoff, Universität Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)
Dr. Daniel Kubiak, Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung an der HU Berlin
Dr. Jörn Thielmann, FAU Forschungszentrum für Islam und Recht in Europa FAU EZIRE, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Dr. Sophie Hinger, Universität Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)
Dr. Mert Pekşen, Universität Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)
Dr. Isabell Diekmann, TU Dortmund, Migrations- und Bildungssoziologie
Dr. Carsten Felgentreff, Universität Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)
Dr. Nantke Pecht, Universität Münster & Universität Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)
Dr. Nihad El-Kayed, Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM), Humboldt-Unversität zu Berlin
Dr. Sebastian Huhn, Universität Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)
Dr. Anita Rotter, Universität Innsbruck, Institut für Erziehungswissenschaft
Dr. Simon Goeke
Dr. Markus Nesselrodt, Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder)
Dr. Felix Hoffmann, Technische Universität Chemnitz
Dr. Patrice G. Poutrus, Universität Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)
Dr. Oliver Bunk, Humboldt-Universität zu Berlin, Deutsch in multilingualen Kontexten
Jan Schaller, Universität Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)
Laura-Solmaz Litschel, Humboldt Universität zu Berlin, Berliner Institut für Migrationsforschung (BIM) und Institut für Europäische Ethnologie
Jennifer-Louise Robinson, Universität Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)
Dominic Sauerbrey, Universität Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)
Leoni Keskinkilic, Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM), Humboldt-Universität zu Berlin
Maria Consuelo Flores Rojas, Universität Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)
Vera Hanewinkel, Universität Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)
Janna Wichern, Universität Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)
Daniel Heinz, Universität Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)
Isabel Hoffmann, Universität Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)
Philipp Jung, Universität Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)
Johanna Ullmann, Universität Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)
Judith Masselmann, Universität Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)
Anna Kaim, Hochschule Bremen/Universität Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)


 

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