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01.02.2025

Nie wieder ist jetzt! – Sterbeglocke mahnt zum Abschluss der Osteroder Gedenktage


Mit vielfältigen Aktionen zeigte Osterode am Harz sein starkes Engagement für Erinnerungskultur und Demokratie

...Stadt Osterode am Harz

Die Gedenktage an die Opfer des Nationalsozialismus und des Faschismus weltweit, die vom 23. bis 27. Januar erstmals in Osterode am Harz stattfanden, boten eine eindrucksvolle Möglichkeit, innezuhalten, sich zu erinnern und gemeinsam ein Zeichen für Menschenwürde und Demokratie zu setzen. Mit einer Vielzahl an Veranstaltungen wurden historische und gesellschaftliche Themen aufgegriffen, die nicht nur das Gedenken in den Mittelpunkt rückten, sondern auch die Bedeutung einer lebendigen Erinnerungskultur unterstrichen.

Den Auftakt machte am 23. Januar eine Podiumsdiskussion im Forum der BBS II in der Leege, moderiert von der Schulpastorin Susanne Bachmann-Günther. Unter dem Titel „Menschenwürde in Gefahr!“ stellten sich Vertreterinnen und Vertreter der Initiative „Omas Gegen Rechts“ den Fragen der ca. 170 Schülerinnen und Schüler und berichteten von ihren frühen Erfahrungen nach dem Krieg und den Geschehnissen in ihren Familien. Auch eine Zeitzeugin war zu Gast und erzählte von ihren Erfahrungen. Die Veranstaltung wurde intensiv genutzt, um über aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen und die Bedeutung von Zivilcourage zu diskutieren.

Unter der Moderation von Brigitte Maniatis fand am 24. Januar das Erzählcafé im Museum im Ritterhaus statt, bei dem Vertreterinnen der „Omas Gegen Rechts“ von ihren persönlichen Erfahrungen im Einsatz für Demokratie und Menschenrechte berichteten. Die offene Atmosphäre ermöglichte es den Teilnehmenden, sich auszutauschen und über den Umgang mit rechtsextremen Tendenzen in der Gesellschaft nachzudenken.

Der 25. Januar stand im Zeichen der direkten Begegnung. Am Info-Stand in der Innenstadt konnten sich Bürgerinnen und Bürger über die Arbeit der „Omas Gegen Rechts“ informieren. Die Aktion fand großen Anklang und regte viele Passantinnen und Passanten dazu an, sich intensiver mit dem Thema
auseinanderzusetzen.

Feierliche Momente prägten den 26. Januar. Ein Gedenkgottesdienst in der St. Aegidien-Marktkirche bot Raum für stille Andacht und Besinnung. Im Anschluss beeindruckte das Gedenkkonzert „Klezmer- Musik hat überlebt!“ mit dem KlezPO-Orchester aus Göttingen die Zuhörerinnen und Zuhörer. Die musikalische Darbietung zeigte eindrucksvoll, wie Kultur selbst in dunkelsten Zeiten überleben und verbinden kann.

Der Höhepunkt der Gedenktage war die offizielle Gedenkstunde der Stadt Osterode am Harz am 27. Januar auf dem Kornmarkt, moderiert von Pastor Johann-Hinrich Witzel. In bewegenden Reden von Bürgermeister Jens Augat, Superintendentin Ulrike Schimmelpfeng, „Omas Gegen Rechts“ Vertreterin Brigitte Maniatis sowie Schülerinnen der BBS II wurde eindrucksvoll an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Musiker Richard Chajec sorgte für die musikalische Begleitung mit Stücken aus der jüdischen sowie der Sinti- und Roma-Musiktradition. Zum Schluss setzten alle Versammelten ein Zeichen: Mit Kerzen in den Händen hielten die Versammelten eine Schweigeminute zum Läuten der Sterbeglocke vom Turm der St. Aegidien-Marktkirche.

Die Schülerinnen Maie Conrady und Lena Enge berichteten in ihren Reden von der nationalsozialistischen Vergangenheit Osterodes und den erschütternden Geschehnissen vor Ort und betonten dabei die Bedeutung der Erinnerungskultur.

Superintendentin Ulrike Schimmelpfeng rief dazu auf, Werte wie Menschenwürde und Zusammenhalt nicht nur zu bewahren, sondern aktiv zu leben. Sie zitierte die Initiative der katholischen und evangelischen Kirchen zur diesjährigen Bundestagswahl: „Menschenwürde, Nächstenliebe, Zusammenhalt – das sind Werte, für die wir als christliche Kirchen einstehen wollen. Daran messen wir Politikerinnen und Politiker aller Parteien. Sie sollen nicht spalten, nicht herabsetzen, nicht Stimmung gegen bestimmte Gruppen von Menschen machen. Sie sollen uns nicht vormachen, sie hätten einfache Lösungen für komplexe Probleme.“

Eindringliche Worte richtete auch Brigitte Maniatis an die demokratischen Parteien: „Schließt euch zusammen, trotz aller Unterschiede. Wiederholt nicht den Fehler von damals. Nie wieder ist jetzt. Bezieht Stellung. Seid nicht still. Nie wieder Faschismus.“

Bürgermeister Jens Augat ging in seiner Rede u.a. auf die Lager des nationalsozialistischen Unrechts in Osterode am Harz ein: „Heute erinnern nur noch wenige Spuren an diese Zeit, doch die Schreie der Opfer, die unmenschliche Härte und der Verrat an jeglicher Menschlichkeit dürfen uns nicht verstummen lassen. Jede Form der Ausgrenzung, Judenhass und Hetze gegen Andersdenkende ist inakzeptabel, egal aus welcher Ecke der Gesellschaft er kommt. Und das gilt natürlich für alle extremistischen Ideologien: Gewalt, sei sie politisch, religiös oder ideologisch motiviert, hat keinen Platz in unserer Gesellschaft. Es spielt keine Rolle, ob sie von rechts, von links oder aus anderen Bereichen kommt: Extremismus ist Extremismus. Er zerstört das Fundament unserer Demokratie.

Lassen Sie uns gemeinsam klar sagen: Es gibt keine Rechtfertigung, keine Ausrede, keine Grauzone für Hass und Gewalt.“

An der Gedenkstunde setzten knapp 300 Bürgerinnen und Bürger gemeinsam ein klares Zeichen gegen das Vergessen und zeigten, dass Osterode am Harz für eine weltoffene, respektvolle und friedliche Gemeinschaft steht.

Auch zahlreiche Institutionen aus Osterode am Harz setzten aktiv ein starkes Zeichen für die Erinnerungskultur. Über 50 Vereine, Unternehmen, Institutionen und Parteien unterstützten die Aktionen und betonten digital die Bedeutung des Gedenkens. Die Unterschriftenaktion für die Osteroder Erklärung stieß ebenso auf große Resonanz: Bereits mehr als 500 Personen haben sich beteiligt, und die Aktion bleibt weiterhin geöffnet. Interessierte können unter www.osterode.de/osterodergedenktage2025 ihre Unterstützung zeigen.

Anlässlich der Gedenktage wurde an der St. Aegidien-Marktkirche ein großes Banner mit der Aufschrift „Wir gedenken der Opfer des Nationalsozialismus und des Faschismus weltweit. In Osterode am Harz sagen wir: Jetzt erst recht. Nie wieder rechte Gewalt!“ angebracht. Als besonderes Zeichen des Erinnerns, das in der Region in dieser Form einmalig ist, bleibt es noch für einige Wochen sichtbar. Die Stadt Osterode am Harz, der Kirchenkreis Harzer Land, die Hanns-Lilje-Stiftung und die Initiative „Omas Gegen Rechts“ danken allen Mitwirkenden und Teilnehmenden, die diese besonderen Tage gestaltet und begleitet haben. Der Rückblick zeigt: Erinnerung ist nicht nur ein Blick in die Vergangenheit, sondern auch ein Auftrag für die Gegenwart und Zukunft.






 

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