06.01.2025
Lost Places: Lost Caves verschwundene Höhlen in Deutschland
Reste der Sachensteinhöhle im Steinbruch
...VDHK
Naturhöhlen wurden und werden leider in vielen Ländern zerstört, in denen es sie gibt – die überwiegende Mehrheit durch Gesteinsabbau. Dokumentiert werden derartige Fälle nur selten. Dies führt dazu, dass in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit, Politik und Behörden jeder neue Fall wieder als Einzelfall betrachtet wird. Eine Zusammenstellung aller zerstörten Höhlen für Deutschland durch den Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher VdHK soll diese Perspektive ändern, denn Naturhöhlen sind schutzwürdige Geotope und Lebensräume und jeder Verlust einer Naturhöhle ist ein Verlust für immer, denn verschwundene Höhlen kann man nicht renaturieren.
Gegenwärtig befinden sich auf der Liste des Verbandes 647 Höhlen, ehrenamtlich erfasst von Höhlenforschern und bewahrt von Höhlenkatasterführern aus allen Teilen Deutschlands. Einige gut dokumentierte Fälle, die vor allem den hohen Wert dessen, was verloren wurde, erkennen lassen, werden künftig auf der Website des Verbandes www.vdhk.de dargestellt. Denn es verschwinden mit den Höhlen auch ihre umgebenden Landschaften und Höheninhalte wie archäologische und paläontologische Relikte und Tropfsteine, die als Klimaspeicher für die Wissenschaft wichtige Daten liefern.
Der VdHK richtet ein dringender Appell an alle Grundstückseigentümer, Behörden und Höhlenforscher
1. Höhlen und Karstgebiete vor Zerstörung zu bewahren
2. Wenn unumgänglich, sie zumindest vor der Zerstörung fachlich genau zu dokumentieren
3. Zerstörungen zu melden,
da jede Höhle einzigartig, nicht ersetzbar oder wiederherstellbar ist.
Prominentestes Beispiel in Deutschland ist sicherlich das Neandertal mit seinen ehemaligen Höhlen. Aber kaum jemand weiß, dass der Originalfundplatz des ersten bekannt gewordenen Neandertalers dem Kalkabbau geopfert wurde. Doch auch heute noch sind bedeutende Höhlengebiete vom Abbau bedroht, sogar in Schutzgebieten, wie derzeit im Gipskarst des Südharzes in Sachsen-Anhalt. Dieses Gebiet ist nicht nur von der wissenschaftlichen Bedeutung mit dem Neandertal vergleichbar!
https://www.vdhk.de/schutzgebiete-und-geoparks
Als erste verschwundene Höhle soll die Geschichte der Sachsensteinhöhle bei Neuhof im Südharz noch einmal sichtbar werden.
Die Höhle lag im südlichen Ausläufer des Sachsensteins im Gipskarst, unmittelbar über dem braunschweigischen Dorf Neuhof. Ihr Eingang wurde erstmalig um das Jahr 1860 bei Steinbrucharbeiten aufgeschlossen und zunächst wieder zugeschüttet. 1928 wurde sie erneut freigegraben und am 5. Mai 1929 als Schauhöhle eröffnet.
Dr.-Ing. Friedrich Stolberg, der Nestor der Harzer Höhlenforschung, schrieb hierzu 1930: „Der Hauptreiz der Sachsensteinhöhle in ihrer Eigenschaft als Schauhöhle beruht … auf der Großzügigkeit des Raumeindruckes in Verbindung mit der Phantastik unterirdischer Blockmeere. Die Lage in unmittelbarer Nachbarschaft des Bades Sachsa dürfte auch die Vorbedingung zu einer einigermaßen günstigen wirtschaftlichen Weiterentwicklung in sich tragen.“
Die Sachsensteinhöhle ist mittlerweile spurlos verschwunden. In unmittelbarer Nähe zur ehemaligen Lage der Höhle gab es ein 1988 stillgelegtes kleines Gipswerk. Einen bedeutenden Aufschwung erlebte das Gipswerk am Sachsenstein erst nach dem 2. Weltkrieg. Da derSteinbruch alsbald an die natürliche Vorkommensgrenze des hier anstehenden Gipsgesteins stieß, wurde mit der Planung begonnen, das Gestein oberhalb der Höhle abzubauen. Dass die Sachsensteinhöhle dadurch irreparablen Schaden nehmen würde, wurde in Kauf genommen. Und obwohl die Sachsensteinhöhle bereits als Naturdenkmal in das Naturdenkmalbuch des Kreises Blankenburg eingetragen war, wurde die Aufhebung dieses Schutzstatus beantragt.
Als schlagkräftiges Argument wurde wieder einmal der ansonsten drohende Verlust an Arbeitsplätzen vorgeschoben, wie die Braunlager Zeitung vom 27.5.1951 berichtete. Man malte an die Wand, dass ansonsten 35 bis 38 Leute ihre Arbeit verlieren würden. Das war also schon zu damaliger Zeit ein beliebtes Druckmittel der Gipsindustrie. Zur Aufhebung des Naturschutzes musste nun allerdings ein Gutachten über die Schutzwürdigkeit eingeholt werden. Ein Gutachterbescheinigte anschließend, dass die Höhle abgebaut werden könne unter der Auflage, dass es einen engen Kontakt mit der Naturschutzbehörde zwecks Sicherung ggf. vorgeschichtlicher Zeugnisse gibt.
Die Harzer Höhlenforscher, allen voran Dr. Stolberg, erfuhren von dem der Höhle drohenden Schicksal erst 1951, als es bereits zu spät war. Aus heutiger Sicht kann man hierzu nur anmerken, dass es anscheinend den Plan gab, eventuelle Einsprüche durch die Schaffung vollendeter Tatsachen abzuwehren – ein auch in der heutigen Zeit anzutreffendes Prozedere. Der Kompromiss wurde in der Presse als Erfolg gefeiert. Man vertrat die Auffassung, dass die Sachsensteinhöhle nur von mäßiger Schönheit sei und man ja die nahegelegene Einhornhöhle besichtigen könnte. Dass es sich hierbei um völlig verschiedene Höhlentypen handelte, fand überhaupt keine Berücksichtigung. Nachhaltig konnten also weder Arbeitsplätze noch die Natur geschützt werden. Dies muss uns Mahnung und Ansporn für die Zukunft sein, solche Zerstörungen künftig zu vermeiden.